Rafael Buschmann

Mutmaßlicher Wettbetrug im Tennis Das perfekte Verbrechen

Betrug, Manipulationen, Vertuschung - schwerwiegender könnten die Vorwürfe kaum sein, die den Tennissport erschüttern. Aufklären lassen werden sie sich kaum.
Tennis in Melbourne: Wettbetrug juristisch schwieriger zu belegen als Doping

Tennis in Melbourne: Wettbetrug juristisch schwieriger zu belegen als Doping

Foto: JASON REED/ REUTERS

Der Wettbetrug ist eines der florierendsten Kriminalitätsfelder der Neuzeit. Die Gewinne sind riesig, die juristische Verfolgung kompliziert, die Strafen im Verhältnis zum Drogen- oder Menschenhandel lächerlich niedrig.

Weltweit wird pro Jahr rund eine Billion Euro mit Sportwetten umgesetzt, das ist annähernd so viel wie der gesamte deutsche Exportumsatz. Rund 70 Prozent der Wetten entfallen auf den Fußball. Und das Geschäft wächst und wächst.

Boxen, Handball, Leichtathletik und sogar Darts geraten immer mehr ins Visier der organisierten Kriminalität. Der Wettbetrug ist weiterhin die einfachste Form der Geldwäsche, die im besten Fall sogar mit einer Maximierung des Einsatzes einhergeht. Nicht einmal das von Mafiaorganisationen so gerne betriebene Waffengeschäft bietet eine solch ertragreiche Kombination.

Seit Jahren Hinweise auf gefixte Ergebnisse

Wer das weiß, den überrascht es nur wenig, dass nun auch wieder die betrügerische Seite des Tennissports in die Schlagzeilen gerät.

Am Eröffnungstag der Australian Open veröffentlichten die BBC und "BuzzFeed" Texte, die eine Eruption auslösten: Bis zu 16 aktuelle und ehemalige Spieler der Top 50 sollen Spiele verschoben haben, sogar in Wimbledon, dem Allerheiligsten des Tennis.

Chris Kermode, der Chef der Männertour ATP, bestreitet das zwar vehement. Spricht man aber mit Buchmachern, Ermittlern und Wettexperten, so halten sie die Zahl der manipulierten Spiele sogar für "erheblich höher". In der Tat gibt es seit Jahren immer wieder Hinweise auf gefixte Ergebnisse, immer wieder geraten Spieler ins Blickfeld von Ermittlern. 18 Profis wurden in den vergangenen Jahren von den Tennisverbänden gesperrt, sechs davon sogar lebenslang. 14 Millionen Dollar wurden dafür ausgegeben. Man könnte auch sagen: verbrannt.

Wie Don Quijote gegen die Windmühlen

Denn der Kampf der Verbände gegen den Wettbetrug wirkt derzeit so effizient wie der von Don Quijote gegen die Windmühlen. Beim Tennis gibt es Wettmöglichkeiten auf einzelne Punkte, Sätze, Spielausgänge, auch -abbrüche, und sogar auf Doppelfehler oder die Verzögerung des Spielbeginns. Ein Spieler kann also problemlos sein Spiel gewinnen und trotzdem mit mehreren "kleineren" Systemmanipulationen Millionenwettgewinne generieren. Insbesondere auf dem völlig anarchischen asiatischen Wettmarkt, wo Einsätze ohne Limit möglich sind, können Gewinne erreicht werden, die für Wettpaten und Sportler gleichermaßen reizvoll sind.

Wie sollen Sportbehörden für einen solchen Betrug Beweise beibringen? Wie soll - abseits von Geständnissen - zwischen sportlichem Versagen und vorsätzlicher Manipulation unterschieden werden? Es ist beinahe unmöglich.

Der Wettbetrug ist juristisch viel schwieriger zu belegen als beispielsweise die Einnahme von Dopingmitteln, wo der Bluttest Gewissheit bringt. Beim Wettbetrug bedarf es Telefonüberwachungen, Kontenüberprüfungen, Observationen und Razzien. Nichts davon können Sportverbände leisten. Vielen Polizeibehörden aber ist diese Arbeit angesichts schleppender internationaler Zusammenarbeit zu aufwändig und auch technisch zu kompliziert.

Derzeit ist Wettbetrug ein nahezu perfektes Verbrechen.

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