
Radrennen: Winokurow zerstört britischen Traum
Olympiasieger Winokurow Triumph des Tricksers
"The Mall" vor dem Buckingham Palace ist die Prachtstraße Londons, bei besonderen Anlässen ist sie allein der königlichen Familie vorbehalten. An diesem Tag, an dem "The Mall" den Zieleinlauf des olympischen Rad-Straßenrennens bildete, sollte sie ebenfalls einem König gelten, dem Sprinterkönig Marc Cavendish. So hatten sich das die Briten vorgestellt, schon seit dem frühen Morgen ging es in der BBC nur darum, wer Cavendish das erste Gold für England streitig machen sollte.
Den Fahrer, der später tatsächlich Olympiasieger werden sollte, hatte dabei niemand auf der Rechung gehabt. Und das war wohl auch gut so. Denn Alexander Winokurow steht wie kein Zweiter für die dunkle Seite dieses Sports. Mit seinem Triumph von London hat der fast 39-jährige Kasache dem Radsport keinen übermäßig großen Gefallen getan.
Winokurow, der seit 1999 tragender Teil des Teams Telekoms war, in jenen Jahren, die später als die großen Dopingjahre entlarvt wurden. Winokurow, der 2006 einem Ausschluss bei der Tour de France nur dadurch entging, dass sich die Tour-Leitung vor dem Internationalen Sportgerichtshof nicht durchsetzen konnte. Winokurow, der 2007 des Fremdblutdopings überführt wurde und danach wie sein gesamtes Astana-Team aus der Rundfahrt ausstieg. Winokurow, der Ende 2007 aus Ärger über die ständigen Dopingverdächtigungen schon einmal seinen Rücktritt vom Leistungssport erklärt hatte.
Winokurow ist ein Relikt des alten Systems
Der Kasache, der sich 2007 selbst dann noch unschuldig wähnte, als die Dopingproben das Gegenteil besagten, ist nicht nur ein, sondern neben dem Deutschen Andreas Klöden der Vertreter des alten Systems. Des Systems, das den Radsport seine Glaubwürdigkeit gekostet hat. Ein Relikt.
Dass er dennoch im Unterschied zu vielen anderen nie vom UCI gesperrt wurde, liegt nicht nur an der zuweilen undurchschaubaren Praxis des Radweltverbandes, sondern spricht auch für seine Cleverness. Als Trickser ist er häufig bezeichnet worden, wenn er wieder einmal kundtat, nie etwas mit Doping zu tun gehabt zu haben. Zuletzt hatte er nur noch wenig Lust gezeigt, sich öffentlich zu diesem Thema zu äußern. Nach seinem Olympiasieg sagte er lediglich, dies sei "ein abgeschlossenes Kapitel", und überhaupt sei dies nicht der Moment, nach diesem Thema zu fragen.
Dass der Kasache einer der cleversten und abgebrühtesten Fahrer im Feld ist, kam ihm auch an diesem ersten olympischen Tag von London entgegen. Winokurow attackierte genau zum richtigen Zeitpunkt, gut sieben Kilometer vor dem Ziel. Lediglich der Kolumbianer Rigoberto Uran, der sich über Silber freuen durfte, zog mit. Die übrigen der gut 30 Ausreißer erkannten den Augenblick nicht, reagierten erst, als es schon zu spät war.

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Engländer haben sich verpokert
Längst zu spät war es zu diesem Zeitpunkt auch für die hoch gehandelten Engländer mit Cavendish, Tour-Sieger Bradley Wiggins und dem Zweiten Chris Froome an der Spitze. Alles war angelegt für eine Operation Gold für Cavendish. Wiggins, der erst vor einer Woche auf den Champs Elysées bei der 99. Tour de France triumphiert hatte, sollte sich in den Dienst des Sprintstars stellen. Schon als er am Abend vor dem Wettkampf noch bei der Eröffnungsfeier auftauchte und die olympische Glocke zum Klingen gebracht hatte, war klar, dass es diesmal nicht auf ihn, sondern auf seinen Landsmann ankommen sollte.
Umso unverständlicher, wie es den fünf Briten passieren konnte, 50 Kilometer vor dem Ziel mehr als 30 Konkurrenten ziehen zu lassen, unter anderem so renommierte Fahrer wie den Schweizer Fabian Cancellara oder Belgiens Klassikerspezialist Philippe Gilbert. Auch die Deutschen, die auf ihre Sprinthoffnung André Greipel gesetzt hatten, waren da schon nicht mehr mit von der Partie. Tony Martin stieg nach 180 Kilometern aus, sein vor drei Wochen erlittener Handbruch behinderte ihn doch zu sehr. Winokurows Siegsprint bekam der Deutsche schon nicht mehr auf der Strecke mit.
Bei der anschließenden Pressekonferenz tauchte zunächst nur der Silbermedaillengewinner Uran auf. Winokurow wurde damit entschuldigt, dass er noch bei der Dopingprobe sei. Da ging Gelächter durch den Presseraum.