
Rugby: Trauer um eine Legende
Zum Tode von Jonah Lomu Der Rugby-Revolutionär
Ein Moment, ein Angriff, ein Duell machte Jonah Lomu 1995 mit einem Schlag weltberühmt. Für seinen Gegner Mike Catt hingegen war es die ultimative Demütigung. Die beiden begegneten sich im Halbfinale der Rugby-WM in Südafrika, Catt spielte für England, Lomu bei Neuseeland, den All Blacks.
Lomu war damals erst 20 Jahre jung und hatte zweimal für die Nationalmannschaft seines Landes gespielt. Trotzdem hatte er es in den Turnierkader geschafft, dieser hünenhafte Junge von 1,96 Metern und knapp 120 Kilogramm, der die 100 Meter schon zu Schulzeiten in weniger als elf Sekunden sprintete.
Im Halbfinale schnappte sich Lomu einen freien Ball und rannte in Richtung Endzone, das Malfeld, um zu punkten. Den ersten Gegner schüttelte er ab, der zweite touchierte ihn mit einem Tackling am Knöchel, Lomu kam ins Stolpern, hielt sich aber auf den Beinen. "Da wusste ich schon, dass es gleich ganz schön weh tun würde", erinnerte sich Catt später an das, was folgte.
Lomu überrannte den deutlich kleineren Engländer (1,77 Meter, 77 Kilogramm) einfach, als wäre er gar nicht da. Catt lag wie plattgewalzt am Boden. "Ich habe mich umgedreht und sah nur noch, wie Jonah die Punkte machte." Eine solche Dynamik hatte man zuvor noch nicht gesehen. Ein Wort liest man seitdem immer wieder in den Nachrufen von ehemaligen Trainern, Teamkollegen und Gegenspielern - ein "Gamechanger" sei Lomu gewesen. Schon mit seinem ersten großen Auftritt hatte er seinen Sport verändert.
Catt aber war ab sofort nur noch der "Fußabtreter". Dennoch sagte er, nie gegen einen großartigeren Athleten gespielt zu haben. "Mich hat er auch weltberühmt gemacht, wenn auch nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe", sagte Catt.
Lomu aber wurde zum Nationalhelden und gab Rugby einen großen Popularitätsschub. "Er hat das Gesicht des modernen Rugbys verändert", sagte IOC-Präsident Thomas Bach, als er vom Tod des Neuseeländers erfuhr.
"Wir sind schockiert und zutiefst traurig", schrieb Neuseelands Verbandschef Steve Tew bei Twitter: "Jonah war eine Legende unseres Spiels und von vielen Fans auf der ganzen Welt geliebt." Premierminister John Key sagte, seine Nation sei am Boden zerstört: "Jonah war ein großartiger Botschafter für seinen Sport und ein großartiger Botschafter für Neuseeland."
Schon 1995 wurde ein Nierenleiden bei Lomu diagnostiziert, die Krankheit wurde immer schlimmer, doch Lomu spielte weiter. 2004 erhielt er eine Spenderniere, hatte mit Komplikationen zu kämpfen, schaffte später doch noch ein Comeback und beendete seine Karriere 2007.
Am frühen Mittwochmorgen verstarb der legendärste All Black der Geschichte im Alter von nur 40 Jahren an plötzlichem Herzstillstand. "Mit großer Trauer muss ich verkünden, dass mein geliebter Ehemann Jonah Lomu in der Nacht gestorben ist. Wie sich jeder vorstellen kann, ist dies ein schrecklicher Verlust für unsere Familie", teilte Lomus Ehefrau Nadene mit. Das Paar hat zwei kleine Söhne im Alter von fünf und sechs Jahren.
Bei der vor Kurzem zu Ende gegangenen Rugby-WM in England hatte er als TV-Experte gearbeitet. Laut seinem Managers war er in der Nacht vor seinem Tod aus einem kurzen Urlaub in Dubai nach Auckland heimgekehrt.
Bei der WM in England hatten die All Blacks den Titel gewonnen, das war Lomu nie vergönnt gewesen. Er war 1999 im Halbfinale gescheitert, 1995 im Finale, nachdem Lomu im Halbfinale Catt und seiner Mannschaft keine Chance gelassen hatte und plötzlich weltberühmt geworden war.
"Es ist einfach tragisch, wenn so ein guter Typ so früh stirbt", sagte Catt ESPN.com: "Wenn es jemanden gab auf dieser Welt, der den WM-Titel verdient gehabt hätte, dann Jonah Lomu."