Karriereende von Football-Star Luck Vom Verlust der Freude

Bei einer Pressekonferenz nach einem Testspiel gab Andrew Luck unter Tränen sein Karriereende bekannt
Foto: AJ Mast / AP"So habe ich mir das ganz sicher nicht vorgestellt", sagt Andrew Luck zu Beginn der Pressekonferenz und verzieht die Lippen zu einem krampfhaften Lächeln. Der Quarterback der Indianapolis Colts ringt um Worte. Nach nicht einmal einer Minute kommen dem bärtigen Mann mit dem schnarrenden Bariton zum ersten Mal die Tränen. Luck will nicht mehr Football spielen. Mit 29 Jahren nimmt seine Karriere ein Ende, und das zwei Wochen vor Saisonbeginn.
"Um mein Leben zukünftig so führen zu können, wie ich möchte, kann Football kein Teil davon sein", sagt Luck den Reportern nach einem Testspiel der Colts gegen die Chicago Bears. Er stecke in einem Prozess fest, der ihn die Freude am Spiel gekostet hat, einem Kreislauf aus Verletzungen, Schmerz und Rehas: "Ich bin müde, und das nicht nur in körperlicher Hinsicht."
Der 29-Jährige ist nicht der Einzige, der sich sein Karriereende anders vorgestellt hat. Der Sohn des früheren NFL-Quarterbacks Oliver Luck gehört zu den Besten auf seiner Position, und das seit Beginn seiner Laufbahn. Er ist ein Supertalent, jemand, dem zahlreiche individuelle Auszeichnungen, Rekorde und Titel prognostiziert wurden.
Lieber Luck als eine Legende
Vor seiner Ankunft in der NFL spielte Luck in Kalifornien für die College-Mannschaft der Stanford University. Als er sich 2012 zur Draft anmeldete, umgab ihn ein derartiger Hype, dass die Colts ein Wagnis eingingen: Sie gaben nach 13 Jahren Peyton Manning ab, einen der besten Quarterbacks der Geschichte, um Platz für Luck zu schaffen.

Andrew Luck in Aktion: Der Quarterback der Indianapolis Colts galt als Supertalent
Foto: Michael Wyke / APDie Eingewöhnung in die Profiliga fiel dem jungen Passgeber nicht schwer. Auf Anhieb führte er die Colts drei Jahre in Folge in die Playoffs und nahm stets am Pro Bowl teil, dem Allstar-Spiel der NFL. Das beste Abschneiden war das Halbfinale 2014/2015 gegen den späteren Meister New England Patriots mit Star-Quarterback Tom Brady. Das Spiel wurde wegen angeblich zu schwach aufgepumpter Bälle als "Deflategate" bekannt.
Dann kamen die Verletzungen. Die Saison 2015/2016 konnte Luck nicht beenden, nachdem er sich eine Bauchmuskelverletzung und einen Nierenriss zugezogen hatte, so dass er Blut urinierte. Die Colts verpassten die Playoffs, ebenso im Jahr darauf, als Luck trotz einer lädierten Schulter spielte und nach der Saison operiert werden musste - woraufhin er die gesamte Saison 2017/2018 verpasste.
Physical toll on Andrew Luck through 6 NFL seasons:
— Zak Keefer (@zkeefer) August 25, 2019
» Torn cartilage in 2 ribs
» partially torn abdomen
» a lacerated kidney that left him peeing blood
» at least 1 concussion
» a torn labrum in his throwing shoulder
» and this mysterious calf/ankle issue that led to this
"Nach 2016, als ich unter Schmerzen spielte und nicht regelmäßig trainieren konnte, schwor ich mir, diesen Weg nicht noch einmal einzuschlagen", sagte Luck bei der Pressekonferenz: "Ich finde mich in einer ähnlichen Situation wieder und der einzige Weg vorwärts ist, mich aus dem Football zurückzuziehen." Wegen Beschwerden am Knöchel hatte er einen großen Teil der Saisonvorbereitung aussetzen müssen.
Luck bezahlt für seinen Rücktritt einen hohen Preis - auch buchstäblich. Laut Colts-Eigentümer Jim Irsay hätte der 29-Jährige in seiner Karriere noch bis zu 500 Millionen Dollar verdienen können. Vergangene Saison war die beste seit vier Jahren, die Colts erreichten die zweite Playoff-Runde und am Ende der Spielzeit wurde Luck als Comeback-Spieler des Jahres ausgezeichnet.
Deshalb galt Indianapolis eigentlich als Titelkandidat für die kommende Saison. Ein breiter, relativ junger Kader ohne eklatante Schwächen, einer der besten Quarterbacks der Liga, viel Gehaltsspielraum - Indizien für eine erfolgreiche Zukunft. Jüngst erstellte "ESPN" eine Liste der Teams mit der besten Aussicht für die kommenden Jahre. Auf Platz eins landeten die Colts.
Luck tickt anders
Vor diesem Hintergrund löste Lucks Entscheidung bei einigen Fans Unverständnis aus. Während des Testspiels gegen Chicago verbreitete sich bereits das Gerücht von Lucks Rücktritt. Als er nach Spielende ein letztes Mal vom Feld des Lucas Oil Stadiums in Indianapolis trottete, begleiteten ihn Buhrufe einiger Zuschauer. "Ich will ehrlich sein", sagte Luck: "Das tat weh."
Andrew Luck gets booed walking off the field as fans learn about his reported retirement
— Bleacher Report (@BleacherReport) August 25, 2019
(via @RichNye13, h/t @brgridiron)pic.twitter.com/vbks2IIUe9
Dass Luck anders tickt als die meisten seiner Football-Kollegen, weiß man nicht erst seit diesem plötzlichen Karriereende. Während viele Profis die Aufmerksamkeit gewohnt sind und sogar suchen, war Luck schon immer ein introvertierter Typ. Wenn es um Football ging, verfiel er in einen minutenlangen Redeschwall, über private Dinge wollte er, der kürzlich seine Jugendfreundin geheiratet hat, nicht sprechen.

"Sag, dass es nicht wahr ist, Andrew!" Die Fans reagierten ungläubig auf die Rücktrittsgerüchte
Foto: Bobby Ellis / AFPAbseits des Sports wirkt Luck aus der Zeit gefallen. Verschwitzte Trainingskleidung statt Designer-Outfits. Kein Goldschmuck, keine teuren Autos, kein Instagram. Nur der "Andrew Luck Book Club" hat einen Account . Regelmäßig verteilte Luck in der Kabine Bücher an seine Mitspieler, sein eigenes Lieblingswerk ist "Papillon" von Henri Charrière aus dem Jahr 1969, sein Lieblingsmusiker Bruce Springsteen. In Anlehnung an seine Ausdrucksweise existiert ein Twitter-Account, der Lucks Karriere in fiktiven Briefen eines Bürgerkriegssoldaten nacherzählt.
Dearest mother —
— Capt. Andrew Luck (@CaptAndrewLuck) August 25, 2019
The quill has never felt more heavy. I have made the decision to holster my sidearm permanently. I shall battle no more. The decision is difficult, but, as the hogs taught me, I must be true to myself. I am coming home to care for you and the farm.
— Andrew
Das Leben eines Football-Profis hat Luck nie interessiert. Nur der Sport selbst. "Viele Leute lieben es, in der NFL zu sein. Nicht so viele lieben wirklich Football", sagte Colts-Profi Matt Hasselbeck einst "The Athletic": "Andrew Luck liebt Football." Diese Liebe ist nun erloschen.