Sport-Superboss Vizer Putins Judo-Kumpel attackiert Olympia

Neuer Sportaccord-Chef Vizer: "Habe Herrn Putin viel zu verdanken"
Foto: AP/dpaIm Saal 8 des Kongresszentrums Lenexpo in St. Petersburg brandete am Freitagmorgen Beifall auf. Der Rumäne Marius Vizer, Staatsbürger Österreichs und Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war soeben zum Präsidenten der Vereinigung aller 107 Sport-Weltverbände (Sportaccord) gewählt worden. Vizer hatte mit einem spektakulären Programm aufhorchen lassen, das gigantische Verschiebungen im Weltsport auslösen könnte.
- Er will alle vier Jahre eine Super-WM sämtlicher 91 Sportarten an einem Ort ausrichten.
- Er will eine weltweite Sport-Lotterie einführen.
- Er will eine Sport-Bank gründen.
Es sind fragwürdige Botschaften, die eigentlich die Führung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) alarmieren müssten, das im September seinen neuen Präsidenten wählt. Der scheidende Boss Jacques Rogge aus Belgien will sich damit aber nicht mehr quälen: "Das ist Sache des neuen Präsidenten", sagte Rogge, "er muss das mit Herrn Vizer diskutieren".
Der Sportkalender sei übervoll, fügte Rogge nur an, für diese Vereinten Weltmeisterschaften sei kein Platz, darauf hätte doch gerade die Vereinigung der olympischen Sommersportarten (ASOIF) hingewiesen. Der ASOIF-Präsident und Tennis-Boss Francesco Ricci Bitti aus Italien zählte in St. Petersburg indes zu Vizers wichtigsten Verbündeten. Von ihm kam kein Widerwort zu den tollkühnen Plänen. Es geht um Macht und Millionen.
Vizer ist mit Putins Unterstützung schon vor Jahren so mächtig gewesen, dass er gegen den erbitterten Widerstand des Amtsinhabers, eines südkoreanischen Konzernchefs, die Präsidentschaft im Judo-Weltverband (IJF) übernehmen konnte. Damals hatte ihn Putin in seiner Residenz in Sotschi empfangen, um die Lage zu sondieren und über die Zukunft der IJF zu beraten. Das war der Anfang. Nun Sportaccord. Und das ist noch nicht das Ende. "Ich habe Herrn Putin viel zu verdanken", sagt Vizer. Putin, den prominentesten Judoka des Planeten, hat er längst zum IJF-Ehrenpräsidenten ernannt.
Der Scheich hat's
In St. Petersburg bedankte sich Vizer nun artig bei den Sportaccord-Delegierten, wo er die Nachfolge des ewig umstrittenen Holländers Hein Verbruggen antritt. Er wolle den Olympischen Spielen keine Konkurrenz machen, sondern mit dem IOC kooperieren, sagte der 54-Jährige gönnerhaft. Aus Vizer, einst Absolvent der rumänischen Militärakademie und Judotrainer, ist erst auf wundersame Weise ein Multimillionär geworden, für dessen Geschäfte sich Staatsanwaltschaften interessierten - allerdings ohne, dass es je zur Anklage gekommen war, Vizer bezeichnete die Vorwürfe als Missverständnisse. Ebenso kometenhaft vollzog sich sein Aufstieg zu einem der einflussreichsten Sportfürsten der Welt.
Als Vizer sprach, nahm draußen, hinter einem raumhohen schwarzen Vorhang, jemand Glückwünsche entgegen, der gar nicht zur Wahl gestanden hatte: Scheich Ahmad al-Sabah aus Kuwait. Ein Delegierter nach dem anderen defilierte am Scheich vorbei. Gut 20 Minuten dauerte der Aufmarsch. Der langmähnige Sabah umarmte sie alle. Ob nun die von Korruptionsvorwürfen belasteten Präsidenten der Weltverbände der Gewichtheber (Tamás Aján) und Handballer (Hassan Moustafa), den Fifa-Abgesandten Walter Gagg oder sogar den Ehrengast Jean-Marie Weber, der im Schmiergeldsystem der ehemaligen Sportmarketingfirma ISL persönlich mindestens 142 Millionen Schweizer Franken Bestechungsgeld an höchste Sportfunktionäre übergeben hat.
Weber und Sabah werden sich in Kürze in Lausanne unterhalten, beschlossen sie. In zwei Wochen lädt der Scheich, selbst Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), zur Vollversammlung der Vereinigung aller 204 nationalen Olympiakomitees. In Lausanne wird dann auch der neue mondäne ANOC-Sitz eingeweiht. Der Scheich hat's, und er zeigt jedem gern, dass er über unendliche finanzielle Mittel verfügt. Dem wegen offenbar verschwundener Verbands-Millionen gerade in die Schlagzeilen geratenen Gewichtheber-Präsidenten Aján raunte er zu: "Wenn du Hilfe brauchst, melde dich!" Sabahs rechte Hand Husain al-Musallam fügte an: "Melde dich, was immer du brauchst!"
"Habe ich es nicht gestern gesagt, Vizer bekommt 52 Stimmen!"
Was immer du brauchst! Welch wunderbarer Satz, der die Szene prächtig beschreibt. Denn Sabah und Husain al-Musallam, Generalsekretär der asiatischen Olympiavereinigung (Oca), wissen offenbar genau, was die Kollegen benötigen. Und sie sind stets behilflich, was dazu führte, dass den Scheich seit vielen Jahren Korruptionsgerüchte und handfeste Vorwürfe umgeben. Sein vorheriger Oca-Generalsekretär Muttaleb kassierte Millionen an Schmiergeld von der ISL und wurde vom IOC 2004 lebenslang gesperrt. Kürzlich beim Wahlkongress des asiatischen Fußballverbandes (AFC) in Kuala Lumpur trat Scheich Sabah genauso auf - und wurde mehr bejubelt als der neue AFC-Präsident Scheich Salman aus Bahrain.
Nun Marius Vizer. Husain al-Musallam war stolz auf dessen Wahlsieg: "Habe ich es nicht gestern gesagt, Vizer bekommt 52 Stimmen!" Bis weit nach Mitternacht hatten Sabah, Musallam und ihre Helfer im Hotel Sokos gearbeitet und die letzten Zweifelnden überzeugt. Der Scheich verteilt als Vorsitzender der IOC-Kommission "Olympische Solidarität" übrigens auch 435 Millionen Dollar Entwicklungshilfe. Er sitzt an den richtigen Hebeln. So wurde Vizer am Freitagmorgen also mit exakt jenen 52 Stimmen zum Sportaccord-Präsidenten gewählt. Sein Herausforderer Bernard Lapasset, Präsident des Rugby-Weltverbandes (IRB), der vom IOC-Präsidenten Jacques Rogge ins Spiel gebracht wurde, erhielt 37 Stimmen.
Einige Funktionäre flüsterten dem Scheich zu: Klasse gemacht! Das war der nächste Streich! Einer steht noch aus! Am 10. September in Buenos Aires, wenn der IOC-Präsident gekürt wird. Sabah gilt schon lange als Königsmacher. Um dann in einer Dekade selbst den IOC-Thron zu besteigen.