Deutschlands Weitsprung-Hoffnung Mihambo über ihre WM-Taktik Zwiebellook und Nasendusche
Weitspringerin Malaika Mihambo ist eine Goldkandidatin bei der Leichtathletik-WM in Katar. Im Interview spricht sie über die Vorbereitung auf das tückische Klima und die Gefahr, den ersten Sprungversuch zu vermasseln.
- Uwe Anspach/ DPA
SPIEGEL: Frau Mihambo, Anfang Juni landeten Sie beim Diamond-League-Meeting in Rom erstmals jenseits der magischen Siebenmeter-Marke. Wieso gelingen Ihnen derartig große Sprünge seitdem scheinbar problemlos?
Mihambo: Ich bin im Anlauf wesentlich schneller geworden und schaffe es, die Geschwindigkeit fast optimal umzusetzen. Das ist nicht einfach, denn auf den letzten Schritten beschleunige ich mit 9,7 Metern pro Sekunde.
SPIEGEL: Bei der Deutschen Meisterschaft starteten Sie mit zwei Fehlversuchen in den Wettkampf. Wieso passiert so etwas, trotz des exakt ausgemessenen Anlaufs?
Mihambo: Ich wollte an dem Tag zu viel. Gleich mit den ersten Versuchen wollte ich über die sieben Meter springen und war dabei zu ungestüm. Dann tritt man über und muss sich selbst zügeln. Mein Trainer sagte zu mir, dass es ja toll sei, dass ich so motiviert bin, ein gültiger Versuch zur Abwechslung aber nicht schlecht wäre. Mit den 7,16 Metern hat das am Ende ja noch ziemlich gut geklappt.
SPIEGEL: Werden Sie bei der WM mit einer anderen Strategie in den Wettkampf gehen?
Mihambo: Es ist natürlich immer gut, wenn man gleich zu Beginn eine ordentliche Weite vorlegt. Daran habe ich erneut gearbeitet und ausgehend von meinem letzten Sieg in Brüssel haben wir wohl alles richtig gemacht. Mit meinem Sicherheitssprung landete ich gleich bei 6,97 Metern. Darauf lässt sich aufbauen.
SPIEGEL: Ihre Konkurrentin, Titelverteidigerin und Olympiasiegerin Brittney Reese blieb dieses Jahr meist deutlich unter sieben Metern. Wie verarbeiten Sie Ihren Erfolgsdruck?
Mihambo: Meine Favoritenrolle fühlt sich sehr gut an. Die Nummer eins zu sein, ist ein absolut positives Gefühl.
SPIEGEL: Aber was wäre, wenn es wider Erwarten nicht gut läuft in Doha?
Mihambo: Das darf kein Weltuntergang sein. Wenn ich hinten liegen sollte, darf ich nicht die Nerven verlieren. Ich werde positiv bleiben und bis zum Ende an den Sieg glauben. Man darf nicht vergessen, dass meine beste Platzierung außerhalb Europas Rang vier bei den Sommerspielen 2016 in Rio war. Alles, was besser ist, wäre so gesehen ein Erfolg. Aber natürlich habe ich andere Ziele.
SPIEGEL: Es muss die Goldmedaille sein?
Mihambo: Sagen wir es so: Es ist immer mein Anspruch, das Bestmögliche zu zeigen. Wenn ich also, wie in Brüssel, beim Absprung rund 20 Zentimeter verschenke und ich trotzdem bei sieben Metern lande, dann zeigt das mein Niveau. Ich habe 7,20 Meter drauf und das möchte ich zum Saisonabschluss auch zeigen.
SPIEGEL: Ist Ihr stets positives Denken auch ein Resultat Ihres mentalen Trainings?
Mihambo: Die regelmäßigen Gespräche mit meinem Heidelberger Mentalcoach Wolfgang Knörzer sind mir sehr wichtig, generell versuche ich, meinen Geist aber auch durch Meditation zu stählen. Ich reflektiere, betrachte mich und meine Rolle und überprüfe, ob mein Selbstbild zu meinen Zielen passt.
SPIEGEL: Diese Inspiration haben Sie von Ihrer Reise nach Indien mitgebracht, wo Sie im vergangenen Jahr allein hingereist sind?
Mihambo: Inspiration klingt mir in diesem Zusammenhang fast zu leicht. In dem Meditationscenter, in dem ich war, ging es zehn Tage lang nur um Achtsamkeit. Um Selbsterfahrung. Schweigen war angesagt. Kein Handy, keine Bücher, nichts zu schreiben. Das war eine sehr intensive und auch harte Zeit.
SPIEGEL: In Doha konzentrieren Sie sich ganz auf den Weitsprung. Werden wir Sie künftig auch als Sprinterin sehen? Mit Ihrer 100-Meter-Zeit von 11,21 Sekunden hätten Sie sich ja eigentlich für die WM qualifiziert.
Mihambo: Das stimmt, aber wir haben nach der Deutschen Meisterschaft beschlossen, dass die Sprints so kurzfristig noch kein Thema sind. Ich habe dafür kaum gezielt trainiert und entsprechend groß ist noch das Potenzial. Außerdem will ich in dem Stadion mit seiner Klimaanlage lieber nichts riskieren.
SPIEGEL: In Katar ist es draußen heiß und feucht, in der Arena selbst eher kühl und trocken. Wie gehen Sie mit den besonderen klimatischen Bedingungen um?
Mihambo: Ich werde wohl im Zwiebellook herumlaufen. Zu meiner leichten Kleidung kommen warme Sachen, außerdem haben wir vom Verband eine Nasendusche erhalten - die werde ich anwenden. Neben Früchten und viel Gemüse gönne ich mir noch eine Extraportion Ingwer und dann hoffe ich, dass mein Immunsystem alles mitmacht.
SPIEGEL: Gehört in Ihr Reisegepäck auch ein bestimmter Glücksbringer?
Mihambo: Nein. Ich habe weder einen Glücksbringer noch andere feste Rituale. Ich glaube an mich - das muss reichen.