Verschwörungstheorien um Ullrich Blutwurst statt Epo
Wie kommt der Küstennebel in die Flasche? Diese Frage beschäftigte in den 90er Jahren die Deutschen. Im 21. Jahrhundert dominiert eine andere Unbekannte: Wie kommt Jan Ullrichs Blut in einen spanischen Kühlschrank? Einen Tag, nachdem die Bonner Staatsanwalt bekannt gegeben hat, dass es sich bei den beim spanischen Arzt Eufemiano Fuentes gefunden Blutbeuteln "zweifelsfrei" um Jan Ullrichs Blut handelt, kursieren die wildesten Erklärungsversuche.
Die Linie der Ullrich-Verteidigung ist klar: Das Blut mag von Ullrich sein, ein Beweis für Manipulation sei dies im juristischen Sinne noch lange nicht. "Vorausgesetzt, dass alles das stimmt, was jetzt ermittelt wurde, das heißt, dass in Spanien Blut unseres Mandanten gefunden wurde, heißt das doch noch lange nicht Doping", sagte Ullrich-Verteidiger Peter Michael Diestel heute dem Fernsehsender N24.
"Von mir kursiert auch Blut. Ich habe einen Arzt in Rostock, ich habe einen Arzt in Berlin, ich habe einen Arzt in wer weiß wo. Das heißt doch noch lange nicht, dass mit dem Blut manipuliert wurde, dass es für Dopingzwecke und so weiter verwendet wurde. Der Weg bis zum Betrug ist sehr sehr weit", sagte Diestel weiter.
Noch abenteuerlicher wird Diestel in der heutigen "Bild-"Zeitung: "Der Verdacht, dass man das Blut mit Epo anreichern wollte, ist ebenso groß wie der Verdacht, dass Blutwurst daraus gemacht wird." Auch Ullrichs zweiter Anwalt Johann Schwenn glaubt an eine Verschwörung: "Nach den Unregelmäßigkeiten im spanischen Verfahren und bei der UCI ist es gut möglich, dass der angebliche Befund die Folge von Manipulation ist", so Schwenn. Daher bestehe kein Grund, an der Verteidigungslinie für Jan Ullrich irgendetwas zu ändern.
Die Bonner Staatsanwaltschaft hat diese Vorwürfe heute umgehend zurückgewiesen. "Es gibt keine Anhaltspunkte für Manipulation", sagte der ermittelnde Staatsanwalt Friedrich Apostel. Der Vorwurf stünde im Raum und es sei bisher nicht präzisiert worden, ob Manipulationen in Spanien oder beim Abgleich vorgekommen sein sollen. "Wir warten jetzt erst einmal auf eine Reaktion der Ullrich-Anwälte und auf die Ergebnisse der Rechtshilfe-Anfragen an die Schweizer und belgischen Behörden, gegen die die Anwälte ebenfalls Rechtsmittel eingelegt haben", sagte Apostel.
"Jux und Tollerei"
Der Staatsanwalt wollte sich nicht auf einen Termin für eine mögliche Anklage gegen den ehemaligen Kapitän des T-Mobile-Teams festlegen. Er habe "die große Hoffnung", das Verfahren vor Ende des Jahres abzuschließen. Aber es gebe vergleichbare Fälle, die zwei Jahre dauerten. Auch Doping-Experte Werner Franke, Zellbiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, hält die Dopingvorwürfe für schlüssig. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand viereinhalb Liter Blut in Konserven anlegen lässt nur aus Jux und Tollerei. Es ist ganz klar, was da ist. Es ist Blut gespeichert worden wie bei anderen Radsportlern auch. Dieses war vorbereitet worden, um es an Etappenorten zu reinfundieren", sagte Franke N24.
In der nächsten Runde werde er mit Zeugen antreten: "Man rennt mit der Wahrheit eben lange gegen eine Mauer." Ullrich selbst ist für ihn nur ein Verführter, sein Zorn richtet sich vor allem gegen die "kriminelle Kleinindustrie der Dopingszene bis hin zu Medizinern ohne jede Ethik." Durch sie würden junge Menschen zu Schaden und sogar zu Tode kommen: "Und das Traurigste dabei ist, dass dies alles unserer zynischen Gesellschaft am Arsch vorbei geht."
Der Tour-Sieger des Jahres 1997 war kurz vor der Frankreich-Rundfahrt 2006 wegen Dopingverdachts von dem Rennen ausgeschlossen worden. Er hat bisher jede Verbindung zu dem mutmaßlichen spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes bestritten, bei dem die Blutbeutel gefunden wurden. Ende Februar erklärte Ullrich seinen Rücktritt vom Leistungssport und sagte, er habe sich nichts vorzuwerfen. "Ich habe in meiner ganzen Karriere keinen betrogen und geschädigt."
sid/dpa/ap