Schwarze Quarterbacks in der NFL Sie sind mehr

Lamar Jackson: Vor ihm gab es nur drei afroamerikanische Quarterbacks, die als wertvollster Spieler der NFL ausgezeichnet wurden
Foto: Icon SMI/ imago imagesDer beste Quarterback in dieser NFL-Saison war Lamar Jackson von den Baltimore Ravens. Der 22-Jährige führte sein Team zu 13 Siegen und Platz eins der AFC, er erzielte dabei 36 Touchdowns und insgesamt 4333 Yards Raumgewinn. Die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Saison (MVP) hat Jackson so gut wie sicher, sein Team zählt zu den Titelfavoriten, wenn es in zwei Wochen in die Playoffs startet.
Jackson ist talentierter als die meisten Footballspieler, er ist aber auch entschlossener. Denn Jackson ist schwarz, und afroamerikanische Quarterbacks haben es besonders schwer, in die NFL zu gelangen.
Vor seiner NFL-Karriere spielte er drei Jahre lang für die University of Louisville, wo er 2016 die Heisman Trophy für den besten College-Spieler der Saison erhielt. Als Jackson sich dann zur NFL-Draft anmeldete, schlugen ihm Scouts und Experten einen Positionswechsel vor. Als Runningback oder Receiver sei er besser aufgehoben, hieß es über einen der besten Nachwuchsquarterbacks des Jahrzehnts. "Ich dachte, das sollte ein Witz sein, doch es hörte nicht auf", erzählte Jackson in einem Podcast : "Ich war nicht sauer, aber ich wollte es ihnen zeigen."
Rassismus beim Scouting
Jacksons Weg steht beispielhaft für den Umgang der NFL mit dunkelhäutigen Quarterbacks. Laut einer Diversitätsstudie der University of Central Florida sind 58,9 Prozent aller NFL-Profis schwarz. Auf der Spielmacher-Position liegt der Anteil bei 19 Prozent. Seit der Einführung des Super Bowls im Jahr 1966 führten nur zwei schwarze Quarterbacks ihre Teams zum Titel (Doug Williams 1988 und Russell Wilson 2014).
Jahrzehntelang war es im Football so: Schwarze spielten auf den athletisch anspruchsvollen Positionen wie Runningback, Receiver oder Cornerback. Nur äußerst selten gab es schwarze Quarterbacks, Center oder Linebacker. "Die 'denkenden' Positionen in der Mitte waren diejenigen, die wir nicht spielen durften", schrieb Warren Moon, der erste afroamerikanische Quarterback in der Hall of Fame des Profifootballs, in seiner 2009 veröffentlichten Autobiografie.
Das "Denkverbot" für Schwarze im Football beschränkt sich nicht nur auf den Rasen. In höheren Positionen wie etwa Cheftrainer oder Manager sind Afroamerikaner eine Minderheit. Von den 32 Teams hat keines einen schwarzen CEO oder Präsidenten.
Afroamerikanische Spielmacher werden anders bewertet. Die "Pennsylvania State University" untersuchte 2017 die Spielerprofile aller Quarterbacks, die zwischen 2008 und 2016 an der Draft Combine teilnahmen, der jährlichen Talentsichtung der NFL. Dabei wurde eine Methode angewendet, die ursprünglich entwickelt worden war, um sprachliche Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten im US-Kongress zu identifizieren.
Die von der "Washington Post" veröffentlichte Studie kam zu dem Schluss, dass weißen Quarterbacks eher kognitive Fähigkeiten zugeschrieben wurden. Wörter wie "klug", "Anführer" oder "konstant" kamen häufig in den Scoutingberichten vor. Quarterbacks, die einer Minderheit angehören, wurden oft als "zögerliche" oder "unreife" Spielmacher mit der Neigung zu "riskanten Pässen" beschrieben.
Gelobt wurden sie vor allem für ihre physischen Merkmale wie Gewicht oder Schnelligkeit - ohne objektive Grundlage: Bei gleichem Gewicht kam das Wort "Gewicht" bei schwarzen Quarterbacks (27 Prozent) deutlich häufiger vor als bei weißen (sechs Prozent).
"Die meisten von uns werden nicht als Passgeber gesehen, sondern als Athleten", sagte der Ex-Profi Michael Vick 2017 dem Sender ESPN. Vick wurde bei der NFL-Draft 2001 als erster Afroamerikaner an erster Stelle ausgewählt und hält den Rekord für die meisten gelaufenen Yards als Quarterback.

Afroamerikaner in der NFL: New Age Quarterbacks
Auch Lamar Jackson überzeugte zunächst vor allem mit seinem Laufspiel. Bei der Draft Combine verweigerte er aber den 40-Yard-Sprint, offenbar um ein Statement zu setzen: Er kann mehr als Laufen. Tatsächlich hatte Jackson in seinem ersten NFL-Jahr Probleme beim Passspiel. Das lag aber an fehlender Erfahrung, wie die aktuelle Saison zeigt.
Er ist der ideale "Dual-Threat-Quarterback" - ein Spielmacher, der werfen und laufen kann. Mit dem Ball in der Hand erzielte Jackson während der regulären Saison 1206 Yards Raumgewinn, NFL-Rekord für einen Quarterback . Das geschah teils auf atemberaubende Weise.
LAMAR. JACKSON. @Lj_Era8 TO THE HOUSE ‼️‼️
— Baltimore Ravens (@Ravens) November 10, 2019
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Wenn er einen Pass zum Mitspieler warf, war dieser zu 66,1 Prozent erfolgreich, ligaweit der zehntbeste Wert. Im ersten Saisonspiel erzielte Jackson mit seinen Pässen fünf Touchdowns. "Nicht schlecht für einen Runningback", sagte er.
Insgesamt ist die Quarterback-Position zwar immer noch unverhältnismäßig weiß, doch es findet ein Wandel statt. Der wertvollste Spieler der Saison (MVP) des Vorjahres war Patrick Mahomes, der ebenfalls afroamerikanische Wurzeln hat. Neben Jackson und Mahomes gehören mit Russell Wilson und Deshaun Watson zwei weitere schwarze Quarterbacks zur Elite auf der Position. Dahinter gibt es Cam Newton, den MVP von 2015, Dak Prescott und weitere hochklassige afroamerikanische Spielmacher wie auch Colin Kaepernick, der momentan aber ohne Team ist. Die Gründe dafür sind nicht sportlicher Natur.
Tom Brady, Peyton Manning und Aaron Rodgers waren die großen Quarterbacks des 21. Jahrhunderts, ihre weißen Gesichter zierten die Cover von Videospielen, sie traten in Werbespots auf und dienten heranwachsenden Fans und Spielern als Vorbilder. Nun wird diese Generation abgelöst von Spielern wie Jackson und Mahomes. Je größer der Erfolg der neuen Garde, desto schneller dürften die rassistischen Klischees dahinbröckeln.