Surfstar Dane Reynolds Rebell auf der Welle
SPIEGEL ONLINE: Herr Reynolds, der zehnfache Surf-Weltmeister Kelly Slater hält Sie für seinen einzig legitimen Nachfolger. Ein Ritterschlag. Wann sehen wir Sie auf dem Sieger-Podium?
Reynolds: Wahrscheinlich niemals, denn so ein Titel bedeutet mir überhaupt nichts. Für mich sind andere Dinge wichtig.
SPIEGEL ONLINE: Was denn zum Beispiel?
Reynolds: Mich als Mensch weiterzuentwickeln, jeden Tag etwas Neues zu lernen, zu reisen, Wege zu finden, mich auszudrücken. Surfen ist phantastisch: Man geht raus in den Ozean, gleitet auf sich bewegenden Wassermassen und kommt als glücklicher Mensch an den Strand zurück. Wellenreiten ist eine Kunstform. Und die will ich so ausüben, wie ich es fühle.
SPIEGEL ONLINE: Nachdem Sie eine Knieverletzung Anfang des Jahres davon abhielt, bei den ersten Events der Saison an den Start zu gehen, haben Sie die letzten beiden Wettbewerbe in Südafrika und Tahiti ohne Angabe von Gründen sausen lassen. Nun sind Sie vergangene Woche in New York beim Turnier ihres Sponsors ebenfalls nicht antreten. Warum?
Reynolds: Im Moment habe ich eine Rippenverletzung, daher konnte ich in New York nicht surfen. Davor habe ich mich anderen Projekten gewidmet. Einen Großteil der vergangenen Monate war ich in Japan und habe mit Kai Neville, dem Regisseur von "Modern Collective" und "Lost Atlas", gefilmt. Wir befanden uns mitten in der Taifun-Saison und hatten unglaublich gute Wellen. Ich bin im Moment einfach nur noch heiß darauf, zu reisen und mich von jungen Surfern inspirieren zu lassen. Mit 19 Jahren ist man so pur und ungeschliffen. Und das sieht man im Surfstil der Jungs. Sie sind kreativ und anarchisch.

SPIEGEL ONLINE: Elemente, für die eigentlich Sie stehen.
Reynolds: Vielleicht. Doch oft scheint es mir, als hätte ich diese Eigenschaften verloren. Ich versuche im Moment, diese Seite von mir wiederzufinden. Die wichtigste Zeit als Surfer hatte ich, als ich noch gar nicht an der Küste wohnte und mit einem Freund nur am Wochenende an den Strand kam. Wir waren vielleicht zwölf Jahre alt und teilten uns ein Board. Das waren die besten Tage meines Lebens.
SPIEGEL ONLINE: Das klingt nach Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Was ist passiert?
Reynolds: Der Wettkampf verändert einen, ich habe es selbst erlebt. Und ich fürchte, das haben auch junge Stars wie John Florence und Kolohe Andino vor sich, mit denen ich in Japan unterwegs war. Durch das Profi-Surfen wird man in eine Form gepresst. Kreativität und Spontaneität gehen verloren. Dabei sind das die wichtigsten Eigenschaften.
SPIEGEL ONLINE: Wenn sie so wichtig sind, warum gehen sie dann beim Wettkampf-Surfen verloren?
Reynolds: Ganz einfach: Wer im Wettkampf erfolgreich sein will, muss Konstanz zeigen. Es geht darum, sein Können in ein hübsches, kleines Paket zu verpacken, das man im Rahmen von 30 Minuten präsentiert. Man darf nicht stürzen, nichts riskieren. Da bleibt kein Platz für Experimente. Doch Surfen ist eigentlich wild, ein einengendes Format ist einfach falsch.
SPIEGEL ONLINE: Wie groß ist der Druck, wenn man als Profi im Rampenlicht steht?
Reynolds: Ich bin schon früh gesponsort worden. Dadurch war unausgesprochen klar, welche Ziele ich zu verfolgen habe: bei der Worldtour einsteigen und Weltmeister werden. Die Sponsoren, die Öffentlichkeit und die Medien erwarten von dir, dass du damit glücklich bist. Äußerst du Zweifel an diesen Zielen, dann wird es schwer. Doch viele Jahre seines Lebens damit zu verbringen, mit anderen Surfern um Wellen und Punkte zu kämpfen - ich weiß nicht so recht. Da habe ich ambitioniertere Ziele.
SPIEGEL ONLINE: Ihre Zweifel äußern Sie auch öffentlich. In einem Interview sagten Sie kürzlich: "Die Surfszene ist in einem durchgedrehten Zustand." Können Sie den Vorwurf erläutern?
Reynolds: Ich meinte damit, dass der Szene die Natürlichkeit verloren geht, für die Surfen eigentlich steht. Es geht nur noch um's Verkaufen, seit das große Geld Einzug gehalten hat.
SPIEGEL ONLINE: Auch Sie zählen zu den Großverdienern des Sports.
Reynolds: Ja, das stimmt. Und mit allem, was ich tue, wird Umsatz gemacht.
SPIEGEL ONLINE: Im April dieses Jahres haben Sie den Vertrag mit ihrem Ausrüster verlängert, der vorsieht, dass Sie Produkte mit ihrer Signatur entwickeln. Sehen Sie keinen Widerspruch zwischen der Tatsache, dass Sie als Angestellter eines Branchenriesen Millionen verdienen und gleichzeitig als Anführer einer antikommerziellen Gegenbewegung in der Surfszene gelten?
Reynolds: Mir hat die Zusammenarbeit mit meinem Hauptsponsor in letzter Zeit immer mehr Spaß gemacht. Klar, es geht in erster Linie darum, mit meinem Namen T-Shirts und Shorts zu verkaufen. Das ist mir klar. Doch dann designe ich diese Kleiderlinie lieber selbst und kann mich mit ihr identifizieren, als für irgendeinen geschmacklosen Kram herhalten zu müssen. Und diese Freiheit habe ich durch meinen neuen Vertrag.
SPIEGEL ONLINE: Neben Ihrer Profikarriere haben Sie in den letzten Jahren ein Videoblog aufgebaut, das mittlerweile zu einer der meistbesuchten Surf-Websites wurde. Was wollen Sie mit den Filmen ausdrücken?
Reynolds: Ich versuche nur, einen Gegenpol zu den auf Hochglanz polierten Surffilmen der großen Marken zu schaffen. Solche Videos sind elitär, denn sie zeigen nur das Allerbeste, Fehler werden weggeschnitten. Aber das ist nicht die Realität. Ich will Filme sehen, in denen dem Surfer nicht alles gelingt. Also drehen wir auch an Tagen, an denen die Wellen und das Licht nicht perfekt sind. Tage aus dem Leben eines normalen Surfers. Darüber hinaus habe ich Spaß daran gefunden, mit Kameras, Schnitt und Musik zu experimentieren.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind bekannt dafür, an ausgefallenen Orten zu surfen. Haben Sie sich schon einmal in die Nordsee getraut?
Reynolds: Nein, noch nie. Aber es kann gut sein, dass wir für den nächsten Film auch nach Deutschland kommen, denn wir wollen Plätze besuchen, von denen die Welt nicht weiß, dass man dort surfen kann. Jetzt brechen wir bald ans Schwarze Meer auf. Ich kann es kaum erwarten!