WM-Finanzierung "Freut euch und rückt die Kohle raus"

Die Leichtathletik-WM in Berlin soll ein großes Fest werden - doch wer zahlt am Ende die Zeche? Der Ticketverkauf läuft schleppend, private Sponsoren lassen sich nur schwer finden. Größter Geldgeber ist der Staat, der direkt und indirekt das Sportereignis finanziert.

Eine Leichtathletik-WM ist, verglichen mit Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften, eine extrem günstige Angelegenheit. Die offiziellen Zuwendungen und verdeckten Subventionen aus öffentlichen Mitteln belaufen sich auf wenige Dutzend Millionen Euro. Dagegen benötigen Olympia oder eine Fußball-WM Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur.

Zuschauer im Olympiastadion: "Riesiger Run auf die Tickets"

Zuschauer im Olympiastadion: "Riesiger Run auf die Tickets"

Foto: A3390 Kay Nietfeld/ dpa

Das Land Berlin, so wird stets behauptet, beteiligt sich mit 20 Millionen Euro am 45-Millionen-Etat des Organisationskomitees BOC. In den vergangenen Jahren musste der Zuschuss jedoch schon um einige hunderttausend Euro erhöht werden, wie jüngst die "tageszeitung" vorrechnete und über die "öffentliche Privatsache" spottete. Außerdem zahlte Berlin 5,6 Millionen für Arbeiten am Olympiastadion. Da sind es schon rund 26 Millionen. Hinzu kommen die Sicherheitskosten, wie etwa Polizeieinsätze, dazu gibt es traditionell keine Angaben. Das ist bei Olympia oder Fußball-Weltmeisterschaften nicht anders.

Rigide Vermarktungsregeln

Zu den offiziellen Subventionen summieren sich verkappte Zuwendungen, etwa über Firmen, die sich zum Teil in öffentlichem Besitz befinden und als Sponsoren aktiv werden: Bei der Leichtathletik-WM sind das zum Beispiel die Deutsche Post, die Deutsche Bahn und die Deutsche Telekom. Bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland hatte sich ein ähnliches Bild ergeben: Damals waren vier von sechs sogenannten "nationalen Förderern" teilstaatliche Unternehmen.

Das Interesse privater Unternehmen an derartigen Sportveranstaltungen ist allerdings begrenzt. Das hat weniger mit der Wirtschaftskrise zu tun, als vielmehr mit den rigiden Vermarktungsregeln der internationalen Föderationen, die nationalen Partnern wenig Entfaltungsmöglichkeiten lassen. Die weltweiten Sponsoren erwerben für hohe Millionensummen Exklusivrechte, sie werden natürlich bevorzugt und besetzen auch die jeweiligen Produktkategorien. Wer zahlt, bestimmt.

"Be happy and pay the deficit"

Sponsoren der zweiten oder dritten Ebene, die im nationalen und lokalen Bereich agieren, haben bei Großveranstaltungen kaum Entfaltungsmöglichkeiten. Das ist im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und im Fußball-Weltverband (Fifa) nicht anders als bei den Leichtathleten (IAAF).

Die IAAF finanziert sich über ihre Sponsoren- und Fernsehverträge. Sie beteiligt sich aber nicht an den Organisationskosten einer Weltmeisterschaft, weder in Berlin noch bei den nächsten Titelkämpfen 2011 in Daegu (Südkorea) und 2013 in Moskau. Das war schon 1993 in Stuttgart so, bei jener WM, die mit 585.000 Besuchern noch den Zuschauerrekord hält.

Unvergessen ist eine Aussage des damaligen IAAF-Präsidenten Primo Nebiolo (1999 verstorben), die wunderbar die Mechanismen dieses Geschäfts illustriert. Als sich die schwäbischen Organisatoren um einen Zuschuss bemühten, krächzte Nebiolo: "Be happy and pay the deficit." Freut euch und rückt die Kohle raus. Wer diese Regel nicht kennt, hat das Geschäft nicht verstanden.

Der deutsche Verbandschef Clemens Prokop kennt natürlich die Regeln. Zahlt und freut euch? Prokop formuliert dazu seit Jahren Sätze wie diese: "Das ist keine Besonderheit der IAAF, sondern Standard aller internationalen Sportorganisationen. Solange sich Städte bei der Bewerbung gegenseitig fast überbieten, entspricht es der Logik, dass auch internationale Sportorganisationen wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung ziehen."

Prokops langjähriger Gegenspieler und DLV-Ehrenpräsident Helmut Digel ist in der IAAF im Marketingbereich tätig. Nach seinen Angaben bewegt sich der Anteil an staatlichen Zuschüssen für Leichtathletik-Weltmeisterschaften zwischen rund 15 Prozent (Helsinki 2005) und 68 Prozent (Athen 1997). Berlin liegt gemäß Planung irgendwo dazwischen, bei rund 40 Prozent. Im Vorfeld der Berliner Titelkämpfe spricht Digel gern davon, die WM sei gut vermarktet.

Interessant und auch wieder typisch für derlei Unternehmungen ist die rechtliche Konstruktion der WM-Organisation. Es gibt ein Organisationskomitee (LOC) und die private Berlin Organising Committee GmbH (BOC) mit den Geschäftsführern Heinrich Clausen, einem erfahrenen Leichtathletik-Organisator, und Frank Hensel, der gleichzeitig als DLV-Generalsekretär agiert. Präsidenten des LOC sind Prokop und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Prokop fungiert gleichzeitig als Vorsitzender des Aufsichtsrats. So bleibt alles in einer Familie: Organisation und Kontrolle.

330.000 Tickets sind verkauft

Zum WM-Triumvirat gehört noch der Sportvermarkter Michael Mronz. Der bislang nicht als Leichtathletik-Experte in Erscheinung getretene PR-Mann dachte sich Werbeaktionen aus wie eine sogenannte "Roadshow" durch die deutsche Provinz oder Termine in deutschen Botschaften, etwa in Washington.

Mronz wird seit Monaten nicht müde, jede noch so lahme Aktion des BOC in einen Erfolg umzudichten. So beobachtet er beispielsweise seit Ewigkeiten einen "riesigen Run" auf WM-Tickets. Mehr als eine halbe Million Eintrittskarten will das BOC verkaufen. Täglich werden neue Wasserstandsmeldungen herausgegeben. 330.000 Tickets wurden bisher verkauft.

Wer versucht, Mronz' Behauptungen an der Realität zu messen, wird schnell fündig. Jüngst urteilte der 42-Jährige: "Die Berliner sind es eben gewohnt, nahe am tatsächlichen Termin zu kaufen. Das war bei der Fußball-WM nicht anders."

Tatsächlich, einige Millionen Deutsche dürften sich daran erinnern, verhielt es sich so: Bei der Fußball-WM wurden die Tickets lange vorher in einer unvergleichlichen Lotterie verlost - und gelangten gar nicht erst auf den freien Markt.

BOC-Mann Hensel ficht so etwas nicht an. Nach seiner Zählung war das Stadion am ersten Tag gut gefüllt - 67.648 Besucher wurden offiziell gemeldet. "Morgens waren es rund 25.000, abends etwa 42.000", rechnet er SPIEGEL ONLINE vor. Den Vorwurf, dass die Zählweise zumindest ungewöhnlich sei, lässt Hensel nicht gelten. "Es geht hier nicht um PR-Tricks."

Dass Sponsoren Tickets zum Dumpingpreis von fünf Euro anbieten, findet er ebenfalls unproblematisch. "Hier werden keine Tickets verschleudert", sagt Hensel, "es gibt einige Kontingente, die wir an unsere Wirtschaftspartner gegeben haben. Was die Firmen im Rahmen von Kundenbindungsmaßnahmen machen, ist ihre Freiheit."

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