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NHL-Spieler bei Olympia: Stars on Ice

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Olympia-Boykott der NHL Geld statt Gold

Die Teambesitzer der NHL wollen ihre Stars nicht für Olympia 2018 in Südkorea freistellen. Sie bringen Gründe vor, die für die Winterspiele vier Jahre später im Wachstumsmarkt China plötzlich nicht mehr gelten sollen.

Sidney Crosby schrie, so laut er konnte. Er hatte den Puck an der Bande zu Jarome Iginla gespielt und gesehen, dass zwischen den beiden gegnerischen Verteidigern eine Lücke entstanden war. "Iggy!", brüllte Crosby, während er in den freien Raum skatete. Der Rest dieser Episode aus diesem Olympischen Eishockey-Finale 2010 in Vancouver zwischen Kanada und den USA ist bekannt: "Iggy" passte, Crosby schoss den Puck ins Tor. Es war der entscheidende Treffer in der Verlängerung und Kanada durch diesen 3:2-Erfolg Olympiasieger.

Die Szene haben Jung und Alt seitdem unzählige Male auf Seen und in Eishallen des Eishockey-Mutterlands nachgespielt. Und sie wird womöglich bald als Erinnerung an jene Zeit gelten, in der die Besten der Besten noch um den Olympiasieg spielten, die Profis der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL. Geht es jedoch nach deren Teambesitzern, werden die Stars im kommenden Winter in Pyeongchang fehlen.

Eishockeystars bereichern Olympia

Diese Meldung war den Sportsendern in Kanada eine "Breaking News" wert. Experten erklärten und analysierten. Und Wayne Gretzky wurde sogar emotional. Das Eishockey-Idol sprach zunächst von der Bedeutung des Stanley Cups. Der Gewinn der Meistertrophäe sei seiner Meinung nach für jeden NHL-Profi das Wichtigste, so Gretzky. "Aber das eine Spektakel, das wirklich außerordentlich ist, sind die Olympischen Spiele", ergänzte der 56-Jährige. Er glaube an die Spiele und liebe sie.

Als die NHL 1998 erstmals ihre Akteure zu Olympia entsandte, stand Gretzky noch auf dem Eis. Die Profis avancierten seitdem oft zu Stars der Spiele. Neben Gretzky hießen sie unter anderem Jaromir Jagr, Alexander Owetschkin oder Henrik Lundqvist. Sie tauschten das NHL-Klubtrikot mit Stolz gegen das ihrer Nationalmannschaften. Sie spielten nicht für Geld, sondern um Gold.

Ihre Arbeitgeber indes wurden mit den Winterspielen nie warm. Nur 2002 in Salt Lake City und 2010 in Vancouver habe sich der Olympia-Auftritt für die Liga gelohnt, sagt Commissioner Gary Bettman. Das Finale in Vancouver verfolgten 35 Millionen US-Amerikaner. So viele schalten sonst nur bei Spielen der National Football League (NFL) ein. Bei den Auftritten außerhalb Nordamerikas in Nagano, Turin und Sotschi hingegen sei der "schlussendliche Einfluss auf den weltweiten Eishockeysport vernachlässigbar gewesen", so Bettman.

NHL-Bosse demonstrieren ihre Macht

Die NHL verweist auf eine eigens durchgeführte Fan-Umfrage, die ergeben habe, dass in Kanada 53 Prozent und in den USA 73 Prozent gegen eine 17-tägige Saisonunterbrechung zugunsten der Winterspiele seien. Zudem betonte die Liga, dass sich vier Spieler in Sotschi langfristige Verletzungen zugezogen hatten und für den Rest der NHL-Saison ausgefallen waren.

Um sicher für Südkorea planen zu können, hatten das Internationale Olympische Kommitee (IOC) und der Eishockey-Weltverband IIHF die NHL jüngst wissen lassen, dass man bis Ende April eine Entscheidung erwarte. Sie wollten damit ein wenig Druck ausüben. Doch die Vereinseigner spannten ihrerseits die Muskeln an und erklärten, dass man den Spielplan für die kommende Saison ohne Pause für die Winterpause erstelle.

"Ich wäre gerne dabei gewesen. Deshalb habe ich im Sommer beim Olympia-Qualifikationsturnier mitgespielt", sagt Dennis Seidenberg SPIEGEL ONLINE. Der deutsche Verteidiger der New York Islanders spricht von einer "geschäftlichen Entscheidung" der Klubbesitzer. Im Gegensatz zu den vergangenen fünf Winterspielen wollte das IOC diesmal die Kosten in Millionenhöhe für Anreise und Versicherung nicht übernehmen.

Somit hatten die Vereinsbosse einen guten Grund gefunden, abzusagen. Südkorea war für sie ohnehin nie interessant: kleiner Markt, kaum Wachstumspotenzial. Und die weiteren Argumente sind sogar nachvollziehbar. Sie sehen wenig Sinn darin, ihre Spieler abzustellen und eine laufende Spielzeit für zweieinhalb Wochen zu unterbrechen. Zumal die NHL die Auftritte ihrer Akteure nicht einmal auf dem eigenen TV-Sender zeigen darf. Die Übertragungsrechte für den US-amerikanischen Fernsehmarkt liegen beim langjährigen Olympiasender NBC, der dem IOC allein für die Zeit von 2021 bis 2032 7,65 Milliarden Dollar zahlt.

Für China gelten andere Gesetze

Nur kommt diese Argumentation reichlich scheinheilig daher, wenn all diese Kritikpunkte 2022 angeblich kein Problem darstellen sollen. Die Anreise nach Peking dauert noch länger als die nach Pyeonchang. Die Partien werden weiterhin bei NBC übertragen, das Verletzungsrisiko der Stars wird ebenso groß sein wie kommenden Winter in Südkorea und die NHL auch dann ihren Spielbetrieb mitten in der Saison pausieren müssen.

Doch das würden sie alles in Kauf nehmen. Denn China sehen die Multimillionäre hinter den NHL-Teams als riesige Einnahmequelle. Deshalb wird die Liga bereits im September die Vancouver Canucks und die Los Angeles Kings zu Werbezwecken für zwei NHL-Spiele nach Shanghai und Peking schicken. IOC und IIHF haben bereits betont, dass die NHL 2022 wohl nicht dabei sein werde, wenn sie 2018 absage. Seitens des Organisationskomitees aus Pyeongchang hieß es, dass man noch Zeit habe für "sinnvolle Diskussionen." Die Eigner indes beschäftigen sich allerdings nicht mehr mit einer Teilnahme an den Spielen in Südkorea, das Thema scheint für sie abgehakt. Es seien nun einige Monate vergangen und kein "sinnvoller Dialog zustande gekommen", hieß es in einer Stellungnahme. "Die Angelegenheit ist offiziell abgeschlossen."

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