
Anni Friesinger: Trotz Verletzung: Olympia im Blick
Friesinger in Nöten Kurvenläuferin vergeht das Lachen
Eiserne Grundregel im Sportjournalismus: Kein Text über Anni Friesinger ohne das Wort "Frohnatur". Ihr Management hat der 32-jährigen Eisschnellläuferin das Etikett der fröhlichen Ur-Bayerin aufgeklebt, das lässt sich in diesem Leben nicht mehr abziehen. Obwohl die aktuelle Situation gar nicht zum Li-La-Laune-Image passen mag. Wenn der Deutsche Olympische Sportbund am Donnerstag die Nominierungen für die Winterspiele in Vancouver bekannt gibt, hat Friesinger zwar ihr Ticket sicher, aber Olympia-Gold als Ziel ist im Moment Illusion. Die 16fache Weltmeisterin ist seit Monaten von Verletzungen und Krankheiten geplagt. Nach der wegen Dopings gesperrten Claudia Pechstein fällt nach Stand der Dinge auch die bekannteste Figur des deutschen Eisschnelllaufs als Gold-Bank aus.
Bänderriss, heftige Knieprobleme, dann noch die Schweinegrippe obendrauf - "statistisch gesehen müssten wir jetzt alles durchhaben", sagt ihr Manager Klaus Kärcher SPIEGEL ONLINE. Beim Weltcup in Salt Lake City am Wochenende schmerzte das Knie so sehr, dass Friesinger auf ihrer Spezialstrecke, den 1000 Metern, nur als Elfteeinlief. Sämtliche Starts bis Olympia sind jetzt eingefroren, Friesinger gönnt dem Knie Ruhe und versucht dann in Vancouver den Kaltstart.
Ein Olympia-Verzicht war allerdings bisher noch nie ein Thema, auch wenn Kärcher das im Notfall der Athletin sogar raten würde: "Anni muss sich nicht mehr beweisen. Und weiter: "Ihr Körper ist schließlich ihr Kapital." Was Kärcher in mehrfacher Hinsicht meinen dürfte. Der Manager, der die Athletin seit fast zehn Jahren betreut, hatte das Bild Friesingers in der Öffentlichkeit als Kurven- und Kufenstar offensiv befeuert.
Vorbereitung "noch nie so unruhig"
Derzeit konzentriert er sich allerdings auf die sportlichen Qualitäten seines Schützlings und setzt für Vancouver auf den "reichen Erfahrungsschatz" einer fast 13-jährigen Top-Karriere: "Jüngere Läuferinnen hätten sicher Probleme, mit dieser Situation umzugehen, aber nicht die Anni, die schon alle Höhen und Tiefen erlebt hat." Angesichts der Verletzungs- und Krankheitsserie der vergangenen Monate wäre Kärcher allerdings "auch mit einem vierten Platz bei Olympia zufrieden, wenn sie nur ihre Leistung abruft".
Für die Inzellerin wäre es auf jeden Fall der letzte Auftritt bei Olympischen Spielen. Je einmal Gold holte sie in Salt Lake City und vier Jahre später in Turin. Beide Spiele verliefen für sie letztlich trotzdem enttäuschend, da sie in beiden Jahren im Weltcup in Topform war und fest mit reicherer Ausbeute gerechnet hatte. Gerade deswegen will sie Vancouver noch einmal angreifen. Umso genervter reagiert sie auf die dauernden Rückschläge.
Zu allem Überfluss wurde die gesamte Vorbereitung fürs Großereignis auch noch durch den Fall Pechstein überlagert. "Wir hatten noch nie eine so unruhige Vorbereitung wie in diesem Jahr", sagt Kärcher. Er selbst war einer der Strippenzieher, als vor den Spielen in Salt Lake City 2002 der "Zickenkrieg" Pechstein contra Friesinger inszeniert wurde und auf den bunten Seiten der Zeitungen landete.
Mittlerweile hat sich Friesinger eisernes Schweigen zur Konkurrentin auferlegt und jeden Kommentar zu der Doping-Affäre Pechstein vermieden. Ganz so schweigsam ist ihr Manager nicht: "Es wird schon irgendetwas dran sein, wenn so eine Athletin gesperrt wird", sagt er SPIEGEL ONLINE. Was für ihn aber nur den Aufhänger fürs Grundsätzliche darstellt: "Es ist schon traurig, dass Themen abseits des Sports mittlerweile wichtiger sind als der Sport selbst." Inzwischen "wird auch mir schwindelig, wie boulevardesk der ganze Sport geworden ist. Die moralischen Werte werden verraten."
Fotoshootings für Herrenmagazine eingetütet
Damals hat der Schwabe, der auch Turner Fabian Hambüchen und Tischtennisspieler Timo Boll unter seinen Fittichen hat, selbst am ganz großen Rad der PR-Maschine gedreht, hat Friesingers freizügige Fotoshootings für diverse Herrenmagazine eingetütet und Sätze gesagt wie: "Die Gewichtung in unserer heutigen Gesellschaft liegt mehr und mehr auf Schönheit und Erotik. Das muss man nutzen." Was das Team Kärcher-Friesinger dann auch ausgiebig tat. Wer den Namen Anni Friesinger googelt, erhält als erstes die Stichworte "Maxim", "Fotos", "Hochzeit", "Po".
Die Sportlerin selbst hat zuletzt mehrfach versucht, dieses öffentliche Bild von sich zu korrigieren. "So extrovertiert, wie es scheint, bin ich definitiv nicht", hat sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" 2008 erzählt. Ihre Hochzeit in diesem Sommer auf Schloss Mirabell in Salzburg mit dem niederländischen Eisschnelllauf-Helden Ids Postma, die Jahre zuvor wohl noch als Seifenoper über die Bühne gegangen wäre, fand stattdessen in kleinstem Kreise statt. Was den Boulevard nicht daran hinderte, zu dichten: "Rote Rosen für die fröhliche Kufen-Queen." Das Image wird sie nicht mehr los.