Libanon bei der Basketball-WM Die "Zedern" gehen auf Korbjagd

Libanesischer Spieler Rustom: Nächste Sensation gegen Frankreich
Foto: UMIT BEKTAS/ REUTERSWenn die Nationalmannschaft des Libanon bei der Basketball-WM in der Türkei am Sonntag auf Frankreich trifft, werden Erinnerungen an eine Sternstunde der libanesischen Korbjäger wach.
Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Japan hatte der Sommerkrieg zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz eine professionelle Vorbereitung für das Team unmöglich geworden. Einige Spieler konnten Beirut erst nach Wochen verlassen und zur Mannschaft stoßen. Umso größer war die Überraschung, als die Libanesen die mit NBA-Stars gespickte Auswahl Frankreichs mit 74:73 besiegen konnten. Der Erfolg der "Zedern", wie die Mannschaft in der Heimat genannt wird, war die wohl bisher größte Geschichte des libanesischen Basketballs.
Seit Mitte der neunziger Jahre hat sich Basketball im Libanon zu einer der beliebtesten Sportart entwickelt. Die Gründe hierfür liegen vor allem im Niedergang des libanesischen Fußballs, der durch Fankrawalle, Manipulationsskandale und enttäuschende Ergebnisse der Nationalmannschaft an Attraktivität verloren hat. Gleichzeitig konnten die beiden populärsten Basketballclubs des Landes, Riyadi Beirut und Sagesse, Erfolge feiern.
Nur dank Wild Card bei der WM dabei
Entscheidend für den Aufschwung des libanesischen Basketballs war jedoch, dass das Fernsehen das Potential des Spiels als attraktive TV-Sportart entdeckte. Seit 1996 sponsert der Fernsehsender LBC den libanesischen Basketballverband und die Liga und überträgt die wichtigsten Partien zur besten Sendezeit. Mit einer solchen Finanzkraft im Rücken können die größten Clubs inzwischen sogar ausgemusterte NBA-Stars aus den USA anlocken. 2002 qualifizierte sich das Nationalteam erstmals für eine WM.
Deutlich reibungsloser als noch 2006 verlief die Vorbereitung auf die WM in der Türkei. Dabei hatte der Libanon die sportliche Qualifikation für das Turnier eigentlich verpasst. Nach der Qualifikationsrunde in Asien landete die Auswahl hinter Iran, China und Jordanien nur auf Rang vier. Erst eine Wild Card, eine Einladung des Basketball-Weltverbandes Fiba, ermöglichte den Libanesen die WM-Teilnahme - genauso wie der deutschen Nationalmannschaft.
Der Star des Teams ist Amerikaner und spielt in Iran
Das Vertrauen der Fiba in die Stärke der libanesischen Auswahl scheint sich auszuzahlen. Erst vor zwei Wochen gewann das Team, das seit April 2010 vom Amerikaner Tab Baldwin gecoacht wird, zum ersten Mal die Asien-Meisterschaft. Vor heimischer Kulisse in Beirut gewannen die "Zedern" alle Spiele und schlugen im Finale Japan mit fast 40 Punkten Vorsprung - ein Turniersieg allerdings mit einem Beigeschmack. Beim Spiel gegen Syrien wurden die Gäste vom Anwurf an vom fanatischen Publikum ausgepfiffen und mit Schmährufen belegt. Beim Stand von 20:0 für die Gastgeber verließen die entnervten Syrer das Feld und verschwanden in der Kabine.
Der Kopf des libanesischen Teams ist der 30-jährige Fadi El Khatib. Mit durchschnittlich 18 Punkten pro Spiel war der Kapitän der siebtbeste Korbjäger bei der letzten Weltmeisterschaft. Die wohl spannendste Geschichte hat jedoch ein anderer Spieler: Center Jackson Vroman. 1981 in Kalifornien geboren, spielte der 2,08 Meter-Hüne zwei Jahre lang für die Phoenix Suns und die New Orleans Hornets in der NBA. Über Umwege durch Spanien und Litauen verschlug es ihn 2009 in den Iran, wo er seither für Mahram Teheran aufläuft. Im gleichen Jahr erhielt Vroman das Angebot, für den Libanon zu spielen. Der Amerikaner nahm an, erhielt im Schnellverfahren die libanesische Staatsbürgerschaft und lehrt die Gegner seither unter den Körben das Fürchten.
Bei der WM erwarten das libanesische Team jedoch weitaus stärkere Mannschaften als bei der Asien-Meisterschaft. In den Gruppenspielen trifft die Auswahl unter anderem auf Spanien - neben den USA und Griechenland einer der Topfavoriten auf den Titel. Auch Litauen wird stärker eingeschätzt als die Libanesen.
Gegen Auftaktgegner Kanada (Samstag 17.30 Uhr) und Außenseiter Neuseeland sind Siege hingegen Pflicht, wenn das Team das Achtelfinale erreichen will. Und dann ist da ja noch die Partie gegen Frankreich - die unter etwas anderen Vorzeichen angepfiffen wird. Denn anders als 2006 wäre ein Sieg zwar eine Überraschung, aber keine Sensation mehr.