
Tour de France: Strampeln gegen das miese Image
Tour de France Der letzte Ritt der Dopingveteranen
Eine Tour der Leiden ist die Tour de France für die Fahrer seit jeher, für Fans seit mindestens zehn Jahren. In dieser Zeit ist sie zum Synonym für Doping im Spitzensport geworden, die Helden von einst sind nur noch verachtete Sünder. Und jedes Jahr vor dem Start rätselt die Sportwelt: Wie sauber ist die Tour? Wer wird erwischt? Wie glaubwürdig sind die neuesten Beteuerungen nach all den Lippenbekenntnissen, nach all den Dopingrückfällen?
Ab Samstag ist es wieder so weit: Die 97. Tour startet in Rotterdam. Eine faszinierende Veranstaltung erhält ihre nächste Bewährungschance.
Die Tour de France ist längst zum Exerzierfeld der Debatten um einen sauberen Sport geworden. Die Verfechter der Tour verweisen darauf, dass 2009 kein einziger Profi während der großen Frankreich-Schleife aufgeflogen ist. Aus Sicht der Kritiker, zu denen zum Beispiel die französische Anti-Doping-Agentur AFLD gehörte, lag das allerdings nur daran, dass die Tests des Weltverbandes UCI zu ineffektiv und halbherzig vorgenommen worden seien. Das zumindest soll in diesem Jahr anders werden: AFLD und UCI arbeiten diesmal zusammen, um Lücken im Kontrollsystem zu stopfen.
Ein besonderes Auge werden die Fahnder auf die Rückkehrer in die Tour-Familie werfen: Den Italiener Ivan Basso zum Beispiel, aktueller Sieger des Giro d'Italia und nach Abbrummen seiner Dopingsperre ebenso dabei wie der Kasache Alexander Winokurow. Tourdirektor Christian Prudhomme hat beide wieder in Gnade aufgenommen - und beiden traut man sogar wieder zu, im Kampf um den Gesamtsieg eine Rolle zu spielen. Wobei Winokurow allerdings zuerst Helferdienste zu verrichten hat. Im Unterschied zu Basso ist er nicht der Chef im Team: Die Rolle hat im Astana-Team unbestritten Titelverteidiger Alberto Contador inne. Der Spanier ist der ganz große Favorit auf das Gelbe Trikot.
Armstrong wie ein alternder Löwe
Daran ändern auch die Töne des siebenfachen Toursiegers Lance Armstrong wenig. Für den US-Amerikaner soll es nach eigenem Bekunden die letzte Tour seiner Karriere sein. Der 39-Jährige hat Contador, mit dem er im Vorjahr noch in einem Team fuhr, den Kampf angesagt: "Ich bin gerüstet. Ich kann die Tour gewinnen." Allerdings klingen solche Sätze langsam wie das Brüllen eines alternden Löwen. Armstrong hat im Vorjahr widerwillig anerkennen müssen, dass der Spanier der Stärkere war. Er hat die Konsequenzen daraus gezogen, ein eigenes Team aufgemacht und mit Andreas Klöden und dem Amerikaner Levi Leipheimer alte Fahrensmänner um sich geschart.
Armstrong, Klöden, Leipheimer - sie alle stehen für den alten, für den belasteten Radsport. Armstrong und Leipheimer wehren sich zurzeit wieder gegen Dopinggerüchte, die Ex-Kollege Floyd Landis, der überführte Toursieger von 2006, gestreut hat. Klöden, einst Edelhelfer von Jan Ullrich und einer der deutschen Radsportlieblinge, wird immer wieder mit den Dopingpraktiken des damaligen Teams Telekom in Verbindung gebracht. Bewiesen ist allerdings nichts. Er selbst winkt bei dem Thema nur noch ab, redet nicht mehr mit deutschen Journalisten und hat verkündet, "nie mehr" für Deutschland starten zu wollen.
Hauptkonkurrent für Contador, auch er nicht frei von Dopingverdächtigungen, wird aller Voraussicht nicht der alternde Armstrong, sondern der aufstrebende Luxemburger Andy Schleck, Zweiter im Vorjahr. Schleck ist gemeinsam mit Contador vielleicht der beste Kletterer - allerdings hat er mit einer unruhigen Vorbereitung zu kämpfen. Eine Woche vor Tourstart sind die Spannungen in Schlecks Saxo-Bank-Team explodiert. Teamchef Bjarne Riis hat den sportlichen Leiter Kim Andersen gefeuert, Schleck und sein Bruder Fränk haben ihren baldigen Abschied von Saxo Bank angekündigt. Der Konzentration auf die Tour hat das nicht unbedingt genutzt.
Pyrenäen sind diesmal der Prüfstein
Und die wäre nötig - das diesjährige Streckenprofil verheißt eine schwere Rundfahrt: Viermal müssen die Fahrer durch die Pyrenäen, die vor exakt 100 Jahren erstmals ins Tour-Programm aufgenommen worden waren. Zuvor werden die Profis schon auf der dritten Etappe übers belgische Kopfsteinpflaster gejagt, anschließend müssen sie sich in den Alpen nach Morzine hochquälen.
Für Jens Voigt ist das alles nichts neues. Der 38-jährige Berliner im Dienst von Saxo Bank fährt seine 13. Tour de France und ist einer von 15 deutschen Fahrern im Peloton. Chancen auf vordere Plätze im Gesamtklassement hat wohl keiner von ihnen. Zeitfahrspezialist Tony Martin und Sprinter Gerald Ciolek schielen zumindest auf Etappensiege.
Armstrong wird nach dieser Tour aufhören - mit fast 39 Jahren. Winokurow ist auch bereits 36 Jahre alt, Basso 32, Klöden 35. Nach und nach verabschieden sich die Veteranen des Profiradsports. Eine ganze Fahrer-Generation tritt ab - behaftet mit dem Makel, die Generation zu sein, in der Profiradsport mit Doping gleichgesetzt wurde.
Erst wenn sie weg ist, bekommt die Tour tatsächlich ihre neue Chance.