

Kommentar zur Handball-WM in Katar Die Farce beginnt


Arbeiter auf einer Baustelle in Doha: Plackerei bei 50 Grad
Foto: © Stringer . / Reuters/ REUTERSVon den Funktionären des Deutschen Handballbunds ist in den kommenden Tagen nicht viel zu erwarten. Man werde sich mit öffentlichen Äußerungen zum WM-Ausrichter Katar zurückhalten, sagt DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Seine Begründung: "Das heißt nicht, dass wir politisch uninteressiert sind, aber unser Kerngeschäft ist Sport. Um Politik zu machen, haben wir eine Regierung gewählt."
So hört sie sich an, die immer wieder geäußerte Standardargumentation der Sportfunktionäre. Sie ist ebenso frustrierend wie falsch. Denn selbstverständlich wird mit Sport knallhart Politik gemacht, bei der Handball-WM war das gerade zu beobachten, mit umstrittenen Absagen und Nachnominierungen. Und selbstverständlich hätte jeder einzelne Funktionär die Möglichkeit, falsche Entscheidungen zu kritisieren. Wenn er es denn wollte.
Eine dieser zu kritisierenden Entscheidungen ist die Vergabe von Großveranstaltungen an ein Land, das halb so groß ist wie Hessen, 1,8 Millionen Einwohner hat und seine Gastarbeiter wie Sklaven behandelt. Mit den Milliarden aus dem Öl- und Gasgeschäft finanziert der Mini-Staat Katar eine ganze Serie von Sport-Events, sie nehmen eine zentrale Rolle ein in Katars "Vision 2030". Den Höhepunkt bildet die Fußball-WM im Jahr 2022.
Nachdem sich die Fifa im Dezember 2010 für das Emirat entschieden hat, gab es zwei Möglichkeiten der Reaktion: Kritik oder Affirmation. Menschenrechtler, Politiker und Gewerkschaftler haben die Kritik gewählt, haben immer wieder die Ausbeutung von Gastarbeitern angeprangert, den Antisemitismus und die Verfolgung von Homosexuellen:
- Jeden zweiten Tag stirbt auf Katars Baustellen ein nepalesischer Arbeiter, berichtete der "Guardian" kurz vor Weihnachten.
- Bei der Liveübertragung eines Schwimm-Weltcups 2013 wurde die israelische Flagge ausgeblendet und als einziges Banner nicht vor der Schwimmhalle gehisst.
- Homosexualität ist in dem Emirat verboten, es drohen Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren.
Für Affirmation haben sich die Sportfunktionäre entschieden: Fünf internationale Verbände vergaben ihre Großveranstaltungen an Katar. Erst die Handballer im Januar 2011, dann der Radsport-Verband UCI im September 2012 (WM 2016). Nach den Boxern (Amateur-WM 2015) folgten im vergangenen Jahr der Internationale Turnverband (WM 2018) und der Leichtathletikverband (WM 2019).
Für Katar ist diese Serie von Sportveranstaltungen optimal. Das Emirat hat nun reichlich Gelegenheit, PR in Sachen Fußball-WM zu betreiben. Die Kritik an den Zuständen in der Scheindemokratie darf aber gerade deshalb nicht nachlassen. Nur wenn die Missstände in Katar immer wieder thematisiert werden, wächst der Druck auf Funktionäre, sich nicht länger hinter der schwachen Ausrede zu verstecken, Sport sei keine Politik.
Handball-WM 2015
An der Handball-Weltmeisterschaft in Katar (15. Januar bis 1. Februar) nehmen insgesamt 24 Mannschaften teil. Die Vorrunde wird in vier Sechsergruppen gespielt. Die jeweils besten vier Teams der Gruppen, in denen jeder gegen jeden spielt, qualifizieren sich für das Achtelfinale und ermitteln im K.-o.-System den neuen Weltmeister. Die Fünften und Sechsten der Gruppen spielen im Presidents-Cup um die Plätze 17 bis 24. Zudem spielen die Verlierer der Viertelfinales noch die Plätze fünf bis acht aus, um Teilnehmer an den drei Olympia-Qualifikationsturnieren zu ermitteln.
Die deutsche Mannschaft trifft in der Vorrundengruppe D auf Polen (29:26), Russland (27:26), Vizeweltmeister Dänemark (20. Januar, 19 Uhr), Argentinien (22. Januar, 17 Uhr) und Saudi-Arabien (24. Januar, 17 Uhr). Die Achtelfinale finden am 25. und 26. Januar statt, die Viertelfinale am 28. Januar. Die Halbfinale sind auf den 30. Januar terminiert, das Finale steigt am 1. Februar. Der Bezahlsender Sky zeigt die deutschen Spiele und ausgesuchte Highlight-Partien ohne deutsche Beteiligung.
Das sind Titelverteidiger Spanien, Europameister Frankreich, Kroatien und Dänemark. Die Skandinavier sind für Bundestrainer Dagur Sigurdsson Favorit. Außenseiterchancen dürften Island und Polen haben. Der Deutsche Handballbund hat offiziell das Ziel Achtelfinale ausgegeben, hofft aber insgeheim auf Platz sieben, der zur Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro berechtigt.
Tor: Silvio Heinevetter (Füchse Berlin), Carsten Lichtlein (VfL Gummersbach)
Feld: Stefan Kneer, Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki (alle Rhein-Neckar Löwen), Johannes Sellin, Michael Müller (beide MT Melsungen), Patrick Wiencek, Steffen Weinhold (beide THW Kiel), Hendrik Pekeler (TBV Lemgo), Martin Strobel, Fabian Böhm (beide HBW Balingen-Weilstetten), Erik Schmidt (TSG Friesenheim), Michael Kraus (Frisch Auf Göppingen), Jens Schöngarth (TuS N-Lübbecke), Paul Drux (Füchse Berlin)