Deutsche Tennis-Krise Warten auf den neuen Boris Becker

Mischa Zverev: Sein Bruder Alex gilt als Hoffnungsträger
Foto: John G. Mabanglo/ dpaHamburg - Wieder einmal blieb den deutschen Tennisprofis beim Masters in Indian Wells nur das Nachsehen. Benjamin Becker, 34, Jan Lennard Struff, 24, und Mischa Zverev, 27, verloren ihre Erstrundenpartien jeweils deutlich in zwei Sätzen. Dabei zogen sie nicht gegen Federer, Djokovic oder Nadal den Kürzeren, sondern gegen Mannarino, Smyczek und Kokkinakis. Drei Spieler, die sich in der Weltrangliste auf den Plätzen 38, 82 und 682 befinden und auf der ATP-Tour noch kein einziges Turnier gewinnen konnten.
Die deutschen Männer stecken momentan in einer der größten Krisen in der 113-jährigen Geschichte des DTB. Während die Frauen international konkurrenzfähig sind und bei großen Turnieren das Halbfinale, sogar das Finale erreichen, wie es Sabine Lisicki 2013 in Wimbledon gelang, haben die Männer auf großer Bühne kaum Erfolgserlebnisse zu feiern. Doch woran liegt das? Was ist seit den großen Zeiten von Boris Becker und Michael Stich in den Achtziger- und Neunzigerjahren passiert?
Geld, Geld, Geld
Sussan Karimi ist Managerin bei Rot-Weiß Köln, einem Verein, dem mittlerweile der Aufstieg in die 1. Bundesliga geglückt ist. Wenn Karimi die Krise zu erklären versucht, kommt sie immer wieder auf das Thema Geld zu sprechen. "Natürlich würden wir in unserem Verein gerne mehr auf deutsche Spieler setzen", sagt Karimi. "Aber ein deutscher Spieler verlangt in der Regel nun mal doppelt so viel Geld wie ein ausländischer."
In der ersten Mannschaft von RW Köln spielen momentan unter anderem Marco Pedrini (Italien), Filip Prpic (Schweden) und Benoit Paire (Frankreich). Letzterer rangiert in der Weltrangliste auf Platz 89. Im Nachwuchsbereich wird ebenfalls vermehrt auf nicht deutsche Spieler gesetzt.
Auch die klimatischen Umstände machen es Vereinen schwerer, Talente zu fördern. Sieben Monate dauert in Deutschland die Hallensaison, in Spanien, einer Nation die in den vergangenen sieben Jahren dreimal den Davis-Cup gewinnen konnte, können junge Talente mitunter ganzjährig draußen trainieren. "Eine einzige Hallensaison kostet die jungen Talente bis zu 700 Euro. Das kann sich heutzutage kaum jemand leisten", sagt Karimi.
"DTB sieht zu, wie Turniere aussterben"
Der ehemalige Weltklasse-Spieler und Davis-Cup-Sieger Marc-Kevin Goellner kritisiert hingegen die fehlende Bereitschaft zu investieren. "Der DTB sieht dabei zu, wie wichtige Tennisturniere in Deutschland aussterben." Vor allem die sogenannten Future-Turniere, die laut Goellner für junge Talente von großer Bedeutung sind, finden in den Planungen des DTB kaum noch Beachtung.
In den Neunzigern hatte man in Deutschland noch ein gesundes Klubsystem. Talentierte Spieler wurden pro Saison mit 50.000 bis 70.000 Mark ausgestattet, um ihre Karrieren voranzutreiben. Goellner, der 1993 an der Seite von David Prinosil das Finale der French Open erreichte, glaubt, dass unter den Landesverbänden ein großer Konkurrenzkampf herrscht. Momentan arbeite man nicht mit-, sondern gegeneinander. Zusammenhalt ist in den Augen des 44-Jährigen aber eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Arbeit.
Hoffnungsträger Zverev
Letztendlich, da sind sich Goellner und Sussan Karimi einig, ist der Vereinssport für viele Spieler nur ein Mittel zum Zweck. Durch die Einnahmen finanzieren Spieler wie Dustin Brown und Benoit Paire die Teilnahme auf der ATP-Tour, die finanziell deutlich lukrativer ist als der Ligabetrieb in Deutschland.
Von Dustin Brown, der in der kommenden Saison für RW Köln aufschlagen wird, erhofft sich Karimi mehr als nur sportlichen Erfolg. "Dustin ist ein echter Typ, der die Zuschauer und Fans mitreißen kann", schwärmt Karimi vom 30-jährigen Deutsch-Jamaikaner. Vor allem junge Menschen soll er für den Tennissport begeistern.
Vielleicht muss er das gar nicht. Mit Alexander Zverev, dem Bruder des oben erwähnten Mischa, steht immerhin ein großes deutsches Talent in den Startlöchern. Der Junioren-Grand-Slam-Sieger von 2014 ist die größte Hoffnung des DTB, aus der Krise zu kommen. Und die einzige.