Radsport Holczer muss Team Gerolsteiner auflösen
Hamburg - Den deutsche Rad-Rennstall Gerolsteiner wird es ab dem kommenden Jahr definitiv nicht mehr geben. Trotz intensiver Bemühungen habe man keinen neuen Hauptsponsor für den zum Jahresende ausscheidenden Getränkehersteller gefunden, teilte Teamchef Hans-Michael Holczer am Donnerstag mit.

Gerolsteiner-Fahrer bei der Tour 2008: Sponsorensuche erfolglos
Foto: AP"Ich hatte in den letzten zwei Wochen sogar mündliche Zusagen von Sponsoren, doch es ist nichts daraus geworden. Ein Premiumstück des Sportsponsorings ist auf dem deutschen Markt momentan nicht zu verkaufen. Eine Erklärung dafür fällt mir schwer", sagte Holczer. Die Enttäuschung halte sich dennoch in Grenzen, weil sich die Situation seit Juni angedeutet habe.
Damit verschwindet einen Tag vor dem Start der Deutschland-Tour nach dem Ausstieg der Telekom ein weiteres erfolgreiches ProTour-Team aus dem Radsport. Nur noch Milram vertritt ab 2009 die deutschen Farben in der höchsten Profi-Klasse. Mit Team Gerolsteiner fallen auch fast 60 Arbeitsplätze weg, so Holczer.
Bis zum Saisonende wird der Rennbetrieb wie geplant aufrechterhalten. Nach der für das Team äußerst erfolgreichen Tour de France mit den zwei Etappensiegen von Stefan Schumacher, dem Bergtrikot und dem dritten Gesamtrang des Österreichers Bernhard Kohl hatte sich Holczer noch optimistisch gezeigt, doch auch die Kontakte mit potentiellen Geldgebern führten letztlich zu nichts.
Bisher habe laut Teammitteilung noch kein Fahrer bei einem anderen Rennstall unterschrieben, doch dies wird sich nun schnell ändern. "Manche haben schon seit Wochen unterschriftsreife Verträge vorliegen", erklärte Holczer. Klassiker-Spezialist Schumacher steht bereits in Verhandlungen mit ausländischen Teams. Kohl wird noch vor dem Start der Deutschland-Tour am Freitag in Kitzbühel bei einem neuen Arbeitgeber unterschreiben, diesen aber erst am 8. September bekannt geben. Den Kletterkönig wird es wohl nach Belgien zu Quick-Step oder Silence-Lotto führen.
Christian Henn, momentan noch sportlicher Leiter in Diensten Holczers, wird wohl beim neuen Schweizer Cervelo-Team anheuern. "Es gab Gespräche, die nun intensiviert werden. Sie wollen ein Team mit deutschen Tugenden aufbauen und sind deshalb an mich herangetreten. Es werden wohl auch ein paar Fahrer mit mir wechseln", erklärte Henn.
Andere Gerolsteiner-Fahrer wie etwa die Tour-Hoffnung Markus Fothen werden beim Milram-Rennstall hoch gehandelt. Teamchef Gerry van Gerwen bestätigte, dass er sich während der Deutschland-Tour mit Holczer zusammensetzen will. "Ich will ihm die Hand reichen und besprechen, was wir auch an Arbeitsplätzen retten können. Heute ist kein guter Tag für den deutschen Radsport", sagte der Niederländer.
Was aus dem studierten Mathematik- und Geschichtslehrer Holczer wird, steht in den Sternen. Er sei für 2009 frei und könne sich vorstellen, im Radsport zu bleiben. Doch zunächst fliegt er am Freitag zum Start der Deutschland-Tour. Die für einen Teamchef späte Anreise hatte eigentlich gute Gründe: "Eigentlich sollte vorher noch ein aussichtsreiches Gespräch mit einem Geldgeber stattfinden." Das Gespräch hat der potentielle Sponsor kurzfirstig abgesagt.
Sollten die anderen noch bestehenden Sponsorenkontakte wie alle bisherigen im Sand verlaufen, werde es Ende Oktober in der Teamzentrale in Gültstein auch zum materiellen Ausverkauf des Teams kommen: "Bis zur letzten Schraube", sagte Holczer.
Die Geschichte des Rennstalls endet damit nach einem Jahrzehnt und über 240 Siegen. Die Doping-Skandale der vergangenen Jahre haben den Ruf des Radsports ruiniert. "Wir sind in keinen der bekannten Skandale verwickelt. Trotz bester Referenzen und vielversprechender Perspektiven fehlt den Entscheidern in den Firmen neben dem Vertrauen vor allem der Mut ein solches Projekt weiterzuführen", meinte Holczer.
fpf/sid/dpa