Freestyle-Motocross "Es schwappt immer etwas Benzin aus dem Vergaser"

Die Elite des Freestyle Motocross trifft sich heute in Hamburg zur "Night of the jumps". Der Berliner Sebastian Wolter ist einer der Stars dieser Extremsportart. Mit SPIEGEL ONLINE spricht der 29-Jährige über spektakuläre Sprünge, das Unfallrisiko und Wetten dass.

SPIEGEL ONLINE: Herr Wolter, Sie verdienen ihr Geld mit Freestyle-Motocross. Klingt nach spannender und zugleich gefährlicher Arbeit.

Wolter: Vor allem ist der Job spektakulär. Beim FMX geht es darum, mit dem Motorrad zu springen und in der Luft Tricks zu zeigen.

SPIEGEL ONLINE: Wer entscheidet denn bei einer Show wie jetzt in Hamburg, ob Sie Ihren Job gut machen?

Wolter: Man hat ein bis zwei Minuten Zeit, um zu zeigen, was man drauf hat – dann urteilen die Schiedsrichter.

SPIEGEL ONLINE: Und was haben Sie als Deutscher Meister so drauf?

Wolter: Beim Whip - das heißt so viel wie Peitsche - fliegt man seitlich durch die Luft, landet aber wieder auf zwei Rädern. Das ist der älteste Trick. Beim Seatgrab, dem Sitzgreifer, fasst man nicht am Lenker an, sondern am Ende der Sitzbank und fliegt seinem Motorrad wie Supermann hinterher. Der Backflip ist ein Rückwärtssalto mit dem Motorrad. Ich war der erste Deutsche, der diesen Sprung drauf hatte. Beim Tsunami macht man einen Handstand auf dem Lenker, und beim Lazy Boy liegt man auf der Maschine.

SPIEGEL ONLINE: Andere Sprünge haben so phantasievolle Namen wie Kiss of Death oder Heart-Attack. Sind Freestyler lebensmüde?.

Wolter: Wir fliegen 25 Meter weit und sind dabei 10 Meter hoch in der Luft - natürlich ist das Gefahrenpotenzial da recht hoch. Trotzdem passiert sehr wenig. In elf Jahren FMX habe ich mir nur einen Knochenbruch zugezogen. Über Prellungen und Schürfwunden redet man allerdings besser nicht.

SPIEGEL ONLINE: Ein Sturz aus zehn Meter Höhe ist nicht ohne.

Wolter: Ich wüsste nicht, dass jemand beim Freestyle-Motocross schon mal tödlich verunglückt ist. Ich habe allerdings mitbekommen, dass ein Fahrer seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist. Außerdem hatte der deutsche Fahrer Chris Töws nach einem Unfall Gehirnblutungen und sitzt heute die meiste Zeit im Rollstuhl.

SPIEGEL ONLINE: Wie ist das passiert?

Wolter: Es kamen viele blöde Sachen zusammen. Chris war nicht fit. Er ist zu schnell auf die Rampe zugefahren. Beim Sprung hat er sich dann verschätzt, die Rampe überflogen und ist schwer gestürzt. Dazu kam, dass kein Sanitäter vor Ort war. Das ist jetzt acht Jahre her. Seitdem hat sich viel geändert. Die Sicherheit der Fahrer steht jetzt wesentlich stärker im Vordergrund.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben schon als Kind mit dem Motocross begonnen. Wie haben Sie Ihre Eltern bloß von diesem Knochenbrechersport überzeugt?

Wolter: Das war kein Problem. Mein Vater ist früher selber Motocross gefahren. Dadurch hatte ich mit zehn mein erstes Motorrad - auch wenn ich es eigentlich schon viel früher gewollt hatte. Ich bin dann recht erfolgreich Rennen gefahren. Als ich 18 war, kamen erste Videos von US-Freestylern auf den Markt. Die haben mich umgehauen. Ich habe sofort versucht, diese Tricks nachzumachen. Mit Erfolg. Seit 2001 fahre ich FMX als Vollprofi.

SPIEGEL ONLINE: Verstehen Sie sich als Sportler oder Artist?

Wolter: Als beides. FMX ist eine Mischung aus Sport und Entertainment. Ähnlich wie Wrestling. Wenn man bei den Wettkämpfen mithalten will, muss man dafür jeden Tag hart trainieren. Das ist der Sport. Die Veranstaltungen sind aber vor allem für die Zuschauer gemacht. Das soll nicht so eine sterile Leistungsschau sein wie Eiskunstlaufen, mit Pflicht und Kür und so.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Show-Potential haben Sie am vergangenen Samstag auch bei "Wetten, dass...?" bewiesen.

Wolter: So was macht mir immer Spaß. Ich bin mit dem Motorrad gesprungen und innerhalb von zwei Minuten nacheinander auf fünf Äpfeln gelandet. War nicht einfach, denn ich konnte erst nach dem Absprung sehen, wo ich landen musste.

SPIEGEL ONLINE: Wie lernt man so etwas?

Wolter: Man tastet sich ran. Beim Backflip etwa springt man erst mal mit einem BMX-Fahrrad, dann mit einem Kinder-Motocross-Motorrad, das kleiner und leichter ist - und steigert schließlich die Größe der Motorräder, bis man bei den großen Maschinen ist. Ich unterhalte zusammen mit ein paar Kollegen bei Berlin ein eigenes Trainingsgelände mit Absprungrampen und einer Foam-Pit.

SPIEGEL ONLINE: Was ist das?

Wolter: Eine Grube von 10 mal 15 Metern, die mit sieben Tonnen Schaumstoff-Quadern gefüllt ist. Da springen wir mit dem Motorrad hinein. Hinterher wird die Maschine mit einem Kran wieder herausgezogen.

SPIEGEL ONLINE: Und das ist dann ungefährlich?

Wolter: Na ja, es ist natürlich angenehmer, in der Foam-Pit zu landen als auf dem Erdboden. Wenn man einen neuen Sprung übt, klappt die Landung ja noch nicht auf Anhieb. Man kann dabei aber auch auf dem Motorrad landen – das tut weh. Oder das Motorrad kann auf einem landen – das tut erst recht weh. Außerdem gibt es eine gewisse Feuergefahr, weil immer ein bisschen Benzin aus dem Vergaser schwappt...

SPIEGEL ONLINE: Sie sind 29 Jahre alt. Wie lange können Sie noch große Sprünge machen?

Wolter: Freestyle-Motocross gibt es erst seit einem guten Jahrzehnt. Insofern fehlen wirkliche Erfahrungswerte. Ich zähle schon zu den älteren Fahrern. Fünf gute Jahre habe ich aber auf jeden Fall noch.

Das Interview führte Frank Aures

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