Sabrina Knoll

Sexismus im Sport Ausgereizt

Werden Frauen auf der großen Sportbühne erniedrigt, ist die Empörung groß. Doch es geht nicht nur um ärgerliche Einzelfälle. Sexismus im Sport ist ein strukturelles Problem.
Frauen als Küsschengeberinnen bei der Tour de France

Frauen als Küsschengeberinnen bei der Tour de France

Foto: Yoan Valat/ dpa

Der Darts-Experte beim TV-Sender Sport 1 versteht nicht, was Frauen bei einem professionellen Darts-Turnier zu suchen haben.

Ob sie twerken könne, also in die Hocke gehen und mit dem Hintern wackeln, ist die erste Frage, die der Moderator der gerade gekürten Ballon-d'Or-Gewinnerin Ada Hegerberg stellt.

Gar nicht infrage stellt der Schweizer Fußballverein FC Basel, dass seine Frauenmannschaft Tombola-Lose auf einer opulenten Jubiläumsgala verkauft, auf der das Herrenteam der Stargast ist.

Die Empörung in diesen Fällen aus den vergangenen Wochen war groß. Wie könne denn so etwas heute noch sein? Die Antwort ist so simpel wie frustrierend: Sexismus im Sport ist kein Fall einzelner Idioten. Es ist ein strukturelles Problem.

In unserer Sportwelt werden Frauen immer wieder als Küsschengeberinnen oder Pokalbringerinnen engagiert. Sie dienen als Accessoire, wie ein farblich auf die Trophäe abgestimmtes Einstecktuch. Der Sport befördert die Degradierung zum Beiwerk und sendet damit das Signal, es sei in Ordnung, Frauen auf ihr Äußeres zu reduzieren, sagt Ilse Hartmann-Tews, Leiterin des Instituts für Soziologie und Genderforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln, im Gespräch mit dem SPIEGEL. "Diese Haltung dominiert den Sport so weit, dass Spitzensportlerinnen gar nicht mehr in Bezug auf ihre sportliche Leistung wahrgenommen werden."

Suhl wirbt sexistisch mit Volleyballerinnen

Wie weit diese Signale reichen, zeigt ein Fall, der jüngst in der Volleyball-Welt Aufsehen erregte. Beim Bundesligisten VfB Suhl wirbt der Landkreis Schmalkalden-Meiningen mit dem Schriftzug "prachtregion.de" auf der Hose quer über dem Gesäß der Spielerinnen. Sexistisch sei das, sagen die einen. Ein witziges Wortspiel die anderen. Wieder andere sehen darin gar kein Problem. Po-Werbung sei eine gängige Form des Sponsorings, nicht nur im Volleyball.

Das stimmt. Und das ist genau das Problem. Es geht um die Selbstverständlichkeit, mit der bei der Vermarktung von Sportlerinnen auf körperliche Reize gesetzt wird. "Das entspricht auch dem Skript der Marketingleute und Manager: Bei der Vermarktung von Sportlerinnen steht häufig dort: sex sells", sagt Hartmann-Tews.

Und so wird auch im Volleyball eben mehr über den Spruch statt über die Platzierung diskutiert. "Volleyballerinnen sind ästhetisch und attraktiv. Das sind Eigenschaften, mit denen man sich für die Öffentlichkeit interessant machen kann", sagt Potsdams Sportdirektor Toni Rieger dem Berliner "Tagesspiegel": "Das gehört einfach dazu."

Das sagen auch jene Bundesligavereine, die auf Anfragen des SPIEGEL geantwortet haben. Und sie verweisen darauf, dass die Spielerinnen damit kein Problem hätten. Im Gegenteil. Auch bei Schwarz-Weiß-Erfurt findet man es vielmehr clever, mit fünf Spielerinnen in kurzen Abendkleidern und dem Slogan "Erfurts längste Beine" für die Spiele in der Riethsporthalle zu werben, statt mit - ach, lassen wir das.

"Wenn du gut aussiehst, kommen die Sponsoren"

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Es geht nicht darum, dass sich Sportlerinnen nicht schminken und auch sonst bitte nur in Jogginghose und Turnschuhen herumlaufen sollen. Es geht um verheerende Botschaften, die hier ausgesandt werden. Und die Nachricht hat sich längst herumgesprochen.

"Wenn du Leistung bringst und gut aussiehst, kommen die Sponsoren von allein. Das ist leider so", sagte Langstreckenläuferin Sabrina Mockenhaupt der "Süddeutschen Zeitung". "Ich kenne eine deutsche Läuferin, die hat eine Mega-Entwicklung gemacht und ist so gut - findet aber keinen Ausrüster. Weil sie als langweilig und schüchtern empfunden wird."

Es sind Aussagen wie diese, die aufhorchen lassen müssen. "Oft ist es schlicht nicht verantwortungsvoll, was da gemacht wird, weil es einer Sexualisierung von Sportlerinnen Vorschub leistet", sagt Hartmann-Tews. "Wenn man das dann in einen größeren Kontext stellt, dann ist die Grenze zur Übergriffigkeit auch ganz schnell überschritten." Dann geht es um Machtmissbrauch, um grapschende Trainer, um vergewaltigende Ärzte.

Ja, die öffentliche Empörung über plumpe Moderatoren und dumme Kommentare ist wichtig. Und sie zeigt, dass sich die Sportwelt verändert. Und doch ist es nicht damit getan, ein paar Machos ihre Sprüche um die Ohren zu hauen. So lange nur darüber diskutiert wird, welche Werbung auf dem Gesäß einer Frau ok ist, so lange es für Vereine, Verbände, Veranstalter dazu gehört, Sportlerinnen zu sexualisieren und so lange Sportlerinnen glauben, sich diesen Ansichten beugen zu müssen, so lange dürfen wir uns nicht wundern, dass so etwas heute noch sein kann.

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