Riis' Doping-Beichte Arroganter Sünder ohne Reue
"Wo soll das enden?", fragte Bjarne Riis am Ende seiner Pressekonferenz in den Saal. Damit, "dass die Leute zugeben, dass sie ihre Ehefrauen betrogen haben?" Um noch einmal klar zu machen, dass er jetzt endgültig genug vom lästigen Gestehen lässlicher Sünden hat, fügte er später noch höhnisch in Richtung Presse an: "Dass ich zu schnell nach Hause gefahren bin, steht das morgen auch in der Zeitung?"
Der Auftritt von Riis, dem früheren Team-Telekom-Profi, dem Tour-de-France-Sieger von 1996, dem heutigen Leiter des Rennstalls CSC, war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Mit solcher Arroganz, mit der völligen Abwesenheit irgendeines Unrechtsbewusstseins hat wohl noch nie jemand gestanden, jahrelang die ganze Welt dreist belogen und Millionen Euro an Gehältern und Siegprämien kassiert zu haben.
Riis begann sein Geständnis mit den Worten: "Es gibt eine Tendenz, die Dummheiten der Vergangenheit zur wichtigsten Angelegenheit der Gegenwart zu erklären. Ich verstehe das nicht." Irgendwie konnte man die verquere Haltung des Dänen sogar verstehen. Warum soll man all diese hässlichen Dinge von früher überhaupt erzählen, sie ändern ja doch nichts. Als wäre nie etwas gewesen, verknüpfte Riis sein Epo-Bekenntnis mit der Ankündigung, selbstverständlich als CSC-Chef weiterzumachen, und bat seine Sponsoren gleich mal um weitere Gelder. Zur Dopingbekämpfung, natürlich.
Man konnte als Beobachter schon die Aussagen von Rolf Aldag und Erik Zabel halbherzig bis unpassend finden - aber Riis' Unverschämtheiten machten eines überdeutlich: Dopingsünder, die noch im professionellen Radsport aktiv sind, dürfen auf keinen Fall einfach da weitermachen, wo sie vor ihrem Geständnis aufgehört haben. Mal eben vor die Fernsehkameras hüpfen und dann schnell wieder im heimischen Rennstall unterkriechen - das geht nicht. Mit dieser Haltung verliert die Branche auch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, dem man manchen der Akteure noch zugestehen mag.
Es liegt zunächst einmal an den Teams und ihren Sponsoren, zu handeln: Ein Bjarne Riis, ein Christian Henn, ein Rolf Aldag sind als Sportliche Leiter oder Teamchefs ebenso wenig tragbar wie die vielen anderen, die ohnehin bereits als Doper erwischt worden sind.
Wenn Teams und Sponsoren sich taub stellen, müssen Verbände und Veranstalter reagieren. Dass sich der Weltverband UCI stur an Verjährungsfristen klammert und Riis ohne jede Diskussion zusichert, seinen Tour-Titel behalten zu dürfen, zeugt nicht gerade von Willen, Zeichen gegen Doping zu setzen. Die mächtigen Veranstalter der großen Rennen, etwa die ASO bei der Tour de France, sollten zum Schutz ihrer Wettbewerbe überlegen, ob Teams wie T-Mobile, CSC oder Gerolsteiner nicht von den Rennen ausgeschlossen werden, solange sie Dopingsünder in verantwortlicher Position beschäftigen. Eine Reihe anderer Rennställe wäre dann auch betroffen.
Sicher, das wäre ungerecht. Sehr ungerecht sogar. Es würde in erster Linie jene erwischen, die gestehen, während viele, viele andere, die weiter lügen, fröhlich weiter von Sieg zu Sieg fahren, den Ruhm und das Geld kassieren. Dass man sich in anderen Ländern bei anderen Rennställen über die Geständniswelle rund ums Team Telekom mokiert, ist bereits in diesen Tagen beim Giro d'Italia unschwer zu spüren.
Dennoch ist es neben schärferen Gesetzen, Kontrollen und Strafen fast schon die einzige Möglichkeit, den Radsport vor sich selbst und seinen bisherigen Protagonisten zu retten. Wer einen Generationswechsel hin zu sauberen Athleten erzwingen will, muss eindeutig klarstellen, dass Doping mehr Konsequenzen hat, als sich eine Stunde lang den nervigen Fragen irgendwelcher Journalisten zu stellen.
Sich mal eben mit einer Pressekonferenz reinwaschen zu wollen, um sich dann flugs als eifriger Dopingbekämpfer zu profilieren, ist das schlimmste Signal, das junge Radsportler, die vielleicht noch nicht dopen, erhalten können. Schaut mal, heißt die Botschaft, es ist gar nicht so schlimm, was von dem Zeug zu nehmen. Hauptsache, man hat Erfolg und wird - egal wie - bekannt, ist später lieb und nett zu den Medien, den Funktionären und den Teambesitzern. Dann wird einen der Sport schon nicht fallen lassen und an der einen oder anderen Stelle weiter ernähren.
Eine Amnestie für geständige Doper, wie sie zurzeit diskutiert wird, ist dabei gar keine schlechte Idee, um die weiter bestehenden Schweigekartelle zu knacken. Sie kann aber nur bedeuten, dass sich Athleten, wenn sie reden, nicht vor Gefängnisstrafen oder existenzvernichtenden Geldforderungen fürchten müssen, aber ganz sicher nicht, dass sie einfach weitermachen und sich womöglich noch als reuige Sünder feiern lassen.
Das, immerhin, hatte Bjarne Riis sicher nicht im Sinn. Er bereute gar nichts. Er wollte nur schnell nach Hause.