Zukunft des Surfens Wettrennen der Wellen-Bauer
Wellenreiten, das ist im Idealfall die Symbiose aus Eleganz und Kraft. Die Eleganz des Surfers, vereint mit der Kraft des Ozeans. Ein Brett und die natürlich geformten Wasserwände, mehr braucht es nicht. Surfen, das ist Purismus. So weit die Theorie.
In der Realität kämpfen Surfer jedoch oft mit einem ganz simplen Problem: schlechten Bedingungen. Denn selbst die berühmtesten Surfspots kreieren selten Perfektion. Zu kleine, zu große oder - immer häufiger - zu verschmutzte Wellen gehören zum Surf-Alltag.
Auch die kontemplative Ruhe, die bis in die neunziger Jahre auf dem Meer die Regel war, ist keine Selbstverständlichkeit mehr: Der Lifestyle boomt, das Gerangel um die besten Wellen wird zunehmend aggressiver. Brauchbare Wellen sind demnach eine begrenzte Ressource - so glaubte man jedenfalls bisher. Dieser Glauben ist einer neuen Hoffnung dreier Firmen gewichen, die fast schon an Goldgräberstimmung grenzt. Sie liefern sich ein Wettrennen um den Markt der perfekten Kunstwelle.
Eine davon ist das spanische Unternehmen Wavegarden: "Im Wavegarden können unvorhersehbare - z.B. wetter- oder auch saisonbedingte - Faktoren ausgeschlossen werden. Diese Revolution im Surfsport macht es möglich, jeden Tag und zu jeder Jahreszeit perfekte Wellen zu genießen", verspricht der Prospekt der Basken.

Geplante Wellenparks: Surfen im Gebirge
Solche Aussagen heizen die Phantasie von Millionen Surfern an. Waveparks, in denen entweder gigantische Pumpen oder motorgetriebene Schlitten perfekte Surf-Bedingungen fernab des launischen Meeres schaffen, sind derzeit das Thema in der Szene.
Dabei ist die Idee gar nicht neu. Bereits 1964 eröffnete in Tokio mit dem Summerland Wavepool das erste Wellenbad, das auch von Wellenreitern genutzt wurde. Dort durften allerdings aus Sicherheitsgründen lediglich Schaumstoffboards gesurft werden, obwohl die Wogen gerade einmal bauchhoch waren.
Ein Vorstoß zur Legitimierung des Indoor-Surfens kam aus dem industriellen Norden der USA: In Allentown, Pennsylvania, sicherte sich der Australier Tom Carroll 1985 die Krone der World Inland Surfing Championships. Carroll, ein bekannter Big-Wave-Surfer, ritt die hüfthohen Chlor-Wogen voller Verachtung, während sich ein Großteil der angereisten Profis lieber am Beckenrand betrank, als an der ihrer Meinung nach würdelosen Veranstaltung teilzunehmen.
Der Titel wurde einige Jahre nicht vergeben, bis sich 1997 Rekord-Weltmeister Kelly Slater bereiterklärte mitzumachen. In der Typhoon Lagoon im Disney Park in Florida lockten schließlich kopfhohe Wasserwände, und "King Kelly" gewann standesgemäß den Titel. Die gleiche Technik, die Disney einsetzte, kopierten die japanischen Betreiber des Ocean Dome Wave Pool in Miyazaki. Das Ergebnis verblüffte die Surfwelt: bis zu drei Meter hohe, perfekt geformte Wellen, in denen sogar Tubes möglich waren. Doch das ambitionierte Projekt wurde von den enormen Kosten ertränkt, 2007 schloss die Anlage für immer die Pforten.
Das Fazit schien eindeutig: Die Erzeugung künstlicher Wellen, die gut genug sind, um langfristig Surfer anzuziehen, ist vor allem wegen des gigantischen Energieaufwands nicht finanzierbar.
"Skater träumen von einem Skate-, Surfer von einem Surfpark"
Neue Nahrung erhielt die Phantasie der Wellenreiter im Februar 2011. Ein Video der Wavegarden-Crew geisterte durch die sozialen Netzwerke, das perfekte Wellen inmitten einer traumhaften Bergkulisse zeigte. Die Surfwelt war elektrisiert, denn diese Szenerie erinnerte so gar nicht an den Chlorgeruch früherer Waveparks. Auch die Rentabilität erschien realistisch. Wavegarden-Entwickler Josema Odriozola sagte: "Unser Stromverbrauch ist um ein Vielfaches geringer als bei bereits existierenden Anlagen."
Im Laufe der Jahre besuchten fast alle internationalen Surfstars die nicht öffentliche Testanlage - nur Kelly Slater blieb fern. Aus gutem Grund: Slater plant, mit seiner Kelly Slater Wave Company selbst die Marktführerschaft in diesem potentiell sehr lukrativen Geschäftsfeld zu übernehmen. Seiner Meinung nach ist die Nachfrage gigantisch: "Skater träumen von einem Skatepark und Surfer von einem Surfpark", so der elfmalige Weltmeister.
Doch nicht nur Surfer erwarten Wunder von der neuen Technologie, auch die Surfindustrie klammert sich an diese Vision. Denn trotz mittlerweile 30 Millionen Surfern weltweit schreiben so gut wie alle großen Ausrüster rote Zahlen. Neue Märkte müssen also erschlossen werden, da kommt die Idee, Einsteiger fernab der Küste zu gewinnen, gerade recht. Auf dem im September im kalifornischen Laguna Beach abgehaltenen Surf Park Summit trafen sich Entwickler künstlicher Wellen mit den Repräsentanten der Surfindustrie, um "die Zukunft des Surfens" zu diskutieren. Fazit: "Wir wollen die Surfkultur größer machen und geografische Grenzen durchbrechen."
Über den Stand der Entwicklung spricht Slater nicht gerne
Der Knackpunkt hierzu wird die Finanzierbarkeit der Parks sein. Die Kosten schwanken zwischen fünf und 70 Millionen Euro. Da ist es nachvollziehbar, dass weder Slater noch sein australischer Konkurrent Greg Webber bisher eine funktionierende Anlage vorweisen können. Die Basken von Wavegarden haben hier also die Nase vorn. Zwar kündigten alle drei Firmen bereits finalisierte Projekte an, doch sowohl Kelly Slater als auch Webber mussten kurz darauf eingestehen, dass ihnen die Investoren für geplante Anlagen in Australien abgesprungen sind. Kelly Slater gab sich bei der Frage nach dem Stand der Dinge jüngst ungewohnt schmallippig: "Kein Kommentar."
Fernando Odriozola vom Wavegarden ist da auskunftsfreudiger. Vor der eindrucksvollen Kulisse der Testanlage sagt der Firmenpressesprecher: "Derzeit gibt es 18 Interessenten weltweit, die bereits die Garantiesumme hinterlegt haben. Sieben dieser Projekte befinden sich in Europa. Einige werden in Küstennähe gebaut, andere im Inland."
Sollten diese Projekte Realität werden, dann könnte das Wellenreiten in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich zum Massensport werden. Aber ob diese Variante des "Sports der Könige" dann noch als Natursportart durchgeht, sei dahingestellt.