Hormon-Doping im Sport Wachsender Erfolg

Kampf gegen Doping: Blutproben im Labor
Elf Jahre sind eine sehr lange Zeit im Kampf gegen Doping. 1999 entwickelte ein Team von Wissenschaftlern und Ärzten an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität ein Verfahren, mit dem der Missbrauch des Wachstumshormons HGH (Human Growth Hormone) im Sport nachgewiesen werden kann. Nun ist mit diesem Verfahren der erste Sportler überführt worden, der sich HGH gespritzt hat: der englische Rugbyspieler Terry Newton. Dazwischen liegen elf Jahre, in denen sich die Sportfunktionäre nicht konsequent an das Thema Hormondoping herangetraut haben - elf Jahre Vorsprung für die Doper.
"Dies ist ein Meilenstein im Kampf gegen Doping", bejubelt IOC-Vizepräsident Thomas Bach die Überführung Newtons. Tatsächlich gilt der Missbrauch von HGH seit längerem als eine der gängigsten Dopingmethoden im Sport. Schwimmer, Radsportler, Baseballer, Bodybuilder - sie alle stehen im Verdacht, sich auch mit Hilfe von HGH fit zu machen.
Nach dem Ende des Wachstums hat das Hormon vor allem anabole (muskelaufbauende) Effekte. In Verbindung mit Insulin ermöglicht es eine schnellere und effektivere Energiebereitstellung. Und: Es ist extrem schwer nachweisbar. Daran hat sich auch mit der Enttarnung des Dopers Newton nicht viel geändert.
Das von außen zugeführte HGH entfaltet seine Wirkung zwar über mehrere Wochen, lässt sich aber nur in einem kurzen Zeitfenster entdecken. "Das Problem bleibt, dass HGH-Doping nur maximal 48 Stunden nachweisbar ist", sagt Wilhelm Schänzer, als Leiter des Kölner Instituts für Biochemie einer der renommiertesten Dopingfahnder Deutschlands. Von daher "müssen vor allem die Trainingskontrollen stimmig koordiniert sein", sagt Schänzer SPIEGEL ONLINE. Dass ein Athlet direkt vor oder nach einem Wettkampf des HGH-Spritzens überführt wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Die Sportler setzen das Mittel natürlich rechtzeitig ab.
Testergebnisse galten als anfechtbar
Das ist auch das Hauptmotiv, warum die Verbandsfunktionäre zunächst jahrelang scheuten, das Münchner Testverfahren anzuwenden - obwohl Christian Strasburger, damals Projektleiter in München und heute Mediziner an der Berliner Charité, den Test schon für die Olympischen Sommerspiele in Sydney 2000 entwickelt hatte. Das Verfahren galt als juristisch anfechtbar und der Dopingnachweis nicht als hundertprozentig wasserdicht. Die Sportverbände fürchteten massive Schadensersatzforderungen vermeintlich überführter Athleten. Aus demselben Grund sprangen auch mehrfach pharmazeutische Firmen ab, die das Testverfahren in Serie produzieren sollten.
Auf welch dünnem Eis sich die Dopingfahnder bewegen, hat auch der Fall der dopinggesperrten Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gezeigt. Seit bei ihr erstmals ein indirekter Dopingbeweis angebracht wurde, haben die Gerichte das Sagen. Ähnlich zeitraubende juristische Auseinandersetzungen wollte man beim HGH-Nachweis wohl vermeiden.
So wurde das Verfahren von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zwar immer wieder getestet, die Resultate aber nicht verwertet. Strasburger selbst zeigt durchaus Verständnis für die Haltung der Wada. "Schon in den vergangenen Jahren lieferte das Verfahren Ergebnisse, die auf Doping mit Wachstumshormonen hindeuteten. Doch die waren der Wada noch zu unsicher, um eine Sperre des Sportlers zu riskieren", sagte er SPIEGEL ONLINE. Jetzt erst habe man die Erfahrung aus Tausenden Anwendungen und die Möglichkeit, in fast allen der 33 IOC-akkreditierten Labors zu testen.
In Köln wird der Strasburger-Test schon seit einem Jahr angewendet. Rund 300 Blutproben der nationalen Anti-Dopingagentur Nada - darunter eingefrorene Proben aus dem Jahr 2007 - habe man bereits auf HGH untersucht, sagt Schänzer. Fündig geworden seien die Kölner Experten aber nicht. Trotzdem spricht er von Fortschritten. "Der Fall Newton zeigt, dass der Test anwendbar ist", so Schänzer. Er geht davon aus, dass "die Befunde vor Gericht Bestand haben".
Noch mehr Dopingsünder enttarnt
Rugbyspieler Newton ist nach Auskunft des Internationalen Olympischen Komitees IOC nicht der einzige Sportler, der beim jetzt praktizierten Nachweisverfahren überführt wurde. Er hat auf die Öffnung der B-Probe verzichtet und wurde für zwei Jahre gesperrt. "Es gibt noch mehr Fälle" hat Eduardo de Rose, Mitglied der Medizinischen Kommission des IOC, mitgeteilt. Namen nannte der Brasilianer zwar nicht, es seien allerdings keine Teilnehmer der Olympischen Winterspiele von Vancouver betroffen.
HGH hat nicht nur leistungsfördernde Wirkung, es kann auch schwere Nebenwirkungen verursachen. So kann das regelmäßige Spritzen des Hormons zur Krankheit Akromegalie führen, bei der Körperteile wie Hände, Füße, Kiefer oder Zunge sich ungewöhnlich stark vergrößern. Zudem treten Prostatakrebs bei Männern und Brustkrebs bei Frauen gehäuft auf.
Ob das die Sportler abschreckt? Strasburger hat in den neunziger Jahren eine umfangreiche Studie durchgeführt, in der er 200 Athleten fragte, ob sie garantiert leistungsfördernde Mittel auch dann einnehmen würden, wenn sie wüssten, dass sich ihr Leben dadurch um zehn Jahre verkürzt. Die Hälfte der Befragten antworteten mit einem klaren "ja".