Handball in Leverkusen Gerettete Elfen

Leverkusener Nationalspielerin Loerper (r.): Begehrte Spielerin
Foto: A2800 epa Georgi Licovski/ dpaDer Einsatz hat sich gelohnt. Erst nach hartem Kampf von Renate Wolf, Trainerin und Managerin der Leverkusener "Handball-Elfen", und einer Intervention des sportlich schärfsten Konkurrenten HC Leipzig floss der dringend benötigte Zuschuss des Bayer-Konzerns, deklariert als Hilfe zur Selbsthilfe. Die letzte, 150.000 Euro große Lücke ist geschlossen.
Der Konzern hatte seine Geldmittel für den Spitzensport erneut drastisch kürzen wollen. Der Gesamtverein TSV Bayer 04 kappte daher den 600.000-Euro-Etat der Handballerinnen, so dass nur noch 215.000 Euro zur Verfügung gestanden hätten und der Spielbetrieb der Saison 2010/2011 akut gefährdet gewesen wäre.
Es sei "echt traurig", wenn es an einer Summe von 150.000 Euro scheitere, sagte Leipzigs Manager Kay-Sven Hähner wenige Tage vor der erlösenden Bayer-Spritze. "Die Fußball-Fokussierung in Leverkusen ist tragisch." Hähner hatte aus "Verantwortungsbewusstsein für das Ganze" sowohl der Konzernspitze als auch dem Leverkusener Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn geschrieben. Dies blieb nicht ohne Resonanz.
"Sich derart für einen sportlichen Konkurrenten einzusetzen, anstatt dankbar die Vorteile anzunehmen, zeugt gleichermaßen von sportlichem Geist wie auch von großer Fairness", ließ Michael Schade, Kommunikationschef der Bayer AG, wissen. Der Pharmazie- und Chemiegigant hat seine Sportförderung in den vergangenen Jahren auf die Bundesliga-Fußballer konzentriert. Der neuen Ausrichtung fielen am Standort Leverkusen Bundesligisten im Basket- und Volleyball zum Opfer, allerdings gab die Bayer AG bereits im November Geld, um den in Schieflage geratenen Männer-Bundesligisten TSV Dormagen zu stabilisieren.
Erleichtert registriert Berndt Dugall die sich nun auch in Leverkusen entspannende Lage. Ein Rückzug der "Elfen" wäre "ein großer Verlust" gewesen, sagt der Chef des Ligaverbandes HBVF. Denn mit dem Umzug von der maroden Ulrich-Haberland-Halle in die 3500 Zuschauer fassende Smidt-Arena habe sich vieles zum Besseren gewendet.
Bald zwei deutsche Clubs in der Champions League
Die Front im Kampf ums wirtschaftliche Überleben formiert sich nicht nur in einem Business-Club, sondern auch in einem Förderverein. Der Exitus der auch in der Vergangenheit immer wieder um den Fortbestand kämpfenden Handball-Abteilung wäre gerade jetzt "nicht mehr nachvollziehbar" gewesen, sagt Dugall. Die Spiele von Torfrau Clara Woltering und ihrem Team entwickeln sich zu Ereignissen, das Finale der Deutschen Meisterschaft gegen den HC Leipzig war im vergangenen Juni mit ausverkauftem Haus der bisherige Höhepunkt.
Die Leverkusener Malaise fügt sich auch mit Blick auf die jüngste Geschichte nicht ins Gesamtbild ein. Dugall spricht von einem "singulären Ausreißer" in der öffentlichen Wahrnehmung, nachdem es in der vergangenen Saison ohne die nicht mehr lizenztauglichen 1. FC Nürnberg und Rhein-Main Bienen keine sportlichen Absteiger mehr gab. Aktuell weckt die Liga mehr und mehr das Interesse der Zuschauer - der durchschnittliche Besuch ist fast vierstellig, und der Publikumszuspruch des HC Leipzig (im Schnitt 2088 Besucher) gereichte sogar einem Männer-Bundesligisten zur Ehre.
All das geht einher mit sportlichem Erfolg. Dugall: "International erleben wir die beste Saison seit Jahren." Leverkusen (EHF-Cup) und Oldenburg (Pokalsieger) besitzen ebenso Halbfinal-Chancen in den europäischen Wettbewerben wie Buxtehude und Göppingen (beide Challenge Cup). Und der HC Leipzig konnte in der Hauptrunde der Champions League überzeugen. In der Summe ist all das so gut, dass die Bundesliga bald zwei Vertreter in der europäischen Königsklasse stellen darf und den eher zweitklassigen Nationen vorbehaltenen Challenge Cup nicht mehr besetzen muss.
Für Leverkusen ist all das Zukunftsmusik. Auch die Leipziger Solidaritätsadresse ist befristet: Im Viertelfinale des DHB-Pokals gelten am 24. März wieder die üblichen Regeln, wenn der Meister Leverkusen empfängt. Und der Wechsel von Bayer-Kreisläuferin Anne Müller nach Sachsen ist perfekt, die 26-Jährige soll die Nachfolge der Schwedin Sara Holmgren antreten.
In Leverkusen muss Wolf die jüngste Entwicklung mit Sorge betrachten, denn der Verlust könnte eine Kettenreaktion auslösen: Die Nationalspielerinnen Sara Walzik und Katrin Engel werden den Club verlassen und dürften zu ihrem alten Trainer Herbert Müller (jetzt Thüringer HC) gehen. Anna Loerper überlegt noch, immerhin hat Clara Woltering, seit Jahren eine der weltbesten Torfrauen, ihren Vertrag in Leverkusen verlängert.