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Tod von Segel-Olympiasieger Das konstruierte Risiko

Segler Andrew Simpson kenterte vor San Francisco und starb. Der Katamaran, mit dem er und sein Team trainierten, gilt als das am schwierigsten zu steuernde Schiff der Welt. Ein bewusst in Kauf genommenes Risiko: Damit der Sport telegener wird, werden die Boote schneller und größer.

Andrew Simpson starb mittags. Es war zwischen 12.30 und 13 Uhr am Donnerstag, als der Engländer und sein Team in der Bucht von San Francisco segelten. Sie waren mit einem Katamaran vom Typ AC72 unterwegs, trainierten für den America's Cup, die berühmteste Segelregatta der Welt, als das Boot kenterte. Warum, ist noch unklar. Rund zehn Minuten war Simpson unter dem Schiff eingeklemmt, wahrscheinlich ist er ertrunken.

Nach dem Tod des 36-Jährigen stellt sich die Frage: Hätte dieses Unglück vermieden werden können?

Man kann sich einer Antwort wohl nur annähern. Segeln ist ein komplexer Sport, ein Zusammenspiel von Material und Können. Unfälle passieren häufig, gekenterte Schiffe gibt es bei jeder Regatta, mal liegt es an einem Konstruktionsfehler, mal an menschlichem Fehlverhalten. Vor allem aber sind Unfälle fast unvermeidbar in dieser High-Tech-Sportart, die immer neue Rennmaschinen produziert.

"Der Trend geht zu immer größeren und schnelleren Yachten. Unfälle sind Teil des Geschäfts", hatte Rolf Vrolijk schon vor zwei Jahren dem SPIEGEL gesagt . Seine Worte wirken heute wie eine böse Prophezeiung. Der Niederländer ist Chefdesigner des Teams Alinghi, mit dem er zweimal den America's Cup gewann. Er betreibt die Yachtdesign-Firma Judel/Vrolijk & Co. in Bremerhaven, einer seiner Schiffbauingenieure ist Matthias Bröker, selbst Segler, der im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE sagt: "Besonders im America's Cup gilt das Motto: höher, schneller, weiter. Die Schiffe sind heute mehr denn je auf Kante konstruiert, es gibt keine Reserven mehr."

Das Schiff, mit dem Simpson in der San-Francisco-Bay verunglückte, hat die Typ-Bezeichnung AC72. "Fliegende Schiffe" betitelte der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe einen Artikel über diese Katamarane, die bis zu 80 Stundenkilometer schnell werden. Dabei können sie vollständig aus dem Wasser abheben, nur Schwert und Ruder haben dann noch Kontakt zum Element.

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America's Cup: Olympiasieger stirbt bei Segelunfall

Foto: JED JACOBSOHN/ REUTERS

Es ist das Standardboot, mit dem im Sommer dieses Jahres alle Teams beim America's Cup teilnehmen. Die Regatta findet vor San Francisco statt, deswegen trainierten Simpson und sein schwedisches Artemis-Team dort mit einer AC72. Das Schiff ist 22 Meter lang (72 Fuß, daher die Bezeichnung), 14 Meter breit und sechs Tonnen schwer. Das sind die Rahmenbedingungen für alle Teams, die aber selbst die Feinjustierung des zehn Millionen Euro teuren Schiffes vornehmen. Eine hoch geheime Angelegenheit, weshalb zum Beispiel am Boot des Oracle-Teams rund 150 Sensoren angebracht sind, die technische Daten liefern.

"Es ist ein Drahtseilakt. Wir loten die Grenzen der Belastbarkeit aus", sagt James Spithill, Skipper des Oracle-Teams, dem SPIEGEL. Schiffbauingenieure Bröker aus Bremerhaven sagt: "Es ist wie in der Formel 1, jeder versucht das Maximale rauszuholen. Und man will mit jeder Schiffsgeneration die vorherige übertreffen."

Das Prolem hat sich der Segelsport selbst geschaffen. Um telegener zu werden, mussten größere und schneller Boote her. Russell Coutts, eine neuseeländische Segellegende, Segelyachtdesigner und einer der Verantwortlichen für die Organisation und Ausgestaltung des diesjährigen America's Cup, hatte schon vor zwei Jahren in einem Gespräch mit dem SPIEGEL gesagt: "Wir Segler brauchen Veränderungen. Ein junges Publikum. Die Facebook-Generation." Segeln müsse zum "Fernsehsport" werden, daher sind bei der diesjährigen Auflage spektakuläre Bild- und Tonübertragungen geplant, sowohl aus der Luft als auch von den Schiffen selbst.

Segeln will attraktiver werden, dabei wird es auch gefährlicher. Wenn ein solcher Katamaran über das Wasser gleitet und umkippt, können die Crewmitglieder aus bis zu 22 Metern auf das Wasser fallen, womöglich auf das Material. "Das ist wie ein Sturz aus dem vierten Stock", sagt Yachtdesigner Vrolijk.

Als der Niederländer mit dem Alinghi-Team noch am Start war, galt der America's Cup auch als ein Wettstreit der Schiffbauer. Damit soll dieses Jahr Schluss sein, daher ist nur die AC72 als Bootstyp zugelassen. "Diesmal geht es wirklich um die seglerischen Fähigkeiten. Und kein Boot ist schwerer zu segeln als die AC72", sagt Oracle-Skipper Spithill: "Jeder Fehler kann katastrophale Folgen haben."

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