Dopingbeichte im TV Tröpfchenweise Wahrheit

Ein Geständnis vor der Kamera, ein tränenreicher Besuch bei seiner Krebsstiftung: Lance Armstrong inszeniert seine Dopingbeichte, wie er seine Karriere geplant hat - exakt kalkuliert. Bekannt wird nur, was den Schaden für den Ex-Radprofi möglichst gering hält. Doch diesmal könnte er sich vertun.
Ex-Radstar Armstrong: Schaden möglichst gering halten

Ex-Radstar Armstrong: Schaden möglichst gering halten

Foto: dapd

Eine der größten Qualitäten des Radprofis Lance Armstrong war stets seine Fähigkeit, taktisch zu denken. Der Sportler Armstrong hatte immer einen Plan für seine großen Rennen. Seine Tour-de-France-Siege waren das Ergebnis einer kühl erdachten und minutiös umgesetzten Team-Strategie.

Genauso geht der Texaner nun auch mit dem Thema Doping um.

Auch wenn die Einzelheiten seines Talkshow-Auftritts bei Oprah Winfrey noch nicht bekannt sind: Alles, was bisher von der Aufzeichnung in einem Hotel in Austin durchsickerte, spricht für sein Kalkül, den Schaden einigermaßen gering halten zu wollen.

Der 41-Jährige geht augenscheinlich in die Offensive. So soll er Winfrey gegenüber angekündigt haben, gegen "mehrere mächtige Männer im Radsport", sprich führende Funktionäre des Rad-Weltverbandes UCI, aussagen zu wollen. Die UCI mit ihrem Präsidenten Pat McQuaid an der Spitze steht seit langem unter dem Verdacht, von dem flächendeckenden Doping im Profiradsport nicht nur gewusst, sondern es auch billigend in Kauf genommen zu haben. So nahm der Weltverband 2005 eine großzügige 100.000-Dollar-Spende Armstrongs entgegen. Das Motiv für diese Spende konnte McQuaid bis heute nicht zufriedenstellend erläutern.

Jedes Wort im Studio wird vorher genau abgewogen sein

Die Absicht, die Armstrong mit seiner aktuellen Strategie verbindet, ist relativ leicht erkennbar. Mit einem Auftreten als Kronzeuge, verbunden mit dem Geständnis, gedopt zu haben, möchte sich Armstrong mildernde Umstände zusichern - nachdem er jahrelang beharrlich jede Leistungsmanipulation geleugnet hatte. Es geht für den Texaner dabei auch um sehr, sehr viel Geld. Schadensersatzklagen in Millionenhöhe stehen im Raum.

Auch wenn Armstrong gesagt hat: Winfrey könne "fragen, was immer sie will, ich werde direkt, ehrlich und offen antworten", darf man davon ausgehen, dass jedes Wort, das Armstrong vor den Kameras gesprochen hat, von seinem Staranwalt Tim Herman im Vorfeld sorgfältigst abgewogen und zurechtgelegt worden sein wird. Direkt, ehrlich, offen - das sind nicht die Attribute, mit denen man Armstrong zuallererst in Verbindung bringt.

Lance Armstrong als Kronzeuge, der damit einen Teil der ihm drohenden Strafen abfedert - das ist als Option durchaus denkbar. Der Beigeschmack, den diese Angelegenheit hätte, wäre allerdings erheblich. Schließlich gesteht Armstrong erst, nachdem ihn die US-Anti-Doping-Agentur Usada längst als Doper überführt hat. Er räumt die Einnahme leistungssteigernder Mittel erst ein, nachdem zahlreiche seiner früheren Teamkollegen mit Floyd Landis und Tyler Hamilton an der Spitze gegen ihn ausgesagt haben.

Und Landis könnte auch noch zum Problem für Armstrong werden, da er einen Betrugsprozess gegen seinen einstigen Teamkollegen anstrebt. Dabei geht es um die Anklage, Sponsorengelder der US-Postbehörde beim Team US-Postal für Dopingzwecke missbraucht zu haben. Das US-Justizministerium erwägt nach übereinstimmenden Medienberichten, diesen Prozess zu unterstützen. Dies hätten Offizielle der Behörde empfohlen, schreiben das "Wall Street Journal" und die "USA Today" auf ihren Internetseiten.

Geständnis in der Talkshow statt im Gericht

Armstrong will jetzt so wirken, als nehme er das Handeln in die Hand. Allerdings vollzieht er nur, was der breiten Öffentlichkeit längst schon als bekannt gilt. Das schwächt seine Position. Letztlich sind die Ermittler auf Armstrongs Aussage nicht mehr angewiesen.

Auch das Prozedere trägt nicht dazu bei, seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Dass Armstrong nicht den Gerichtssaal oder das Büro des zuständigen Staatsanwalts für sein Geständnis nutzt, sondern die Bühne einer Talkshow wählt, dürfte die Strafverfolger nicht unbedingt wohlwollender stimmen. Mag die Talkshow von Oprah Winfrey auch eine US-amerikanische Institution sein - Armstrong hat mit diesem Schritt sein Standing bei den Ermittlern keineswegs verbessert.

Das Ganze ist eine durchinszenierte Aufführung des Mannes, inklusive der tröpfchenweise herausgegebenen Informationen nach der Aufzeichnung der Talkshow am Montag. Dazu zählt nicht nur die am Donnerstag ausgestrahlte TV-Beichte, sondern auch sein vor der Aufzeichnung absolvierter Besuch bei seiner Livestrong-Krebsstiftung. Tränen sollen dabei geflossen sein. Auch diese Information verdankt das Publikum der Armstrong'schen Öffentlichkeitsabteilung.

Der Chef der Usada, Travis Tygart, hat in Zusammenhang mit Armstrong vom "ausgeklügelsten, professionellsten und erfolgreichsten Dopingprogramm, das die Welt jemals gesehen hat", gesprochen. Ähnliches würde der Texaner wohl auch gerne über sein Geständnis-Programm lesen. Diesmal jedoch könnte er sich vertun.

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