Dopingermittlung gegen Armstrong
Sieg über die Lüge
Lance Armstrong kapituliert vor der amerikanischen Anti-Doping-Agentur: Er wird lebenslang gesperrt und verliert wohl alle seine Tour-de-France-Titel. Die US-Ermittler zeigen der Sportwelt, wie echte Aufklärung funktioniert. Davon können deutsche Fahnder viel lernen.
Die nationale Anti-Doping-Agentur der USA (Usada) schreibt Sportgeschichte. An diesem Freitagmorgen kündigte sie es an, am Abend machte sie es wahr: Sie hat den Radsportler Lance Armstrong mit einer lebenslangen Sperre belegt. Seine sieben Siege bei der Tour de France werden nun vom Radsport-Weltverband UCI wohl aberkannt. Das ist eine wunderbare Nachricht für alle, die an sauberem Sport interessiert sind.
Damit hat die Usada mit ihrem seit 2007 amtierenden Chef Travis Tygart, den Armstrong der Hexenjagd bezichtigt, in vorbildlicher Weise gezeigt, was möglich ist, wenn sich eine Agentur dem Druck von Sport, Politik und Sponsoren nicht beugt. Sondern wenn sie selbständig ermittelt, ihrer Kernaufgabe nachkommt und sich der Wahrheit annähern will.
Die Usada hat sich mit dem spektakulären Fall Armstrong in herausragender Weise emanzipiert. Tygart erklärte nach Jahren des Kampfes schlicht: "Es ist unser Job, nach der Wahrheit zu suchen und Gerechtigkeit walten zu lassen." Eine Devise, die man auch in der Zentrale der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) in Bonn beherzigen sollte.
Wenn nun andere nachträglich zu Siegern der Tour de France erklärt werden sollten, etwa Jan Ullrich (2000, 2001 und 2003 jeweils Zweiter), der selbst des Dopings überführt wurde, wäre dies ein Beleg für die schlechte Arbeit der Nada. Die Nada ist ein Werkzeug der sportpolitischen Allianz aus DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund), BMI (Bundesinnenministerium, Hauptsponsor des Hochleistungssports hierzulande) und Sportausschuss des Bundestages, der seiner Kontrollfunktion nicht nachkommt. Es ist dieser sportpolitische Komplex, der in Deutschland seit langem auch ein wirkungsvolles Gesetz gegen Doping und Korruption im Sport verhindert.
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Im Schatten der Dopingvorwürfe: Die Karriere des Lance Armstrong
Über den Fall Armstrong wurden bereits Bücher geschrieben. Die Kurzfassung, die den dramatischen Unterschied zwischen den USA und Deutschland verdeutlicht, geht so: Nachdem die Ermittlungen der US-amerikanischen Steuerbehörde gegen Armstrong und dessen ehemaliges Team US Postal eingestellt wurden, ließ sich die Usada die Akten kommen und begann auf dieser Grundlage mit eigenen Ermittlungen. Unbeirrt von allen äußeren Einflussnahmen.
Wenn dagegen in Deutschland staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgrund mangelnder Rechtslage eingestellt werden, obwohl Doping belegt ist, zuletzt in den Fällen der Blutbestrahlung am Olympiastützpunkt Erfurt und dem Dopingsystem der Uniklinik Freiburg im Profiradsport, dürfte bei Nada, DOSB und BMI vor allem Erleichterung einkehren. Die Nada findet dann allerlei Begründungen für ihre Untätigkeit, führt "eine Vielzahl von Beweisverwertungsverboten" auf und beruft sich sogar auf das Grundgesetz.
Die Methode hat System
Im Grunde waren die USA und Deutschland (in West und Ost) immer ein Schlaraffenland für Doper. Doch während in Deutschland Sport und Politik in einer Allianz bei der Dopingbekämpfung selten effizient waren, wurden in den USA im vergangenen Jahrzehnt die weltweit spektakulärsten Betrugssysteme aufgeklärt: erst das System des Doping-Labors Balco, das mit Designer-Drogen und Doping-Cocktails einen Kontinent bediente; nun das System des Lance Armstrong, der vor der Macht der Fakten kapitulieren musste.
Stets waren dabei Untersuchungen der Steuerbehörde der Ausgangspunkt. In beiden Fällen ermittelte der kahlköpfige, unbestechliche Jeff Novitzky, über den Tygart einmal sagte: "Man sollte ihm einen Schrein einrichten." Novitzky war einst Steuerfahnder und recherchiert für die Lebensmittel- und Arzneimittelaufsicht FDA in Washington, eine Bundesbehörde. Er begann seine Ermittlungen gegen Armstrong, der damals für das Team US Postal aktiv war, um herauszufinden, ob öffentliche Mittel für Dopingzwecke missbraucht wurden. In beiden komplexen Betrugssystemen - Balco und Armstrong - waren Grand Jurys involviert, wurden Kronzeugenregelungen angewandt. Der einstige Leichtathletik-Superstar Marion Jones musste wegen eidesstattlicher Falschaussagen zur Balco-Affäre sogar ins Gefängnis .
Dabei gibt es in den USA, wie in Deutschland, nicht einmal ein Anti-Doping-Gesetz. Tygart und die Usada zeigen, was dennoch möglich ist, wenn man Interesse an Aufklärung hat und alle Informationen verwertet.
Lance Armstrong wird nun womöglich auch seine Bronzemedaille verlieren, die er bei den Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney im Zeitfahren gewann. Die drei des Dopings Überführten oder Verdächtigen aus dem einstigen Team Telekom/T-Mobile dagegen behalten ihre Medaillen des Straßenrennens von Sydney: Jan Ullrich, Alexander Winokurow und Andreas Klöden.
8 BilderLance Armstrong: Der tiefe Fall des Tourminators
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Bitteres Ende einer beispiellosen Radsportkarriere: Lance Armstrong, dem erfolgreichsten Radprofi aller Zeiten, werden wegen Dopings alle sieben Tour-de-France-Titel aberkannt. Das kündigte die US-amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada an.
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Zudem wird der - zuletzt nicht mehr aktive - 40-Jährige mit einer lebenslangen Sperre belegt. Das Foto zeigt Armstrong im Gelben Trikot auf der letzten Tour-Etappe 2004.
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Armstrong hatte am 23. August 2012 erklärt, den Rechtsstreit um die Dopingvorwürfe aufzugeben. "Es kommt der Moment, da sagt man sich, es reicht", so der Sportler in einem Statement.
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Der Amerikaner (hier bei der Tour 2010) war kürzlich mit einer Klage gegen die US-amerikanische Anti-Doping-Agentur gescheitert und musste einen öffentlichen Dopingprozess fürchten. Ein Gericht in seiner Heimatstadt Austin hatte die Ermittlungen der Usada gegen den Sportler, dem jahrelanges Doping und der Handel mit illegalen Substanzen angelastet wird, am Montag für rechtens erklärt.
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Unerklärliche Dominanz: Seit Jahren hatte es immer wieder Dopingvorwürfe gegen den Sportler gegeben. Dieser bestritt jede Form von Betrug. Auch seine Entscheidung, den Rechtsweg nicht weiterzugehen, sei kein Geständnis, so Armstrong.
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Sportlicher Abstieg: Immer wieder kehrte Armstrong auch im fortgeschrittenen Sportleralter zur Tour zurück. Seine letzte Frankreichrundfahrt beendte er 2010 nach Stürzen und Formschwäche nur auf Rang 23.
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Bild aus erfolgreichen Zeiten: Armstrong 2004 im Trikot des Teams US Postal, in dem er von Helfern wie Floyd Landis (l.) bedingungslos unterstützt wurde. Landis, der 2006 selbst die Tour gewann und danach entlarvt wurde, ist...
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...mittlerweile einer schärfsten Kritiker Armstrongs. Dadurch, dass er jahrelang Doping abstritt und dann eine Beichte nach der anderen ablegte, gilt er jedoch als nur begrenzt glaubwürdig.
16 BilderIm Schatten der Dopingvorwürfe: Die Karriere des Lance Armstrong
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Insgesamt siebenmal hat Lance Armstrong die Tour de France gewonnen. Zuletzt siegte er 2005. Nun droht dem US-Amerikaner die Aberkennung seiner Titel.
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Seinen ersten Triumph in Paris feierte Armstrong 1999 mit großem Abstand vor dem Schweizer Alex Zülle.
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Von nun an dominierte Armstrong das größte und wichtigste Radrennen der Welt und feierte sieben Gesamtsiege in Folge. Hier ist Armstrong bei seinem zweiten Tour-Triumph im Jahr 2000 zu sehen. Im Hintergrund folgt ihm der Franzose Richard Virenque.
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Armstrong konnte bislang nie des Dopings überführt werden. Doch der Verdacht fuhr bei dem US-Amerikaner immer mit.
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Seine ersten sechs Siege bei der Tour holte Armstrong in der amerikanischen Mannschaft US-Postal.
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Sein härtester Widersacher war über viele Jahre Jan Ullrich, dem sowohl 2000, 2001 als auch - wie hier - 2003 nur der zweite Platz hinter Armstrong blieb.
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Legendär war der Sturz von Armstrong 2003 im Schlußansteig der 15. Etappe. Ullrich wartete auf den US-Amerikaner, wurde aber wenig später von ihm abgehängt.
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Nun könnte ausgerechnet Ullrich, der selbst des Dopings überführt wurde, von einer Verurteilung Armstrongs profitieren. Werden Armstrong die Toursiege aberkannt, könnte Ullrich nachträglich zum Sieger erklärt werden.
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Auch einige andere Athleten können sich Hoffnung auf einen verspäteten Triumph bei der Tour machen. Darunter auch der Deutsche Andreas Klöden, der bei Armstrongs Sieg 2004 Zweiter wurde.
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Bei Armstrongs letztem Tour-Triumph 2005 fuhr der Italiener Ivan Basso (l.) auf den zweiten Platz.
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2009 gab Armstrong (r.) nach längerer Pause im Astana-Team sein Comeback bei der Tour und fuhr als Dritter der Gesamtwertung direkt aufs Podium. Sieger wurde sein Mannschaftskollege Alberto Contador (M.).
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2010 beendete Armstrong die Tour als 23. mit einem Rückstand von 39:20 Minuten auf den später nachträglich wegen Dopings disqualifizierten Sieger Contador (l.).
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Armstrong musste anerkennen, dass es zu einem achten Sieg bei der Tour nicht mehr reichte.
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2011 beendete Armstrong schließlich seine Karriere im Radsport.
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Nach seinem Aus im Profiradsport versuchte er, sich als Triathlet zu etablieren.
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Nun geht Armstrongs Karriere unrühmlich zu Ende. Dem erfolgreichsten Radprofi der Geschichte sollen alle sieben Tour-de-France-Titel aberkannt werden.