Etappensieger Haussler "Ich wollte nicht schon wieder Zweiter werden"
Hamburg - Als Heinrich Haussler am Ziel seiner Träume angelangt war, weinte er. Bei der Ankunft im verregneten Colmar schossen ihm die Tränen in die Augen. "Meine Emotionen spielten verrückt. Ich habe an das viele Pech gedacht, dass ich in dieser Saison hatte. Ich wollte nicht schon wieder Zweiter werden", sagte der 25-Jährige nach seinem Sieg auf der 13. Etappe der 96. Tour de France.
Haussler erinnerte an die vielen Enttäuschungen im Frühjahr, als er nur um einige Millimeter den Sieg beim Klassiker Mailand-San Remo verpasste und auch bei der Flandern-Rundfahrt den undankbaren zweiten Platz belegte. Besonders bitter war sein Auftritt im März in San Remo, wo sich der Helfer von Cervélo-Kapitän und Tour-Titelverteidiger Carlos Sastre nur um wenige Millimeter Top-Sprinter Mark Cavendish hatte geschlagen geben müssen.
Ein weiteres Déjà-vu blieb dem Deutsch-Australier diesmal erspart. Um 17.23 Uhr wurde Haussler für seine 197 Kilometer lange Flucht belohnt - und das fast vor seiner Haustür. "Als die Strecke für die Tour veröffentlicht wurde, fiel mir diese Etappe sofort ins Auge. Ich lebe 30 Kilometer von hier und das ist quasi mein Trainingsgelände. Ich habe mir die Etappe rausgesucht", sagte Haussler.
Dieser Sieg ist der größte Erfolg seiner Karriere. "Ich kann es nicht glauben, dass ich gewonnen habe. Das ist ein großer Tag für mich", sagte der Cervélo-Profi, der zugleich für den ersten deutschen Sieg bei der diesjährigen Tour sorgte.
48 Kilometer vor dem Ziel hatte Haussler auf der gefährlichen Abfahrt vom 1193 Meter hohen Col du Platzerwasel, einem Berg der ersten Kategorie, für die Vorentscheidung gesorgt. Er setzte sich von seinem Mitausreißer Sylvain Chavanel aus Frankreich ab. "Ich hatte schon zweimal nach einer Abfahrt auf Chavanel gewartet. Das Feld kam von hinten und mein Sportdirektor meinte, ich könne nicht mehr warten, sonst werden wir eingeholt. Also bin ich einfach alleine weiter", sagte Haussler. Zudem habe er sich nicht auf einen Sprint mit dem starken Chavanel einlassen wollen, begründete Haussler seine aggressive Fahrweise bergab.
Haussler, der 4:11 Minuten vor dem Spanier Amets Txurruka ins Ziel kam, ging als 21. deutscher Etappensieger in die Geschichte der Tour de France ein. Für den bislang letzten deutschen Erfolg hatte im Vorjahr Dopingsünder Stefan Schumacher mit seinem Sieg im Einzelzeitfahren gesorgt.
Einer der ersten Gratulanten Hausslers war Tony Martin, der zum zehnten Mal in Folge das Weiße Trikot des besten Nachwuchsprofis verteidigte: "Ich freue mich für meinen Freund Heinrich, dass er den Sieg nach Deutschland geholt hat. Das ist was ganz Besonderes."
Mit dem Etappensieg bei seiner dritten Tour-Teilnahme dokumentierte Haussler seine gute Entwicklung in den vergangenen Monaten. Für den 25-Jährigen, der vor der Saison noch vergeblich auf einen Vertrag bei einem ProTour-Team gehofft hatte, war es bereits der fünfte Saisonsieg und die 15. Podestplazierung.
Die gesamte Etappe über machte heftiger Regen den Fahrern zu schaffen - aber nicht allen. Haussler kam das nasskalte Wetter sogar gelegen: "Das ist mein Wetter. Ich liebe es. Es klingt komisch, weil ich ja in Australien aufgewachsen bin. Aber ich hasse die Hitze. Wenn heute 30 Grad gewesen wären, hätte ich nicht gewonnen. Aber ich habe den Wetterbericht heute morgen gesehen und wusste, dass ich eine Chance hatte."
In den siebziger Jahren war Hausslers Vater aus dem Saarland nach Australien ausgewandert. Die Mutter des Etappensiegers ist Australierin. Geboren wurde Haussler in der Kleinstadt Inverell im australischen Bundesstaat New South Wales. Als 13-Jähriger ging das Radsporttalent dann den umgekehrten Weg seines Vaters und ließ sich in Deutschland nieder.
Seine Profi-Karriere begann Haussler 2004 beim Team T-Mobile, bevor er im darauffolgenden Jahr zu Gerolsteiner wechselte. Seit dieser Saison fährt der sprintstarke Fahrer für das Schweizer Cervélo-Team. Bei der Weltmeisterschaft im September in Mendrisio in der Schweiz möchte er aber für sein Geburtsland Australien antreten. "Ich fühle mich mehr als Australier. Dorthin werde ich nach meiner Karriere zurückkehren. Im vergangenen Jahr fuhr ich für Gerolsteiner und die wollten als deutsches Team vor allem deutsche Fahrer. Das ist bei Cervélo nicht wichtig", sagte Haussler. Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, hofft aber noch, ihn umstimmen und für die deutsche Equipe gewinnen zu können.