

In den Grünanlagen des Hotels "Aloe" in Les Herbiers waren ein Däne mit einem lachenden und ein Däne mit einem grimmigen Gesicht zu sehen. Brian Nygaard, Teamchef von Leopard Trek, strahlte. Ein Massensturz acht Kilometer vor dem Ziel der ersten Etappe der Tour de France hatte seinem Spitzenfahrer Andy Schleck einen Vorsprung von einer Minute und 16 Sekunden auf den Titelverteidiger Alberto Contador beschert. "Das war ein guter Anfang", sagte er SPIEGEL ONLINE.
Nygaard betonte aber, dass die Tour noch lange nicht entschieden sei, selbst wenn der Vorsprung Schlecks auf Contador nun fast doppelt so groß ist wie die Differenz, die beide Fahrer im vergangenen Juli bei der Zieleinfahrt in Paris trennte. "Man kann das Rennen vom letzten Jahr nicht mit diesem vergleichen", sagte Nygaard und fügte hinzu: "Wenn wir diesen Vorsprung nach den Pyrenäen haben, wäre mir viel wohler ums Herz."
Sein früherer Chef und Lehrmeister Bjarne Riis hielt sich am anderen Ende der Hotelanlage nahe eines Swimmingpools auf. Er nestelte an der gelben Armbanduhr an seinem Handgelenk und behauptete mit steinernem Gesicht: "Der heutige Tag hat noch gar nichts entschieden. Das ist eine schlechte Episode, klar, aber ich werde jetzt nicht anfangen, meine Mannschaft zu kritisieren."
Schleck profitiert von der richtigen Strategie
Dass sich der Däne hinter verschlossenen Türen an diese Vorgabe hält, ist nicht zu erwarten. Zu eklatant war das Fehlverhalten seiner Fahrer. Sie hielten sich auf den engen Straßen zu lange zu weit hinten auf. Als der Kasache Maxim Iglinsky mit einer ausgerechnet in der Tourfarbe gelb gekleideten Frau kollidierte und gleich mehr als ein Dutzend Fahrer über ihn purzelten, wurde der komplette Saxo Bank-Zug aufgehalten.
Die weiter vorn befindlichen Fahrer, unter ihnen die beiden Schleck-Brüder, der Schweizer Fabian Cancellara, Linus Gerdemann und zwei weitere Leopard-Profis, profitierten von der Kampfkraft und der richtigen Taktik des Teams Radioshack. Dessen Teamchef Johan Bruyneel, der auf Contador seit dessen Streit mit Lance Armstrong in fernen Astana-Zeiten gar nicht gut zu sprechen ist, erkannte als erster die große Gelegenheit zu einer Vorentscheidung.
Gnadenlos ließ er seine Fahrer Tempo bolzen. Das improvisierte Mannschaftszeitfahren zwischen Radioshack und Saxo Bank endete mit einem klaren Sieg für die Amerikaner. Beim regulären Mannschaftszeitfahren am Sonntag (14.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) in Les Essarts sind weitere Rückstände für Contador zu erwarten, zumal sich Leopard dank der Radioshack-Performance etwas schonen konnte.
"Zum Radsport gehören solche Dinge einfach dazu"
"Radsport bedeutet nicht nur, in Pedalen zu treten. Man braucht dazu auch Köpfchen", sagte Andy Schleck und konnte seine Schadenfreude nur schlecht verbergen. Zwar sagte der Luxemburger: "Es ist nicht schön, auf diese Art und Weise Zeit zu gewinnen." Er erklärte aber auch: "Zum Radsport gehören solche Dinge einfach dazu. Wir haben sehr viel investiert, um an dieser Stelle der Strecke weiter vorn zu sehen. Wir wussten, dass es hier gefährlich werden kann."
Für gewonnen hält der Luxemburger die Tour de France aber noch lange nicht. Das Missgeschick, das Contador passiert ist, kann in den nächsten Tagen in der welligen und Wind gepeitschten Vendée auch anderen geschehen. Die Nervosität des gesamten Feldes ist ein zusätzlicher Risiko-Faktor. Auch zwei Kilometer vor dem Ziel gab es einen Massensturz, in den Schleck verwickelt war. Weil sich dies innerhalb der Sturzzone von drei Kilometern ereignete, wurde er mit der gleichen Zeit wie der Tagesdritte Thor Hushovd gewertet.
Contador konnte sich nur mit zwei Dingen trösten. Wegen der dramatischen Ereignisse beim Etappenfinale geriet seine Clenbuterolaffäre wenigstens für einen Tag in den Hintergrund. Und er gewann das Rennen nach dem Rennen. Der Spanier traf als Erster im von Saxo Bank und Leopard Trek geteilten Teamhotel ein.
Während sein Luxemburgischer Rivale sich nach dem unverhofften Vorsprung von einer Minute und 14 Sekunden noch lange im Zielbereich aufhielt und den Journalisten Rede und Antwort stand, schnappte sich der frustrierte Spanier sein Rennrad und radelte auf eigene Faust ins Hotel. Dort zog er sich schnell in sein Zimmer zurück. Contador ließ sich nicht einmal in dem Küchencontainer blicken, in dem ein von Saxo Bank engagierter Koch das Essen für die Fahrer zubereitete.
Auf dem Container sind nur Bilder von Früchten und Gemüse angebracht. Fleisch sucht man dort vergebens. Jetzt hat der Mann, der seit der "Steak-Affäre" von der letzten Tour de France nach eigenen Angaben unter die Vegetarier gegangen ist, ein doppeltes Handicap. Er muss ganz ohne die in einem saftigen Stück Fleisch gespeicherte Kraft einen großen Rückstand aufholen.
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