Strafecken im Hockey Tausendmal probiert

Mathias Müller
Foto: Frank Uijlenbroek/ dpaWer Sport vor allem wegen technischer Raffinessen liebt, wegen der Aktionen, die Leichtigkeit ausstrahlen, obwohl sie in Wahrheit auf knüppelharter Arbeit fußen, der hätte an dem Tor der deutschen Hockeyherren zum 1:1 gegen die Niederlande bei der WM in Indien große Freude gehabt.
Mathias Müller spielte den Ball mit hohem Tempo an den Schusskreisrand, Tobias Hauke stoppte ihn, Martin Häner zog die Kugel ein paar Zentimeter nach vorne, ging mit dem Körper an ihr vorbei und legte sie hinter seinem Rücken auf Christopher Rühr ab, der sie direkt auf Herausgeber Müller zurückspielte. Müller, der sich Richtung Tor geschlichen hatte, blockte den Ball direkt in die kleine Lücke zwischen Pfosten und Torwart .
Das Ganze hatte nicht einmal drei Sekunden gedauert.
Hockey ist ein technisch anspruchsvoller Sport, bei der WM, wo die deutsche Auswahl nach zwei Siegen (1:0 gegen Pakistan, 4:1 gegen die Niederlande) schon fast sicher im Viertelfinale steht, ist das wieder einmal zu erkennen. Die Spieler dribbeln in hoher Geschwindigkeit, drehen den Schläger dabei von der Vorhand auf die Rückhand, sie schlenzen den Ball über das halbe Feld, lupfen ihn über die gegnerischen Schläger.
Und dann ist da noch die Strafecke.
Während gute Dribbler vor allem Talent und Instinkt brauchen, helfen diese Eigenschaften bei der Strafecke nur bedingt. Sicher, technische Fertigkeiten sind auch hier unerlässlich, doch die Perfektion dieser speziellen Standardsituation wird in harter Trainingsarbeit erkämpft. Tag für Tag, Stunde um Stunde stehen die Spieler einsam auf dem Trainingsplatz herum und wiederholen die Abläufe.
18 von 56 WM-Toren fielen nach Strafecken
Die Strafecke im Hockey muss man sich als Fußballfan als eine Mischung aus einer Ecke und einem Elfmeter vorstellen. Einerseits haben die Verteidiger die Chance, den Schuss abzuwehren, sie starten mit Maske, Suspensorium und Knieschonern ausgestattet aus dem Tor und rennen so schnell es geht in Richtung Schützen (früher gab es sogar sogenannte "Suicide"-Runner, die den Ball mit ihrem Körper blockten). Andererseits kommen die Rausläufer in den meisten Fällen zu spät und der Schütze hat einen relativ freien Schuss auf das Tor - wie beim Elfmeter also.
Hier erklärt Doppel-Olympiasieger Moritz Fürste den Ablauf der Strafecke
Im modernen Hockey werden eine Vielzahl von Spielen durch die Strafecke entschieden, vor allem die knappen Duelle zwischen ebenbürtigen Teams. In bitterer Erinnerung haben die Deutschen noch die WM-Finalniederlage 2010 gegen Australien. Erst hatte Moritz Fürste per Strafecke zum Ausgleich getroffen, dann konnte Australien aber kurz vor Schluss erneut in Führung gehen - ebenfalls per Strafecke. Bei der WM in Indien fielen immerhin 18 der bislang insgesamt 56 Tore nach dieser Standardsituation.
In der Vergangenheit war die Fokussierung auf die Ecke teilweise so stark, dass Kritiker eine gewisse Langeweile bemängelten. Mittlerweile fallen wieder mehr Feldtore, eine gute Eckenquote ist für Topteams dennoch unerlässlich. Jeder zweite, mindestens aber jeder dritte Versuch sollte zu einem Tor führen, sonst kann der Trainer nicht zufrieden sein. Die Wichtigkeit einer Ecke erkennt man auch daran, dass die Stürmer, wenn sie denn eine Ecke herausgeholt haben (etwa, indem sie den Ball dem Verteidiger an den Fuß gelegt haben), manchmal ebenso stark gefeiert werden, wie später der Torschütze.
Deutschland hatte jahrelang einen Top-Eckenschützen
Die Partie zwischen Deutschland und den Niederlanden bei der Hockey-WM hat die Wichtigkeit der Strafecke wieder einmal gezeigt. Aus vier Versuchen machte das DHB-Team zwei Tore, im Gegensatz dazu konnte Holland aus drei Gelegenheiten keinen Treffer erzielen. Neben einer gelungenen eigenen Ecke ist auch die Eckenverteidigung (und hier in erster Linie ein glänzender Torwart) wichtig.
Hier können Sie eine Auswahl an besonderen Ecken sehen:
Jedes Land hat seine Eckenspezialisten, in Argentinien ist es Gonzalo Peillat, Tschechien hat Tomás Procházka. Die Deutschen hatten früher Christopher Zeller, der fast jeden seiner Versuche sicher verwandelte. Es muss frustrierend für die Gegner gewesen sein: Jeder auf dem Platz wusste, was passieren wird, aber keiner konnte es verhindern. Heute teilen sich mehrere deutsche Spieler die Aufgabe auf - auch, um nicht allzu leicht auszurechnen zu sein. Lukas Windfeder etwa hatte mit seinem Schuss zur erstmaligen Führung gegen die Niederlande getroffen.
Neben dem Schuss gibt es noch die Varianten, wie sie Müller am Donnerstag zeigte. Und von der man ausgehen kann, dass sie bereits einige tausendmal an kalten, nassen Abenden eingeübt wurde. Übrigens: Vor Müllers Treffer hatten die Deutschen eine fast identische Kombination gespielt, dabei war der Ball jedoch gegen den Pfosten gegangen. Der zweite Versuch saß dann.