Washington Wizards Abwracken für LeBron James

James und Cavaliers-Teamkollege O'Neal: Wo spielt der Superstar im kommenden Jahr?
Foto: AARON JOSEFCZYK/ REUTERSZu den traurigsten Städten in der Welt des Sports gehört Washington, und das ist schon seit geraumer Zeit so. Natürlich sollte jeder, der die Wizards (Basketball) oder die Redskins (Football) oder die Nationals (Baseball) schätzt oder sogar liebt, traurig sein und sich still in eine Ecke verkrümeln. Er ist ja nicht allein, es gibt so viele andere in Washington.
Es gibt sie auch anderswo, aber Washington wartet schon sehr lange darauf, dass ihm Genugtuung widerfährt. Besser dran sind einzig die Eishockey-Fans, denn die Washington Capitals sind richtig gut, sie gewinnen die Southeast-Division, sie haben den Russen Alexander Owetschkin, der erst 24 Jahre alt ist und so viele Tore wie sonst kaum jemand schießt. Und wenn die Caps in diesem Jahr konstanter sein sollten als im vergangenen, dann ist vielleicht nicht schon im Playoff-Viertelfinale Schluss.
Allerdings wäre das Fortkommen ein schwacher Trost, es handelt sich ja um Eishockey. Nicht um Football. Nicht um Baseball. Nicht um Basketball.
Was tun leidenschaftliche Anhänger im Augenblick empirisch berechtigter Verzweiflung? Sie träumen. Was machen verantwortungsvolle Journalisten? Sie helfen ihnen beim Träumen. Was tun zynische Menschen? Sie geben ihnen was Absurdes zum Träumen.
Und so kommt es, dass die "Washington Post", die den Niedergang der einheimischen Vereine in allen Details beurkundet, ernsthaft ein Gerücht weiterreicht, dass da lautet: LeBron James erwägt, in der nächsten Saison für die Wizards Basketball zu spielen.
Wow! Das glauben wir aber sofort!
Das Gerücht hat ein Mann namens Bill Simmons aufgebracht. Er tritt beim Sportsender ESPN auf und hat munter vor sich hin schwadroniert: Die Wizards geben Gilbert Arenas, Caron Butler und Antawn Jamison ab, ihre Großverdiener, um LeBron James ein großzügiges Angebot zu machen, das der nicht ablehnen kann. Als vermeintlicher Beleg für die Seriosität der Überlegung dient ein Titelbild aus "Sports Illustrated", das die beiden Herrscher Amerikas ziert: Barack Obama und LeBron James. Wow! Das haut uns um, das glauben wir aber sofort. Wir denken gar nicht darüber nach, was womöglich gegen den Deal spricht.
Dagegen spricht einfach alles. Zum Beispiel, dass dieses Titelbild im Oktober erschien und ein guter Gag war.
Richtig ist nur so viel: James' Vertrag mit den Cleveland Cavaliers läuft im Sommer aus - übrigens ebenso wie der von Dwyane Wade (Miami Heat) und Chris Bosh (Toronto Raptors). Auf mindestens einen der Drei ist wohl so gut wie jedes NBA-Team ungeheuer scharf. Doch LeBron James hat das meiste Flair und deshalb sind alle in erster Linie hinter ihm her. Die New York Knicks entledigen sich seit Monaten ihrer teuersten Spieler, damit sie ihm einen Riesenvertrag aufdrängen können.
Der 25-Jährige wäre vermutlich der Erlöser für die Knicks, die seit Jahren eine desaströse Saison nach der anderen hinlegen. Aber warum eigentlich nicht Wade oder Bosh? Oder gleich zwei von den Dreien?
Warum sollte LeBron bei null anfangen?
Viele Mannschaften träumen von einer goldenen Mannschaft, um LeBron James herum gebaut. Eine Siegermannschaft. Ein Seriensieger. Aber bescheidene Frage: Wieso sollte der gute Mann eigentlich bei Nichts anfangen?
New York oder Washington sind derzeit Nichts. Cleveland gibt sich alle Mühe, Shaquille O'Neal als Unterstützung für James zu verpflichten war doch keine schlechte Idee, wenn auch nur für eine Saison. Sie werden ihren besten Mann nicht so einfach ziehen lassen. Und große Spieler verlassen selten die Teams, bei denen sie angefangen haben und bei denen sie längere Zeit spielen.
Es dauert eben ein paar Jahre, bis alles stimmt. Bis eine Mannschaft zusammengestellt ist. Bis der richtige Trainer da ist. Michael Jordan musste sieben Jahre warten, ehe er 1991 den ersten von sechs Titeln mit den Chicago Bulls gewann. Magic Johnson wurde 1980 mit den Los Angeles Lakers schon als Rookie Meister, aber er kam in eine große Mannschaft.
Nun führen die Cavaliers die Eastern-Conference ziemlich souverän mit 38 Siegen und elf Niederlagen an. Dahinter kommen Atlanta, Boston und Orlando mit je 16 Niederlagen. Also, Fluchtgedanken liegen da nicht unbedingt nahe. James wirkt klug genug. Er dürfte abwarten, was bei den Playoffs für das Team drin ist. Und dann schaut er mal.
Die Wizards sollten eine Abwrack-Prämie bekommen
Die Wizards dürfen dagegen nicht einmal von den Playoffs träumen. Sie haben von 47 Spielen nur 16 gewonnen. Saison perdu. Die Guards Arenas und Javaris Crittenton wurden wegen ihrer Waffen in der Kabine für den Rest der Saison gesperrt. Was am Ende herauskommen wird, hängt vom Gerichtsverfahren ab, das bald schon anstehen dürfte.
Die Wizards sind keine Mannschaft mehr. Es scheint abgemachte Sache zu sein, dass Jamison und Butler und dazu der Center Brendan Haywood verkauft werden. Eigentlich wäre es angebracht, wenn diese Mannschaft eine Abwrack-Prämie bekäme.
Übrigens gibt es neben dem Gerücht, dass es LeBron James nach Washington ziehen soll, weil dort Barack Obama wohnt, noch ein anderes Gerücht. Tracy McGrady, Guard der Houston Rockets, ist in der Stadt gesichtet worden. Und schon werden ihm Gespräche mit den Wizards angedichtet. Im Gegenzug sollen angeblich einer der drei Verdächtigen, die auch in der Personalie James gehandelt werden, nach Houston wechseln.
McGradys Vertrag endet ebenfalls im Sommer. Nach langer Verletzung und intensiver Arbeit mit Tim Grover, dem früheren persönlichen Trainer von Michael Jordan, feierte er Ende 2009 sein Combeback. Bei den Rockets kommt der ehemalige Superstar inzwischen allerdings nicht mehr zum Einsatz, Spieler und Club arbeiten an einem Vereinswechsel. Dazu bleibt abzuwarten, wie lange es dauert, bis sein Teamkollege Yao Ming nach seinem Fussbruch wieder spielen kann. Mit der Playoff-Qualifikation wird es in diesem Jahr jedenfalls eng für die Rockets. McGrady und Ming sind immer noch ein mehr als fähiges Duo - von der Verletzungsanfälligkeit einmal abgesehen.
Vielleicht sollten die Wizards auch noch den Rest der Mannschaft verkaufen und McGrady und Yao zusammen holen? Und dazu noch Wade oder Bosh oder gar LeBron? Das wär's doch, oder?