Giro d'Italia Die wahrscheinlich beste Rundfahrt des Jahres

Im Wettbewerb der großen Rundfahrten liegt der Giro hinter der Tour de France nur auf Platz zwei. Doch in diesem Jahr dürfte die Italien-Rundfahrt viel interessanter werden als die Tour.
Von Eike Hagen Hoppmann
Giro-Favorit Tom Dumoulin (bei der Tour de France 2018)

Giro-Favorit Tom Dumoulin (bei der Tour de France 2018)

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Als Tour-de-France-Renndirektor Christian Prudhomme im Oktober in Paris die Strecke der 106. Frankreich-Rundfahrt vorstellte, war Tom Dumoulin gerade irgendwo in den Bergen Nepals. Dort verbrachte er mit seiner Frau die Flitterwochen. "Wir waren in einer Hütte auf 3000 Meter Höhe und als wir endlich etwas Wi-Fi hatten, um die Strecke sehen zu können, war ich erst mal enttäuscht." So erzählte es Dumoulin bei der Teampräsentation seiner Mannschaft Sunweb im Januar.

Dumoulin stand vor einem Dilemma. "Wir waren uns eigentlich schon sicher, dass wir 2019 alles auf die Tour setzen", sagte der Niederländer. "Aber nach der Präsentation der Strecke habe ich plötzlich angefangen zu überlegen, ob das wirklich so eine gute Idee ist." Das Ergebnis dieser Überlegungen ist ein Planwechsel. Dumoulin konzentriert sich nun auf den 102. Giro d'Italia, der am Samstag mit einem 8,2 Kilometer langen Einzelzeitfahren in Bologna beginnt.

Hochklassiges Favoritenfeld

Dumoulin, in der vergangenen Saison Zweiter bei Giro und Tour, ist nicht der einzige Topfahrer, der in diesem Jahr beim Giro an den Start geht. Das Teilnehmerfeld ist herausragend besetzt. Weitere prominente Namen sind Primoz Roglic (Jumbo-Visma), Vuelta-Sieger Simon Yates (Mitchelton-Scott), Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) oder Miguel Angel Lopez (Astana). Hinzu kommen noch einige weitere Fahrer mit Ambitionen auf einen Platz unter den besten fünf oder besser. Der Giro könnte damit die beste Rundfahrt des Jahres werden.

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Radsport: Das sind die Giro-Favoriten

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Die Tour de France werden Dumoulin, Nibali und Roglic im Juli wahrscheinlich trotzdem noch fahren. Dort werden sie dann aber wohl nicht mehr am Leistungshöhepunkt sein. "Mein Fokus liegt auf dem Giro", sagt Dumoulin. "Meine Chancen, dort zu gewinnen, sind einfach deutlich größer als bei der Tour."

Entscheidend für Dumoulins Giro-Wahl ist der Unterschied an Zeitfahrkilometern. Drei Einzelzeitfahren mit insgesamt 58 Kilometern sind beim Giro zu absolvieren. Lediglich 27 sind es bei der Tour. In Frankreich machen sich die Kilometer im Einzelzeitfahrern schon seit Jahren rar. Die Vermutung liegt nahe, dass die Tourorganisatoren die Chancen auf einen französischen Heimsieg maximieren wollen. Deren größte Hoffnung, Romain Bardet, ist ein schlechter Zeitfahrer.

In Frankreich gibt es zwar noch ein Mannschaftszeitfahren von ebenfalls 27 Kilometer Länge, davon profitieren aber die insgesamt starken Mannschaften und nicht die individuell guten Zeitfahrer. Für Zeitfahrspezialisten wie Dumoulin oder Roglic ist der Giro-Kurs daher deutlich besser - und dementsprechend haben sie ihr Rennprogramm angepasst.

Aber der Giro bietet mit sieben Bergankünften auch gute Gelegenheiten für Kletterer wie Yates oder Lopez. Die wittern ebenfallls ihre Chance. Der Kampf um das Maglia Rosa scheint deshalb offen, ein klarer Favorit ist noch nicht auszumachen. Mit zwei Bergankünften und einem Einzelzeitfahren auf den letzten drei Etappen dürfte die Entscheidung erst ganz am Ende fallen.

Bei der Tour droht erneut die Dominanz eines Teams

Es ist noch früh, vielleicht zu früh für eine Prognose, aber bei der Tour im Juli könnte das Gegenteil passieren. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass am Ende mit Chris Froome und Titelverteidiger Geraint Thomas zwei Teamkollegen aus dem Team Ineos (ehemals Sky) den Sieg unter sich ausmachen. Anders als im vergangenen Jahr, als er auch den Giro gefahren ist und gewonnen hat, konzentriert sich Froome auf die Tour und dürfte dort frischer an den Start gehen.

Dumoulin, Nibali und Roglic werden dagegen die Giro-Kilometer bereits in den Beinen haben. Sie waren im vergangenen Jahr die Einzigen, die Sky bei der Tour etwas entgegenzusetzen hatten. Andere potenzielle Ineos-Herausforder für 2019 wie Bardet, Nairo Quintana oder Richie Porte haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie Froome und Thomas nicht ernsthaft gefährden können.

Die weitere schlechte Nachricht für die Konkurrenz: Egan Bernal, der von Ineos vorgesehene Kapitän für den Giro, musste wegen eines im Training zugezogenen Schlüsselbeinbruchs verletzt absagen und wird deshalb nun voraussichtlich auch noch ins Tour-Aufgebot rutschen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass am Ende drei Ineos-Fahrer unter den besten fünf landen. Die spannendste Frage bei der Tour dürfte also sein, wer das teaminterne Rennen gewinnen wird.

Beim Giro ist die Ausgangslage spannender.

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