Pferde-Drama Reitsport rätselt über Tod von Hickstead

Der Tod des Ausnahmepferdes Hickstead hat die Reitsportwelt erschüttert. Während über die Anforderungen im Springreiten diskutiert wird, bleibt die Todesursache des Tieres auch für Experten "rätselhaft". Ob der Vorfall von Verona je aufgeklärt wird, ist fraglich.
Gold-Reiter Lamaze auf Hickstead: Todesursache unklar

Gold-Reiter Lamaze auf Hickstead: Todesursache unklar

Foto: dapd

Die Reitsportwelt steht noch unter Schock, da wird schon über die Belastungen im Springsport diskutiert. Der unvermittelte Tod des derzeit international besten Pferdes Hickstead beim Championat im italienischen Verona hat der Debatte um die möglicherweise zu hohen Anforderungen an die Tiere neue Nahrung gegeben. Solange das offizielle Ergebnis der Obduktion nicht vorliegt, beherrschen zudem Spekulationen über die Todesursache die Szene.

Vorläufig wird von einem Abriss der Aorta, also der Herzschlagader, ausgegangen. So etwas könnte nach Ansicht des Pferde-Veterinärs Michael Düe vorkommen, wenn sich Parasiten im Körper eingenistet haben oder dem Tier falsche Medikamente verabreicht wurden. Letztlich jedoch sei "die Entstehung solcher Abrisse ein Rätsel", sagt Düe, Leiter der Abteilung Veterinärmedizin bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, in der "Welt".

Falsche Medikamente - da scheint die Assoziationskette zum Thema Doping zunächst einmal nicht weit. Der Springsport ist in dieser Hinsicht schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Es hat in den vergangenen Jahren zahlreiche prominente Fälle von Pferde-Doping gegeben. Betroffen waren auch die Tiere deutscher Spitzenreiter wie Christan Ahlmann, Ulla Salzgeber und Isabell Werth.

Pferde-Doping sorgt immer wieder für umstrittene Fälle

Allerdings ist das Thema Pferde-Doping ein kompliziertes Feld - der Schuldnachweis ist zuweilen noch schwieriger zu führen als bei Sportlern. So dürfen nach den geltenden Vorschriften Tiere außerhalb von Turnieren mit Mitteln behandelt werden, die während des Wettkampfes untersagt sind. Ob ein Reiter zudem ständig die Möglichkeit hat, die Gesundheit seines Pferdes und die Behandlungen durch Veterinäre zu kontrollieren, gilt ebenfalls als umstritten. In mehreren Fällen wurden Dopingsperren im Reitsport daher nach Protesten wieder zurückgenommen. Es gibt bereits versierte Juristen, die sich darauf spezialisiert haben, die Lücken in der Argumentationskette der Dopingfahnder zu finden und die Reiter herauszupauken.

Hinweise, dass bei Hickstead das Thema Doping eine Rolle spielte, gibt es derzeit denn auch keine - bis auf die Tatsache, dass der Reiter des Gold-Pferdes der Olympischen Spiele von 2008, der Kanadier Eric Lamaze, bereits selbst zweimal wegen Dopings gesperrt war. Wobei der Kanadier einen Spezialfall darstellt und kaum mit einschlägigen Dopingfällen verglichen werden kann: Lamaze, der aus schwierigen familiären Verhältnissen stammt, nahm jahrelang Kokain. Dieser Konsum wurde ihm bereits in den neunziger Jahren bei Dopingproben zum Verhängnis.

Beerbaum: "An den Haaren herbeigezogen"

Für Deutschlands langjährigen Spitzenreiter Ludger Beerbaum sind denn auch sämtliche Gerüchte um den Tod des 15-jährigen Pferdes "an den Haaren herbeigezogen". Tatsächlich wird jedoch schon seit längerem darüber gestritten, ob die Anforderungen, die bei den großen Preisen gestellt werden, mittlerweile zu hoch für die Pferde geworden sind. Die Trainingsbelastungen für die Pferde sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, die Hindernisse werden eher höher als niedriger, um dem Publikum ein entsprechendes Springspektakel zu bieten.

Der Turnierkalender von Reiter und Pferd ist zudem das ganze Jahr über gefüllt. Lamaze und Hickstead hatten zuletzt an zahlreichen Championaten teilgenommen. Möglicherweise hat der Körper des Pferdes auf diesen Stress reagiert. Hickstead gehörte mit seinen 15 Jahren schon zu den betagteren Springpferden.

Ob die genaue Ursache für das Ableben des Tieres überhaupt abschließend geklärt werden kann, halten Experten für fraglich. "Es ist sehr schwierig, im großen Pferdeherzen genau jenen Quadratzentimeter zu finden, den es dazu braucht", wird der Leiter des Sportmedizinischen Leistungszentrums der Pferdeklinik an der Universität Zürich, Michael Weishaupt, in der "Neuen Zürcher Zeitung" zitiert.

"Ein schreckliches Erlebnis , das man nicht so schnell vergessen kann", hat Deutschlands Topreiter Christian Ahlmann das Geschehen von Verona kommentiert. Ahlmann weiß, wovon er spricht: Sein Pferd Calvados starb 2010 im Nachgang des Weltcup-Springens in Oslo in der Box. Es brach genauso zusammen wie Hickstead. In Sekunden war das Pferd tot.

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