Schulz-Debakel Der ewige Verlierer
Halle/Wesfalen Als das demütigende Spektakel endlich vorbei ist und Axel Schulz geschlagen und schwer gezeichnet aus der Halle schleicht, führt sein Weg ihn an Wladimir Klitschko vorbei. "Scheiße", sagt Schulz zu dem Mann, der ihn schon vor sieben Jahren verprügelt hat und jetzt gekommen war, um die Auferstehung eines neuen Axel Schulz zu erleben. Klitschko, der aktuelle IBF-Weltmeister, tätschelt Schulz, dem ewigen Verlierer, die Schulter. Er sieht dabei aus, als müsste er einen kleinen Jungen trösten, der gerade erfahren hat, dass der Weihnachtsmann eine Erfindung der Erwachsenen ist.
"Traurig", ist erst einmal alles, was Klitschko zu dem Desaster einfällt, das 12.000 Zuschauer im Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen und ein Millionen-Publikum vor den Fernsehbildschirmen mit ansehen mussten. Witali Klitschko, der Ex-Weltmeister, findet klarere Worte: "In der fünften und sechsten Runde hat Axel mich an einen Sandsack erinnert."
Da konnte Brian Minto, ein cleverer, aber wahrlich nicht mit übermäßiger technischer Raffinesse ausgestatteter Kämpfer aus den USA, ungehindert auf den schwankenden Axel Schulz einschlagen. Nach 1:30 Minuten der sechsten Runde beendete Ringrichter Joachim Jacobsen das ungleiche Duell. Minto, sieben Jahre jünger als der 38-Jährige Rückkehrer, zehn Zentimeter kleiner und fünf Kilo leichter, hatte das Geschehen bestimmt und mit seiner Linken immer wieder Volltreffer im Gesicht von Axel Schulz gelandet. Schulz schlug, wenn er denn schlug, unkontrolliert in die Luft, warf seine Rechte nach vorn, wenn er sie lieber zur Deckung genutzt hätte, stocherte mit der linken Führhand nutzlos herum. Distanz, Timing, Schlagvorbereitung Schulz machte alles falsch, was ein Boxer falsch machen kann.
"Vor den Kopp gekriegt"
"Brian hat einen guten Kampf gemacht und ich habe schön vor den Kopp gekriegt", gesteht Schulz später ein. Mit der ihm eigenen Offenheit stellt er sich dem Mitleid, der wohl schlimmsten Strafe für einen Boxer. Die tief ins Gesicht gezogene Schirmmütze verdeckt seine blau angelaufenen und geschwollenen Augen nur dürftig, er kämpft mit den Tränen. "Ich habe nicht umgesetzt, was ich wollte, aber ich habe es versucht, das ist das Entscheidende für mich."
Ein Jahr lang hat Schulz sich auf dieses Comeback vorbereitet, in Florida will er sich geschunden haben, dreimal pro Tag. Diesmal sollte alles anders werden. Anders als vor sieben Jahren, als Schulz im Kampf um den EM-Gürtel dem heutigen IBF-Weltmeister Wladimir Klitschko unterlag und nach der vierten Niederlage in 32 Kämpfen (ein Unentschieden/ein Kampf ohne Wertung) seine Karriere beendete. Der neue Axel Schulz war jedoch eine weitaus lethargischere Ausgabe des alten. "Seine Form ist in sieben Jahren nicht besser geworden", kommentiert Vitali Klitschko, "was für ein trauriges Ende".
Den guten Namen aufs Spiel gesetzt
Schon als Schulz am Samstagabend die Halle betritt, schnappt er nach Luft wie ein Goldfisch im Wasserglas. Der Jubel der enthusiastischen Zuschauer zerstört mit einem Schlag die schöne Illusion von der grandiosen Rückkehr. "Als ich da rein kam, hat das richtig reingeknallt, das war, als würde ich gegen eine Wand laufen, da merkst du plötzlich, was auf dem Spiel steht dem war ich nicht gewachsen." Schulz wollte wiederkommen, stärker als vorher, und plötzlich wurde ihm klar, dass das Publikum ihm geglaubt hat und jetzt genau das von ihm verlangte, dass eine kollektive Verdrängung seiner Schwächen stattgefunden hat, dass von ihm erwartet wurde, ein Held zu sein, der Held, der dem deutschen Boxen fehlt.
Doch dem vermeintlichen Helden schwellen schon nach der ersten Runde die Augen zu, und nach der dritten zittern ihm die Beine. Am Ende ist er kein Held, sondern der Verlierer. Wie immer. Und er sagt: "Mit dem Boxtraining ist jetzt Schluss." Schulz-Manager Wolfram Köhler wird derweil blass und blasser und ringt um Fassung. "Wir waren gut im Geschäft, ich weiß nicht, ob wir das noch sein werden, wenn Axel verliert", hatte er vor dem Kampf gesagt. Möglicherweise hat die lukrative Tingelei von Autogrammstunde zu Showauftritt zu Fernseh-Gastspiel jetzt ein Ende. Schulz hat in den vergangenen Jahren von seinem trotz aller Niederlagen immer noch guten Namen gelebt. Doch den hat er jetzt mit einem sportlich fragwürdigen Spektakel aufs Spiel gesetzt.
Zwei weitere Kämpfe mit Axel Schulz sollte es bei RTL mindestens noch geben. Stattdessen ruft jetzt Brian Minto nach einer WM-Chance. Der Mega-Hype rund um den Kampf und die Börse seines Lebens haben dem 31-Jährigen die Sicht auf die Realität wohl ein bisschen vernebelt. Vielleicht war es auch das mutige Intro von RTL, das als Ziel für den Sieger des Abends man war ja schließlich davon ausgegangen, dass das Schulz sein würde Bilder der vier Schwergewichts-Weltmeister Wladimir Klitschko (IBF/Ukraine), Nikolai Walujew (WBA/Russland), Oleg Maskajew (WBC/Kasachstan) und Shannon Briggs (WBO/USA) einspielte.
Nun soll also der in den USA weitgehend unbekannte Minto einen von ihnen herausfordern? "Nee", sagt Witali Klitschko nur. "Nee", erklärt auch Jean-Marcel Nartz, technischer Leiter der Veranstaltung. Da gebe es genug Schwergewichtler ohne WM-Gürtel, die einen Minto verprügeln würden. Und die sich dann in Deutschland damit brüsten könnten, den Schulz-Bezwinger geschlagen zu haben. Manchmal zählen eben Namen, nicht Leistungen. So läuft das Geschäft.