Thomas Bachs Olympia-Reform Weniger Kosten, mehr Wettbewerbe

Agenda 2020: So heißt das Reformpaket, das das IOC in Lausanne vorgestellt hat. Das Paket soll die Bewerbungskosten für Olympische Spiele senken und Transparenz erhöhen. Von einer Revolution ist das IOC jedoch weit entfernt.
IOC-Präsident Bach: Entscheidung über Agenda 2020 im Dezember

IOC-Präsident Bach: Entscheidung über Agenda 2020 im Dezember

Foto: JEAN-CHRISTOPHE BOTT/ AFP

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit seinem Präsidenten Thomas Bach hat in Lausanne seine Agenda 2020 vorgestellt. Die 40 Empfehlungen in dem Reformpaket umfassen interessante Details und einige Überraschungen. Jedoch: Der ganz große Wurf ist der Organisation nicht gelungen.

Die wichtigsten Änderungsvorschläge des Pakets, das kein Abschlussdokument ist und über das am 8. und 9. Dezember die 127. Vollversammlung in Monaco entscheidet, betreffen den Bewerbungsprozess und die Austragung Olympischer Spiele. Das IOC hat sich Kostenreduzierung und Transparenz vorgenommen, nachdem allein im laufenden Wettbewerb für die Winterspiele 2022 in fünf Ländern Bürgerentscheide oder Beschlüsse von Volksvertretern zur Einstellung der Bewerbungen geführt haben: in der Schweiz (Graubünden), in Deutschland (München), in Schweden (Stockholm), in Polen (Krakau) und in Norwegen (Oslo). Nachdem auch Lemberg wegen der angespannten Lage in der Ukraine zurückziehen musste, blieben nur zwei Bewerber aus Staaten mit Demokratiedefiziten übrig: Almaty in Kasachstan und die chinesische Hauptstadt Peking gemeinsam mit Zhangjiakou

Die Kosten für die Bewerber werden künftig schon deshalb sinken, weil das IOC die Zahl der Präsentationen beschränkt. Gab es bisher ein Dutzend großer Präsentationen in allen Ecken des Planeten, sind jetzt nur noch vier vorgesehen: Je eine vor den IOC-Mitgliedern und der entscheidenden IOC-Session, eine vor der Vollversammlung des Weltverbandes aller Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) und eine vor den 35 olympischen Sportfachverbänden.

Das IOC übernimmt die Kosten der Evaluierungskommissionen. Ob Bewerber nicht mehr die bislang geforderten Garantiesummen (650.000 Dollar für beide Bewerbungsphasen) zahlen müssen, ist unklar. Bewerbungsbücher sollen nur noch elektronisch produziert werden, allein der Druck der teuren Bände hat stets Millionen gekostet. Interessant auch: Es soll ein Lobby-Register für die Berater- und Bewerbungsbranche geben.

Wettbewerbe in anderen Ländern erlaubt

Über die Neujustierung dieses Ethikreglements steht wenig Konkretes in der Agenda. Es soll "universale Prinzipien guter Unternehmensführung" geben, aber offenbar keinen gemeinsamen Ethikcode für alle Nationalverbände.

Das IOC könnte mit seiner Olympischen Charta und der Macht, über das Olympiaprogramm zu entscheiden, viel weiter gehen, zumal zahlreiche Fachverbände unter Korruptionsverdacht stehen. Das IOC will selbst jährlich statt nur alle zwei Jahre Finanzberichte vorlegen und Details über die Aufwandsentschädigungen und andere Leistungen für seine Mitglieder offenlegen.

Olympia-Bewerbungen sollen zu einem "partnerschaftlichen Prozess" werden. Den bisherigen zwei Bewerbungsphasen wird eine dritte angefügt: Zu Beginn sollen interessierte Städte und Länder gemeinsam mit dem IOC an Konzepten feilen. Dann geht es in die so genannte Applicant City Phase, es kommt zur ersten Bewertung, auf deren Grundlage die Kandidaten für die Finalrunde benannt werden.

Der Ausrichtervertrag (Host City Contract/HCC), der in der aktuellen Version als eine Art Knebelvertrag bezeichnet werden kann, wird künftig veröffentlicht. Der Anteil, den das IOC aus seinen Marketingerlösen (derzeit 5,2 Milliarden Dollar für Sotschi 2014 und Rio de Janeiro 2016) zum Organisationsbudget beisteuert, wird im HCC festgeschrieben. Zuletzt hatte das IOC diese Summe auf 880 Millionen Dollar für 2022 aufgestockt. Bei Sommerspielen sind etwa 1,2 Milliarden zu erwarten.

Sehr wichtig für künftige Spiele: Auch im Sommer sind künftig länderübergreifende Wettbewerbe "in Ausnahmefällen" erlaubt. Im Wintersport war das schon immer möglich, aber nicht gern gesehen. Das könnte dazu führen, dass traditionelle Wintersportländer wie Schweden (keine Bob- und Rodelbahn) und Finnland (keine alpinen Stätten, keine Rodelbahn) gemeinsam Winterspiele austragen.

Dünne Aussagen über die Zusammensetzung des IOC

Olympia-Ausrichter dürfen eine Wunschliste mit Events (nicht Sportarten) aufstellen, die sie zusätzlich im Programm haben möchten. Es bleibt aber bei den Obergrenzen von 310 Entscheidungen und 10.500 Sportlern im Sommer sowie 100 Wettbewerben und 2.900 Sportlern im Winter. Das IOC will das Programm mehr über Wettbewerbe und Disziplinen als über Sportarten definieren. Vielleicht werden in der Agenda deshalb die Anzahl der Sportarten (bisher 28 Sommer, 7 Winter) schon nicht mehr genannt.

Wie erwartet rücken die World Games, bei denen vor allem nicht-olympischen Sportarten vertreten sind, enger an Olympia heran. Die World Games dürften sich zu einer Art Qualifikation für potenzielle Olympia-Sportarten entwickeln. Zuletzt hat das IOC 2013 die Offerten von Wushu, Sportklettern, Rollschuhlaufen, Karate, Squash, Wakeboard, Baseball und Softball abgelehnt.

Extrem dünn sind die Aussagen über die Komposition des IOC. Offenbar bleibt es bei maximal 115 Mitgliedern, eine automatische Mitgliedschaft für alle 35 Fachverbandspräsidenten wird es nicht geben. Die Altersgrenze bleibt bei 70 Jahren (alle Mitglieder, die bis 1999 aufgenommen wurden, dürfen bis 80 dabei bleiben). Einmalig darf man sich nach dem 70. Geburtstag für eine vierjährige Verlängerung bewerben.

Dieser Passus wird vor allem ein in Zürich lebendes IOC-Mitglied enttäuschen: Joseph Blatter, der in seiner Eigenschaft als Fifa-Präsident ex officio dem IOC angehört, vollendet im März 2016 sein achtes Lebensjahrzehnt. Spätestens dann muss er das IOC verlassen.

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