#CoachDontTouchMe Deutsche Boxerinnen starten Kampagne gegen Missbrauch

Es werde "vertuscht, verschwiegen, verharmlost": Viele Boxerinnen erleben Übergriffe ihrer männlichen Trainer. Unter #CoachDontTouchMe machen sie auf das Thema Missbrauch aufmerksam.
Susi Kentikian

Susi Kentikian

Foto: Patrick Pleul/ dpa

Mehrere bekannte deutsche Boxerinnen haben auf Facebook eine Kampagne gegen sexualisierte Gewalt gestartet. Unter #CoachDontTouchMe fordern sie die Trainer und Betreuer auf, die Grenzen der Sportlerinnen zu respektieren und ihre Macht nicht zu missbrauchen. Funktionäre und Verbände sollten Fälle von sexueller Belästigung im Boxen nicht weiter herunterspielen, heißt es in den Posts der Frauen.

"Lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen", schreibt die Profiboxerin Susi Kentikian, 30, auf ihrer Facebook-Seite. "Leider gibt es nicht nur in der Filmbranche Missbrauch. Sondern auch im Sport." Die mehrfache Weltmeisterin im Fliegengewicht sei selbst "zum Glück nie betroffen" gewesen, Gespräche mit anderen Boxerinnen würden sie aber "fassungslos und wütend" machen. "Es darf nicht sein, dass es Trainer gibt, die ihre Nähe zu den Sportlern ausnutzen und sich an ihnen sexuell vergreifen."

Auch mehrfache deutsche Meisterinnen wie Ornella Wahner, 24, und Sarah Scheurich, 24, schlossen sich der Aktion an. "Leider gibt es solche Fälle, und wir sollten uns alle moralisch verpflichtet fühlen, darauf aufmerksam zu machen", schreibt Wahner. "Macht den Opfern Mut, dass Sie sich öffnen können, ohne Scham." Scheurich beklagt in ihrem Facebook-Post "Chauvinismus" im Boxen und nimmt die Sportverbände in die Pflicht. Sie sollten "deutlicher ihre kompromisslose Ablehnung solcher Vorfälle zum Ausdruck bringen", schreibt die Boxerin. Es dürfe "nicht mehr vertuscht, verschwiegen oder verharmlost" werden. "Sexismus ist das Gegenteil von fairem Sport."

"99 Prozent der Trainer männlich"

Die Hamburger Boxerin Joelle Seydou, die 2017 Dritte bei den Europameisterschaften wurde, ist die Initiatorin von #CoachDontTouchMe. "Wir wollen zeigen, dass wir Boxerinnen eine Stimme haben", sagt die 22-Jährige dem SPIEGEL. Sie selbst habe schon Situationen im Sport erlebt, die ihr im Nachhinein unangenehm gewesen seien. "Es ist wichtig, dass über so etwas gesprochen wird", sagt Seydou. Speziell im Boxen, denn dort seien "99 Prozent der Trainer männlich".

Die #MeToo-Debatte, sagt Seydou, habe sie dazu veranlasst, die Kampagne gegen sexualisierte Gewalt im Sport zu starten. "Wir alle lieben das Boxen, es kann nicht sein, dass manche von uns mit ihrem Sport aufhören müssen, weil sie sich im Ring oder in der Umkleidekabine nicht mehr wohlfühlen."

Besonders schockiert, sagt Seydou, habe sie auch der Fall einer Hamburger Boxerin. Diese wirft dem renommierten Trainer Christian M. vor, sie bei Wettkämpfen und Lehrgängen abends im Hotel missbraucht zu haben. Der SPIEGEL hat mehrmals über den Fall berichtet. M. ist Sportdirektor des Hamburger Boxverbands. Die Sportlerin, die ihn beschuldigt, war deutsche Jugendmeisterin und boxte früher im Nationalkader. Inzwischen hat sie ihre Karriere beendet, aufgrund der Vorfälle ist sie in psychologischer Behandlung. Die Kampagne gebe ihr "sehr viel Kraft", sagt sie dem SPIEGEL.

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