Fotostrecke

Bewerbung in Hamburg: Absage an die Olympia-Bewerbung

Foto: Aleksandra Bakmaz/ dpa
Benjamin Knaack

Gescheitertes Olympia-Referendum in Hamburg Wer fragt, muss mit der Antwort leben

Benjamin Knaack
Ein Kommentar von Benjamin Knaack
Nach dem Nein beim Hamburger Olympia-Referendum schäumen die Befürworter: Kleingeistigkeit, Nörgelei, Angst - schnell sind Gründe für die Absage gefunden. Doch so einfach sollten es sich die Verlierer nicht machen.

Kaum war das Ergebnis des Hamburger Olympia-Referendums bekannt, fingen die unterlegenen Olympia-Befürworter an zu schimpfen. Die "German Angst" sei wieder einmal da, Hamburg mache sich klein, die "Neinsager und Nörgler" vermiesen allen ein tolles Event, so konnte man es in den sozialen Netzwerken lesen, "armselig, rückgratlos, kleingeistig" seien sie, provinziell und dumm. Einer sah sogar eine "Katastrophe für den Standort Deutschland".

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, der Motor der Olympia-Bewerbung der Hansestadt, blieb sachlicher. "Ich hätte mir eine andere Entscheidung gewünscht, aber sie ist klar, und das Ergebnis ist zu akzeptieren", sagte der SPD-Politiker, der einsehen musste, dass er trotz monatelanger und millionenschwerer PR-Kampagne nicht genügend Hamburger überzeugen konnte.

Dabei hatte es der Kampagne nicht an Unterstützung gefehlt: Mit Ausnahme der Linken standen alle Bürgerschaftsfraktionen hinter der Bewerbung. Auch der Hamburger SV und andere Profisportvereine trommelten. Und sogar lokale Medien warfen ihre neutrale Beobachterposition über Bord und warben mit Sonderbeilagen, ganzen Olympia-Zeitungen und einseitiger Berichterstattung für Olympia 2024.

"Keine Megaevents mehr"

Olympia, das war der Traum vieler Hamburger - auch das hat das Referendum bewiesen, trotz der Ablehnung: Über 300.000 Menschen wählten schließlich dafür. Das Referendum lockte die Menschen in der Hansestadt an die Wahlurnen wie kaum eine andere Abstimmung zuvor, Bürgerschaftswahlen einmal außen vor gelassen. Über 50 Prozent der Wahlberechtigten stimmten ab. Zum Vergleich: Der Volksentscheid über die Schulreform mobilisierte gerade einmal 39 Prozent der Bürger.

Jeder hatte nun eine eigene Erklärung für das Scheitern des Referendums. "Die Bevölkerung in Hamburg will eine Stadtpolitik, die nicht mehr auf Megaevents und Leuchtturmprojekte setzt, sondern sich an den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen dieser Stadt orientiert", teilte etwa Florian Kasiske von NOlympia mit. Nikolas Hill, Geschäftsführer der Bewerbungsgesellschaft für die Spiele 2024, machte die Begleitumstände verantwortlich, das Konzept habe gestimmt.

Sicher: Fifa-Skandal, WM-Affäre, Terrorangst - das alles hatte Einfluss auf die Entscheidung. Doch allzu einfach sollten es sich die Verantwortlichen nicht machen. Denn der Rückgang der Zustimmung kann nicht allein mit der Gewalt in der französischen Hauptstadt erklärt werden. Eine Forsa-Umfrage hatte einen Zustimmungsverlust innerhalb weniger Monate um sieben Prozent belegt - schon vor Paris. Und Sportverbände gelten nicht erst seit diesem Jahr als dubiose Gebilde. Es waren wohl nicht nur "Begleitumstände".

Finanzierung stand auf wackligen Füßen

Das mit viel Mühe und vielen Millionen Euro angefertigte Olympia-Konzept sowie der Finanzplan haben viele Hamburger nicht überzeugen können. Es gab ungeklärte Baustellen, offene Punkte, die man nur bedenkenlos übergehen konnte, wenn man Feuer und Flamme für Olympia war. Allen voran die ungeklärten Kosten: Sich in einer Stadt, in der ein mit 77 Millionen Euro veranschlagtes Konzerthaus knapp 800 Millionen kosten kann, etwas kritischer mit Finanzplänen auseinanderzusetzen, hat nichts mit Kleingeistigkeit zu tun. Sondern mit gesundem Menschenverstand.

Es half nicht, dass bis zum Referendum unklar war, mit wie vielen Milliarden Euro sich der Bund beteiligen würde. Und es half noch weniger, dass Scholz dieses Problem immer wieder kleinzureden versuchte. Über das kleine Geld werde man sich schon einig, hatte er auf einer PR-Veranstaltung gesagt. 6,2 Milliarden Euro waren damit gemeint. Und auch der Punkt Sicherheit, im Finanzplan mit 461 Millionen Euro veranschlagt - und damit mit über einer Milliarde Euro weniger als in London 2012 - war wenig glaubwürdig.

Die Absage wird einschneidende Folgen für den deutschen Leistungssport haben, für Olympische Spiele wird sich Deutschland nun auf viele Jahre, wahrscheinlich sogar Jahrzehnte nicht mehr bewerben, deshalb sind die enttäuschten Kommentare einiger Athleten verständlich. Man müsse nun "ohne Rückenwind einer Olympiabewerbung Sportdeutschland weiterentwickeln", sagte DOSB-Chef Alfons Hörmann, das werde sicher deutlich schwieriger.

Aber: Wer fragt, der bekommt eine Antwort. Und eine demokratische Entscheidung müssen alle akzeptieren. Jetzt dagegen zu pöbeln, ist sinnlos. Ebenso die Analyse von Hamburgs Sportbundchef Jürgen Mantell, der den Wählerinnen und Wählern die Fähigkeit abzusprechen versuchte, eine abgewogene, durchdachte Wahl getroffen zu haben: "Das war keine rationale Entscheidung, sondern eine aus dem Bauch heraus." Vielleicht trifft das eher auf Mantells Analyse zu, denn auf das Abstimmungsverhalten der Hamburger.

Die Wahl ist entschieden. Nun müssen die richtigen Lehren gezogen werden. Im Hamburger Rathaus. In der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt, dem Sitz des Deutschen Olympischen Sportbundes. Vor allem aber in der IOC-Hauptzentrale in Lausanne. Letztere hat jedoch schon viele Schüsse nicht gehört. Nicht den aus München, nicht den aus Oslo, nicht den aus Boston. Ob das diesmal anders sein wird?

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten