Flush Hour Gottes Werk und Pokerteufels Beitrag

Kirchen: Gibt es so etwas wie einen Pokergott?
Foto: A9999 Wolfgang Zabel/ dpaIch glaube an die Kraft der Wissenschaft, an Pot Odds, an mich und daran, dass nur noch Franz Beckenbauer die SPD retten kann. Oder Peter Zwegat. Ich glaube, dass man Asse nur falsch spielen kann und dass George Danzer bald ganz oben sein wird. Definiert man Glauben nur religiös, weiß ich allerdings, dass ich nicht glaube.
Oder zumindest glaubte ich das bisher.
Seit dieser Woche spiele ich in einer neuen Privatrunde. Mitten in Hamburg, mitten in einem Szeneviertel, das so maximal szenig ist, dass man fast eine Szenenscheiden-Entzündung davon bekommt. Galao-Strich neben Roter Flora, das ist wie Joe Ackermann im Bett mit Alice Schwarzer, und überall sitzen und laufen voll szenige Menschen rum. Manchmal scheint sogar die Sonne.
Wir trafen uns abends in dieser "Schanze", wie sie ja hoffentlich nicht ohne Grund heißt. Immerhin würde es dann stetig und rasant bergab gehen mit ihr. Aber was ätze ich, die Runde war klein, fein und so nett, wie es die Schanze gern wäre. Zwei Marketing-Fuzzies, ein Immobilien-Hai, ein Pokerkolumnist und, nun ja: ein Pfarrer.
Nach dem ersten Schock dachte ich: Ok, ist mal was anderes, gegen Gott zu pokern. Vier gegen einen, vier Heiden gegen einen Pfarrer, ich hatte trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit ein ungutes Gefühl. Und warum sagte es mir, dass diese Konstellation alles andere als unfair war? Und wenn, dann für uns?
Auf meine Frage, was er denn so beruflich mache, hatte er zunächst nicht sehr laut gesagt: "Ich bin Pfarrer". Der eine Marketing-Fuzzi wiederholte: "Fahrer?" Dass es so was noch gebe, Fahrer, für wen er denn fahre? "Pfarrer, ich bin Pfarrer", sagte der Pfaffe, ein Mann in den Dreißigern mit T-Shirt und trainierten Armen. Ein Kraftpfarrer. Unser Erstaunen wischte er mit einem Lächeln weg. Ich dachte kurz darüber nach, wie man Gott wohl milde stimmen könnte. Immer folden?
Aber da ging es auch schon los.
Der Immobilienhai raiste aus erster Position um sechs BigBlinds, der Marketingfuzzi dahinter callte, der Pfaffe mit Beistand von oben natürlich auch. Ich trennte mich sofort von meiner Hand und nahm mir vor, es erstmal weiter so zu halten, wann immer der Gottesmann sich an einer Hand beteiligte. Mein Kumpel Sebastian foldete ebenfalls.
Auf dem Flop leuchtete ein Regenbogen aus 8, 5 und 2. Der Immo-Hai spielte knackig an, wieder callten die beiden anderen. Der Turn brachte ein Ass, worauf der Hai checkte. "Na, Könige?", fragte ich ihn. Fuzzi setzte unbeirrt weiter, ebenso der Pfaffe. Der Hai schmiss seine Karten nach langem Zögern weg. River: 4. Check-Check, worauf der Fuzzi eine 8 zeigte und auch der Pfarrer - mit dem besseren Kicker (einer 7!). Der Hai stöhnte: "Könige".
Ich konnte seine Verzweiflung verstehen und spielte weiter nur noch Hände, wenn der Pfarrer ausstieg. Das hatte den Vorteil, dass ich nie gegen Gott verlor, aber jede Menge Blinds. Irgendwann war ich so weit runter, dass ich mit A-J in Herz All-in ging und hoffte (oder betete?), dass der Pfarrer nicht mitging. Dafür callte Sebastian und zeigte A-J in Karo. Ich gewann mit einem Herzflush und verdoppelte. Mein Kumpel war daraufhin ein psychologisches Wrack und wäre wohl spätestens in diesem Moment vom Glauben abgefallen.
Für mich ging nach diesem Schlüsselblatt das Sinnieren los, die innere Einkehr. Gab es so etwas wie einen Pokergott, der sich auf meine Seite geschlagen hatte? Hatte ich gerade einen Vertrag mit dem Pokerteufel gemacht? Oder war das alles nur eines der jüngsten Gerüchte? Kurze Zeit später sollte ich es herausfinden.
Blinds 400-800, der Hai machte seinen üblichen Fold, der Marketing-Mann mit der Löwenmähne callte, Pfarrer füllte den Small Blind auf. Ich hielt A10 offsuit. "Ich bin All-in", sagte ich mit einer Stimme, die Stärke und Selbstvertrauen ausstrahlen sollte. Der Löwe warf weg, der Pfarrer lächelte und callte mit einem fast identischen Stack. Er deckte 10-10 auf. "Hab ein Out von dir", sagte ich hohl und stellte mir vor, wie Gott sich gerade auf die Schenkel klopfte.
Flop: 8-4-Bube.
Turn: 7.
Nur ein Ass würde mich noch retten. Ein einziges Ass. Drei Outs gegen Gott, der Pfarrer saß da wie ein Stoiker und bewegte sich nicht.
River: Ass.
"Ja", rief ich. "Nein", stöhnte der Pfarrer. Ich ballte meine Faust und klaubte den Chipstapel zusammen. Alle anderen schauten baff. Der Hai spielte sogar wieder Hände. Löwe schaffte es bis ins Heads up gegen mich - und verlor in der finalen Hand gegen vier Asse.