Schach-Kandidatenturnier in Berlin Was ist eigentlich ein Großmeister?

Großmeister Magnus Carlsen bei der Weltmeisterschaft 2016
Foto: Jason Kempin/ Getty Images for Agon LimitedEs war im Frühjahr 1914, der Sankt Petersburger Schachverein hatte zu seinem zehnjährigen Bestehen ein Turnier organisiert, das als eines der bedeutendsten in die Geschichte des Spiels eingehen sollte. Es waren ausschließlich Meister eingeladen, die bereits wichtige internationale Turniere gewonnen hatten. Eine brillante Runde, aus der Zar Nikolaus II. persönlich die fünf Finalisten bei einem Bankett zu Großmeistern des Schachs ernannt haben soll.
Eine schöne Geschichte, die gern erzählt wird als Ursprung des Begriffs für jemanden, der seine Kunst besonders gut beherrscht. Tatsächlich aber ist die Herkunft nicht genau geklärt. Historiker wissen jedoch, dass es schon 1907 ein Großmeisterturnier von Ostende gab. Selbst beim Viermeisterturnier 1895/96 in Sankt Petersburg soll der Begriff des Großmeisters bereits geläufig gewesen sein.
Im Unterschied zu Welt-, Europa- oder Landesmeistertitel wird der Titel Großmeister ehrenhalber vergeben - wenn der Spieler dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt hat. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist der Vorgang, der zur Verleihung der Großmeisterurkunde führt, vom Weltschachbund (FIDE) eindeutig geregelt.
Für die Titelvergabe gelten detaillierte Vorschriften
1950 ernannte die FIDE in einem ersten Schritt 27 Spieler ehrenhalber und offiziell zum "Internationalen Großmeister", darunter Friedrich Sämisch als einzigen Deutschen. 1953 formulierte die FIDE feste Regeln für die Vergabe. Der erste deutsche Spieler, der den Titel Großmeister gemäß des neuen Regelwerks erhielt, war 1954 Wolfgang Unzicker.
Die Voraussetzungen der FIDE wurden im Laufe der Jahre mehrfach geändert. Heute gelten exakte und detaillierte Vorschriften , die in langen Tabellen niedergeschrieben wurden. Um zum Großmeister ernannt zu werden, muss ein Spieler drei sogenannte Großmeisternormen erfüllen. Diese erzielt er im Wesentlichen, wenn er bei einem Turnier eine Elo-Leistung von 2600 oder mehr erreicht.
Die Elo-Zahl ist eine Bewertung der Spielstärke, die der Verband für jeden Turnierspieler anhand einer Formel berechnet, die einst vom ungarisch-amerikanischen Mathematiker Arpad Elo vorgeschlagen wurde.

Schach-Legende Viktor Korchnoi spielt 1980 gegen den damals 14 Jahre alten Nigel Short
Foto: Keystone/ Getty ImagesEin Beispiel: Ein Spieler tritt in einem Turnier gegen neun Gegner an. Diese haben zusammen einen Elo-Schnitt von 2600. Erzielt der Spieler nun vier Siege und ein Remis, dann liegt er gemäß der Formel bei 50 Prozent, ist damit genau so gut wie die Gegnerschaft und hat also eine Elo-Leistung von 2600 erspielt. Um Großmeister zu werden, muss ein Spieler außerdem einmal eine Wertungszahl von 2500 Elo oder mehr erreicht haben.
U-20-Junioren-Weltmeister wird automatisch Großmeister
Welches Turnier geeignet ist, wurde von der FIDE ebenfalls geregelt. Eine wichtige Voraussetzung ist beispielsweise, dass sich unter den Gegnern mindestens drei Großmeister aus drei verschiedenen Ländern befinden und die Gegner ein bestimmtes Mindest-Elo-Niveau mitbringen. Es gibt aber auch einige hochrangige FIDE-Turniere, in denen man durch eine gute Platzierung oder einen Sieg sofort zum Großmeister ernannt wird. So wird der U-20-Junioren-Weltmeister automatisch Großmeister.
Ist ein Titel einmal vergeben, gilt er ein ganzes Leben lang. Weltweit gibt es etwa 1600 Großmeister . In Deutschland sind es 92. Während die Gilde der Großmeister nach dem Zweiten Weltkrieg noch ein exklusiver Kreis war, beklagten viele Spieler schon länger eine Titel-Inflation. Manche schlugen deshalb vor, einen neuen Titel zu etablieren, den des Super-Großmeisters, für Spieler über 2700 Elo.
Schach-Legende Vlastimil Hort erzählt in diesem Zusammenhang gern diese Geschichte: Der russische Spieler Eduard Gufeld hatte gerade seine Großmeister-Urkunde erhalten und sei damit freudig winkend zum großen Viktor Kortschnoi gelaufen: "Guck mal, jetzt sind wir Kollegen", habe er gerufen. "Nein, Eduard", habe Kortschnoi geantwortet, "vielleicht bist du ein Kollege von Damljanovic (ein jüngerer, schwächerer Großmeister; d. Red.), aber nicht von mir!"