
Turner Philipp Boy: Karriereende nach Verletzungen
Rücktritt von Turner Boy "Jetzt fühle ich mich frei"
Philipp Boy wirkt angespannt, aber keineswegs unsicher, als er eine der folgenreichsten Entscheidungen seines Lebens verkündet - seinen Rücktritt. "Es war keine einfache Entscheidung, aber ich fühle mich mit damit wohl und weiß, dass sie richtig ist." Der Turner lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er mit sich im Reinen ist. Sein Rücktritt vom Leistungssport hatte sich in den letzten Wochen bereits angekündigt, nun ist er ausgesprochen - mit gerade mal 25 Jahren. "Jetzt fühle ich mich frei", sagt Boy.
Mit Boy tritt der erste Turner einer herausragenden Generation ab, jenem goldenen Jahrgang zu dem auch Fabian Hambüchen und Marcel Nguyen gehören und der seit der Weltmeisterschaft 2007 für zahlreiche Medaillen gesorgt hat. Unter den Kandidaten des Seniorenkaders ist momentan kein Ersatz für Philipp Boy in Sicht. Die Lage bei den Junioren, die für das Olympia-Team 2016 in Rio in Frage kommen, ist wohl noch schlechter.
Verkündet hat er sein Karriereende in Stuttgart, am Rande des Turn-Weltcups. Man glaubt ihm, dass er sich über das große Medieninteresse freut und ahnt: Er hat sich vorbereitet auf diesen letzten Auftritt. Der Vize-Mehrkampfweltmeister von 2010 und 2011 nennt eine Reihe von Gründen für sein Karriereende. "Wenn ich es für mich nicht sehe, dass ich in vier Jahren eine Medaille gewinnen kann, dann ist der nächste logische Schritt für mich, das ich sage, jetzt ist Schluss."
Eine Olympiamedaille in London war das Ziel. In der Qualifikation am ersten Gerät hatte er einen sehr schwierigen Sprung, den Dragulescu, gewagt und sich bei der Landung die Kapsel im Sprunggelenk gerissen. Boys Körper ist nach 21 Jahren Training arg lädierten. Er turnte trotzdem weiter, patzte auch am Reck. Alle Chancen auf eine Medaille waren dahin. An nur einigen Geräten weiter zu trainieren, das ist nicht sein Anspruch "wenn man so große Träume hat wie ich".
"Es reicht nicht für eine Altersversorgung"
Ein weiterer Grund für seinen Rücktritt sind die mageren finanziellen Perspektiven als Profiturner. "Der Sport reicht nicht, um mir eine Altersversorgung aufzubauen." Boy will dem Turnen verbunden bleiben, wie genau das aussehen soll, scheint nicht klar, eine eventuelle Trainer- oder Kampfrichterkarriere schließt er aus. Über seine berufliche Zukunft will er nichts Konkretes äußern.
Neben Boy haben Cheftrainer Andreas Hirsch, DTB-Präsident Rainer Brechtken und Sportdirektor Wolfgang Willam in der Stuttgarter Porsche-Arena Platz genommen. Sie waren immer in seiner Nähe, wenn Boy insgesamt neun internationalen Medaillen gewonnen hatte. Willam nennt die Zusammenarbeit mit Boy "klasse und von Erfolg gekrönt". Präsident Brechtken weist darauf hin, dass mit Boy "ein sehr eleganter Turner" ausscheidet, der dem Turnen auch über die Ergebnisse hinaus Impulse gegeben hat.
Kein deutscher Turner der vergangenen Jahrzehnte konnte mit so großer Leichtigkeit hohe Schwierigkeiten an allen Geräten präsentieren, konnte so schön turnen, wie Philipp Boy. Bundestrainer Andreas Hirsch holte weiter aus: Er hat Boy als Zehnjährigen im DTB-Perspektivkader getroffen. Gemocht habe Boy ihn damals sicher nicht.
Karriereende für einen aus dem Goldenen Jahrgang
Boy sei "eckig", er selber auch eher "unrund", man habe sich in vielen Auseinandersetzung gerieben, wofür sich Hirsch dann tatsächlich bedankte. Hirsch nennt die Tatsache, dass Boy "eine Vision hatte" - eben jenen Traum, ganz oben zu stehen -, für die er viel investiert hat, eine Auszeichnung. "Ich werde ihn vermissen", sagt der Bundestrainer.
Während des Weltcups der Frauen am Nachmittag galt Boy noch einmal der Applaus des Publikums. Im Anschluss gab er eine Autogrammstunde. Als Turner war es seine letzte.