Olympia-TV-Deal Warum ARD und ZDF zunächst draußen sind

TV-Kamera vor Olympischen Ringen: Teure Rechte
Foto: TOBY MELVILLE/ REUTERSDas Internationale Olympische Komitee (IOC) hat die olympischen TV-Rechte erstmals nicht an die öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern an den US-Konzern Discovery vergeben, den Besitzer der Sendegruppe Eurosport. Im kommenden Jahr übertragen ARD und ZDF noch die Sommerspiele aus Rio de Janeiro. Für die Jahre 2018 bis 2024 - und damit je zwei Winter- und Sommerspiele - hat Discovery/Eurosport für insgesamt 1,3 Milliarden Dollar die TV-Vermarktung übernommen.
Der Deal, der auch Internet und Radio umfasst, wurde am Montag im IOC-Hauptquartier in Lausanne unterzeichnet und umfasst alle europäischen Länder außer Russland. In Frankreich und Großbritannien waren die Rechte für 2018 und 2020 bereits an die öffentlich-rechtliche BBC vergeben worden, ab 2022 haben Discovery/Eurosport auch in diesen Ländern die Rechte übernommen.
Der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach und Discovery-Chef David Zaslav sprachen von einem "historischen Tag" für das Olympiafernsehen. "Jederzeit und überall" solle Olympia gesehen werden können, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr - auf allen Plattformen. Bach verteilte am Rande der Entscheidung indirekt verbale Ohrfeigen an die Öffentlich-Rechtlichen. Mehrfach betonte er, der neue Vertrag ermögliche es dem IOC, "die Jugend zu erreichen", und zwar auf jenen Plattformen, "die von der Jugend genutzt werden".
Eurosport könnte mit IOC-TV verschmelzen
Das korrespondiert mit Bachs Vorhaben eines olympischen TV-Kanals, das er sich auf der IOC-Vollversammlung im Dezember 2014 absegnen ließ. Die Planungen dazu laufen. In Europa könnte der neue Olympia-TV-Sender Eurosport mit dem IOC-Kanal verschmelzen.
Um sein Projekt Olympia TV voranzutreiben, verzichtet Bach zunächst auf einige hundert Millionen Dollar, die bei einer Einzelvermarktung möglich gewesen wären. Im Vergleich zu den US-amerikanischen TV-Rechten nimmt sich die Vertragssumme von 1,3 Milliarden für vier Olympische Spiele bescheiden aus. Im selben Zeitraum (2018 bis 2024) nimmt das IOC allein von NBCUniversal 4,9 Milliarden Dollar ein. Doch es wird nicht bei diesen 1,3 Milliarden bleiben, da Discovery/Eurosport nun damit beginnt, auf den europäischen Märkten und allen Plattformen Sub-Lizenzen zu vertreiben, wahrscheinlich auch an ARD und ZDF. Von diesen Erlösen profitiert auch das IOC.
Im aktuellen Olympiazeitraum, der die Winterspiele 2014 in Sotschi und die Sommerspiele 2016 in Rio umfasst, überstiegen die olympischen TV-Einnahmen im Rest der Welt erstmals die Einnahmen, die das IOC in den USA generiert. Insofern darf man davon ausgehen, dass sich die Gesamtsumme in Europa durchaus noch verdoppeln wird, wenn erst einmal alle Rechte in allen Ländern auf allen Plattformen inklusive des Bezahlfernsehens vergeben sind. Außerdem werden künftig im Direktkundengeschäft à la iTunes oder Netflix und im Geschäft mit dem gigantischen TV-Archiv des IOC neue Einnahmequellen erschlossen, über deren Höhe nur spekuliert werden kann.
ARD und ZDF, die sich überrascht gaben von der Vertragsunterschrift, sind noch nicht aus dem Rennen. Die öffentlich-rechtlichen Sender "wie die BBC oder die deutschen Anstalten" hätten über Jahrzehnte hervorragendes Olympiafernsehen produziert, sagte Discovery-Chef Zaslav: "Wir hoffen, dass es viele Sub-Lizenznehmer gibt." Bach äußerte sich ähnlich: "Sie sind offen für Verhandlungen."
Bach unterschrieb seit 2013 Verträge über 12 Milliarden Dollar
Discovery hat sich verpflichtet, von den Sommerspielen 2020 und 2024 mindestens 200 Stunden im Free-TV zu übertragen und von den Winterspielen 2018 und 2022 mindestens 100 Stunden. Eine Abwanderung ins Pay-TV muss niemand befürchten. Freie Olympia-Übertragungen garantiert in Deutschland im Übrigen der Rundfunkstaatsvertrag, der Ende der Neunzigerjahre nach der korrupten Vergabe von Rechten an den Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 mit entsprechenden Passagen ergänzt wurde.
Das IOC verkauft seit 1960 Fernsehrechte an den Spielen und führte 1985 sein Sponsoren-Vermarktungsprogramm ein. Insgesamt hat das IOC bislang knapp 40 Milliarden Dollar eingenommen, wobei allein Präsident Bach, seit September 2013 im Amt, Verträge im Wert von circa zwölf Milliarden unterschrieben hat.
Vor allem der US-amerikanische TV-Vertrag über 7,75 Milliarden Dollar mit NBCUniversal über sämtliche Spiele von 2022 bis 2032 verschaffte Bach die Option, seine unausgegorene Vision des eigenen TV-Kanals durchzuziehen. Dazu holte er jenen Mann wieder ins Boot, der von Anfang der Achtzigerjahre bis 2001 die IOC-Milliarden besorgte: den Kanadier Richard Pound. Langfristige Verträge wie nun mit Discovery/Eurosport auch über Olympische Spiele, deren Austragungsorte offen sind, hat das IOC erstmals 1995 unterschrieben - ausgehandelt von Pound und dem damaligen NBC-Sportchef Dick Ebersol.
Jener Ebersol, den die Branche nur "Mr. Olympics" nennt, war auch beim neuen Deal wieder an Bord: als angeblich unbezahlter Berater von Discovery-CEO Zaslav. Ohne Ebersol wäre der Vertrag nie zustande gekommen, sagte Zaslav in Lausanne. Auch das olympische TV-Geschäft bleibt also ein Family Business.