Vorolympisches Desaster Ruderer gehen in Athen unter
Athen - Der komplette Rückzug der deutschen Nachwuchs-Ruderer und chaotische Windverhältnisse haben beim ersten Testwettbewerb für die Olympischen Spiele 2004 in Athen für helle Aufregung gesorgt. Zwar haben fast alle Beteiligten der neu errichteten Anlage in Schinias, 41 Kilometer nordöstlich der griechischen Hauptstadt gelegen, ein gutes Zeugnis ausgestellt, doch die Wetterkapriolen ließen keine regulären Wettkämpfe zu. Bei der diesen Mittwoch gestarteten Junioren-WM liefen durch starken Wind (elf Meter pro Sekunde) insgesamt vier Boote voll Wasser und sanken. Die Athleten mussten von Rettungskräften geborgen werden.
"Als würde man auf dem Ozean rudern"
"Wir hatten starken Wind und Wellengang. Ich hatte den Eindruck, ich wäre im Meer", klagte eine Ruderin nach dem ersten Vorlauf, der aufgrund der Wetterverhältnisse bereits um zwei Stunden auf 6:45 Uhr vorverlegt worden war. "Es war, als würde man durch einen Ozean rudern", berichtete der amerikanische Ruderer Stephen Newark, der mit dem Achter zu den Schiffsbrüchigen des Tages zählte. Immerhin verdienten sich Newark und seine Teamkollegen trotz ihres Untergangs den größten Applaus des Publikums. Denn nachdem das amerikanische Boot 400 Meter vor der Ziellinie voll Wasser gelaufen war, sprangen die US-Ruderer kurzerhand ins Wasser und schwammen, das Boot im Schlepptau und unter frenetischem Beifall der Augenzeugen, den Rest der Strecke ins Ziel. Nur so konnte der US-Achter weiter im Wettbewerb bleiben.
So lustig die Szene auch zu beobachten war, so wütend waren die Trainer an der Strecke. "Das Rennen hätte nicht gestartet werden dürfen", fluchte der britische Teamcoach David Tanner, nachdem er seinen Achter an erster Stelle liegend ebenfalls in den Fluten untergehen sah. "Wenn die Boote sinken, muss abgebrochen werden, sonst sind die Wettkämpfe nicht mehr fair und sicher", so Tanner weiter.
Auslöser der chaotischen Verhältnisse war der in der Region Schinias unter dem Namen "Meltemia" bekannte Nordwind, der alljährlich im August über Griechenland weht und selbst in der zivilen Seefahrt schon für Schwierigkeiten gesorgt hat. Dennoch sehen die griechischen Olympia-Veranstalter keinen Anlass zur Sorge. "Ich bin wegen Olympia nicht beunruhigt", gibt sich Vassilis Likomitros vom Athener Olympiakomitee (Adhoc) trotzig, "für uns ist diese Junioren-WM ein hervorragender Test, denn uns wird gleich das 'worst case scenario' geliefert." Überlegt wird nun, ob der vor zwei Jahren abgelehnte Vorschlag, die Ruderanlage mit frisch gepflanzten Bäumen zu umsäumen, wieder in Betracht gezogen oder andere Maßnahmen ergriffen werden sollen. Denis Oswald, Präsident des Ruder-Weltverbandes, übte sich derweil als Witzbold: "Wir hoffen, dass Aeolos, der Windgott der Antike, uns im kommenden Sommer rudern lässt."
Deutsches Team vom Virus flach gelegt
Vom Chaos während des ersten Wettkampftages blieb die deutsche Mannschaft völlig verschont. Allerdings unfreiwillig. Weil 80 der 90 Delegationsmitglieder des Deutschen Ruderverbandes (DRV) kurzfristig durch eine rätselhafte Viruserkrankung ausgeschaltet waren, entschloss sich der Verband am Dienstag komplett abzureisen. Zunächst wurde eine Lebensmittelvergiftung vermutet, doch das am Vortag noch zwischen den Zeilen beschuldigte griechische Organisationskomitee bemühte sich am Mittwoch die Wogen zu glätten. "Es handelt sich um einen Virus, nicht um eine Lebensmittelvergiftung. Wir als Organisatoren sind damit von den Ärzten freigesprochen worden", wehrte sich Athoc-Pressesprecher Serafom Kotrotsos.
Gleichwohl versetzte die überstürzte Abreise der Deutschen die griechischen Gesundheitsbehörden in Alarmzustand. "Die haben Hotel und Wettkampfstätte komplett auf den Kopf gestellt, aber nichts gefunden", berichtete DRV-Sportdirektor Michael Müller. Die Suche nach dem Auslöser soll laut Müller nun in Deutschland bei den Hausärzten der betroffenen Sportler fortgesetzt werden: "Das bedarf intensiver Recherchen. Wir wollen unbedingt wissen, woher das Virus kommt."
Nach der Ankunft in Griechenland hatten viele Nachwuchs-Athleten und Begleiter über hohes und hartnäckiges Fieber geklagt. Weil sich der Zustand einiger Patienten trotz intensiver Therapiemaßnahmen kaum verbesserte, entschloss sich der DRV zum Rückzug seiner kompletten Mannschaft. Anders als die lokale Behörde wollte DRV-Mannschaftsarzt Jürgen Steinacker nicht ausschließen, dass der Infektionsherd möglicherweise doch in Griechenland liegt: "Da waren sogar Leute betroffen, die nicht mit im Trainingslager in Grünau oder mit im Flugzeug waren."