Eishockeystars Dennis und Yannic Seidenberg "Ich bin schon neidisch auf meinen Bruder"

Der eine ist ein Star in den USA, der andere in Deutschland: Dennis und Yannic Seidenberg gehören zu Deutschlands besten Eishockeyprofis. Im Gespräch reden die Brüder über Neid, Wachstumsprobleme und Bodychecks.

SPIEGEL ONLINE: Dennis Seidenberg, Sie haben 2011 mit den Boston Bruins den Stanley Cup gewonnen - die wertvollste Trophäe im Eishockey. Wie neidisch sind Sie auf das Olympiasilber von Yannic?

Dennis Seidenberg: Schon sehr neidisch. Eine Medaille bei Olympia gewonnen zu haben, ist etwas ganz Besonderes. Man hat ja auch gesehen, wie die Mannschaft diesen Erfolg gefeiert hat und wie die Menschen in Deutschland mitgefiebert haben.

Zur Person
Foto: Maddie Meyer/ AFP

Dennis Seidenberg, geboren 1981 in Baden-Württemberg, zählt zu den bekanntesten Eishockey-Spielern Deutschlands und spielt seit 2002 in der NHL. Aktuell ist er bei den New York Islanders unter Vertrag. 2011 gewann er mit den Boston Bruins den Stanley-Cup

SPIEGEL ONLINE: Yannic, Sie konnten in Pyeongchang Silber gewinnen. Wie gerne würden Sie dennoch mit Dennis tauschen, der den Stanley Cup gewonnen hat?

Yannic Seidenberg: Tauschen? Nicht wirklich. Die Erinnerungen an die Medaille sind einfach zu schön. Den Stanley Cup hätte ich dennoch gerne gewonnen. Aber ich spiele ja noch sechs Jahre.

Zur Person
Foto: DPA

Yannic Seidenberg, geboren 1984 in Baden-Württemberg, ist der jüngere Bruder von NHL-Star Dennis Seidenberg. Seit 2001 spielte er für verschiedene Teams in der DEL. Momentan ist er für den EHC Red Bull München auf dem Eis, in den vergangenen drei Jahren gewann er jeweils die Deutsche Meisterschaft.

SPIEGEL ONLINE: Kann man die Erfolge miteinander vergleichen?

Dennis Seidenberg: In Deutschland ist es ein größerer Erfolg, eine olympische Medaille gewonnen zu haben. Aber wenn man in Nordamerika fragt, denke ich schon, dass der Stanley Cup ein bisschen höher angesehen wird.

SPIEGEL ONLINE: Wer ist der bekanntere Profi von Ihnen?

Dennis Seidenberg: Yannic in Deutschland und ich in den USA. Also jeder in dem Land, in dem er lebt.

Yannic Seidenberg: Als wir aus Südkorea zurückkamen, hat man gemerkt, dass man mehr erkannt wird. Viele in den Spielgruppen meiner Kinder wussten vorher nicht genau, wer ich bin. Nach dem Turnier haben sie mich dann schon erkannt, weil ich eben im Fernsehen war. Aber insgesamt kann ich immer noch entspannt durch München gehen.

Dennis und Yannic Seidenberg

Dennis und Yannic Seidenberg

Foto: Archiv Familie Seidenberg

SPIEGEL ONLINE: Yannic, wie lange galten Sie in Ihrem Leben als "der kleine Seidenberg"?

Dennis Seidenberg: Er ist immer noch klein. Der wächst nicht mehr. (Yannic misst 1,73 Meter, Dennis 1,85 Meter - Anm. d. Red.)

Yannic Seidenberg: Eigentlich schon immer. Vor allem, wenn Dennis dabei ist, werde ich "der kleine Seidenberg" genannt.

SPIEGEL ONLINE: Dennis, wissen Ihre NHL-Teamkollegen überhaupt, dass Sie einen Bruder haben, der ganz gut Eishockey spielt?

Dennis Seidenberg: Die wissen das alle. Deshalb haben auch alle mitgefiebert, als Yannic und Deutschland in Südkorea gespielt haben. Yannic besucht mich im Sommer immer, dann bereiten wir uns an der US-Ostküste gemeinsam auf die neue Saison vor.

SPIEGEL ONLINE: Sie kommen aus Villingen-Schwenningen. Ein Ort, der in Deutschland vor allem mit Eishockey in Verbindung gebracht wird. Welche Chance hatten Sie da eigentlich, keine Eishockeyspieler zu werden?

Yannic Seidenberg: Unser Vater war Physiotherapeut bei der Profimannschaft in Schwenningen. Es wurde zur Gewohnheit, mit ins Stadion zu gehen, und irgendwann standen wir dann selbst auf dem Eis.

Dennis Seidenberg: Wir haben damals aber auch Tennis in Villingen gespielt - ich etwas ambitionierter als Yannic. Unsere Mutter musste immer Taxi spielen und dafür sorgen, dass wir nach der Tenniseinheit pünktlich zum Eishockeytraining kamen.

SPIEGEL ONLINE: Wie waren die Anfänge auf dem Eis?

Yannic Seidenberg: Ich hatte schon als Kind den Wunsch, Eishockeyspieler zu werden. Aber da ich zweieinhalb Jahre jünger bin, haben wir nie zusammen in einer Mannschaft gespielt.

Dennis Seidenberg: Yannic war immer besser als ich, talentierter und immer der Größte. Als er 14 oder 15 Jahre alt war, hat er aufgehört zu wachsen. Aber er war immer höher angesehen als ich. Allerdings gab es damals in Schwenningen noch ein anderes Brüderpaar - Sascha und Marcel Goc. Die waren mehr im Rampenlicht und galten als Jahrhunderttalente.

SPIEGEL ONLINE: Was für Spielertypen waren Sie?

Dennis Seidenberg

Dennis Seidenberg

Foto: Marius Becker/ dpa

Yannic Seidenberg: Ich war Stürmer und habe immer viele Tore vorbereitet und geschossen.

Dennis Seidenberg: Ich habe zwar auch Stürmer gespielt, war aber mehr der Arbeiter. In der Baden-Württemberg-Auswahl war ich Verteidiger - und wurde dann letztlich auch im Verein zum Verteidiger umgeschult.

SPIEGEL ONLINE: Yannic, was hat Ihnen gefehlt, um es in die NHL zu schaffen?

Yannic Seidenberg: Ich hatte 2003/2004 eine gute Saison in der kanadischen Juniorenliga. Aber viele NHL-Teams haben damals gemeint, ich sei zu klein. Deshalb zog es mich nach Ingolstadt. Anschließend wollte ich in die USA und mich über die American Hockey League für die NHL empfehlen. Aber bei der WM 2008 habe ich mir mein Kreuzband gerissen und hatte in den Jahren darauf fünf oder sechs Knie-Operationen. Da war mein Ziel nur noch, fit genug zu sein, um in Deutschland spielen zu können.

SPIEGEL ONLINE: Dennis, warum haben Sie sich in der NHL durchgesetzt?

Dennis Seidenberg: Weil ich bekloppt im Kopf bin. Meine ersten Jahre in Philadelphia waren ein Auf und Ab. Aber da muss man hartnäckig sein. Ich würde sagen, dass ich ein harter Arbeiter bin. Das Wichtigste - neben der Gesundheit - sind Einstellung und Ehrgeiz.

Dennis und Yannic Seidenberg

Dennis und Yannic Seidenberg

Foto: Archiv Familie Seidenberg

SPIEGEL ONLINE: Dennis, Sie haben die Winterspiele von den USA aus verfolgt - wie war das?

Dennis Seidenberg: Als Zuschauer ist man viel nervöser. Ich habe mich riesig gefreut, als Deutschland Silber gewonnen hat. Das war eine schöne Sache. Ich wurde auch viel von Mitspielern und Medien darauf angesprochen.

SPIEGEL ONLINE: Yannic, Sie haben die Silbermedaille und sind vor einer Woche Deutscher Meister geworden. Wie wichtig ist Ihnen die nun beginnende WM in Dänemark?

Yannic Seidenberg: Schon wichtig, deshalb bin ich ja auch dabei. Für mich gab es keinen Grund, nicht zur WM mitzufahren. Und wer weiß, ob es nicht die letzte WM ist, die ich mit Dennis zusammen spielen kann.

SPIEGEL ONLINE: Dennis, ist die WM für Sie nach einer enttäuschenden NHL-Saison ein Schaulaufen, um sich für einen neuen Vertrag in Nordamerika zu empfehlen?

Dennis Seidenberg: Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Jeder weiß, was ich kann. Wenn es noch mal mit einem NHL-Vertrag klappen sollte, wäre das schön. Und wenn nicht, muss ich mir etwas überlegen.

Dennis und Yannic Seidenberg

Dennis und Yannic Seidenberg

Foto: Archiv Familie Seidenberg

SPIEGEL ONLINE: Yannic, Sie wurden im Sommer von Stürmer auf Verteidiger umgeschult - und sind gleich "Verteidiger des Jahres" in der DEL geworden? Sagt das mehr über Sie aus oder über die Liga?

Yannic Seidenberg: Über mich, wie brutal ich bin. Im Ernst: Wir spielen in München ein offensives System, und wenn es die Chance nach vorne gibt, probiere ich immer, mich einzuschalten. Unser gutes Überzahlspiel ermöglicht es uns Verteidigern, viele Scorerpunkte zu machen. Und meistens gewinnt derjenige die Verteidigerwahl, der die meisten Punkte hat.

SPIEGEL ONLINE: Dennis wurde im Vorjahr zum "besten Verteidiger der WM" gewählt. Wer ist der bessere Verteidiger?

Yannic Seidenberg: Wir sind unterschiedliche Spielertypen. Er ist hinten vor dem Tor besser, kann härtere Checks fahren. Und ich mach mit der Scheibe ein bisschen mehr. Beides in Kombination ist dann noch besser.

SPIEGEL ONLINE: Besteht die Chance, dass Sie eine Verteidigungsreihe bilden?

Dennis Seidenberg: Das wäre schon schön.

Yannic Seidenberg: Dann kann er hinten absichern, und ich gehe mit nach vorne.

Im Video: Eisbären Backstage

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