WM-Niederlage für Walujew Riese im Tiefschlaf
Sein Trainer hatte es schon früh kommen sehen. "Das ist zu wenig", fauchte Manuel Gabrielian seinen Schützling Nikolaj Walujew nach der fünften Runde an. Dabei lag der 33-jährige Schwergewichtsweltmeister zu diesem Zeitpunkt noch gut im Rennen, hatten doch in der Stuttgarter Porsche-Arena viele Fäuste ihr Ziel noch nicht gefunden.
Doch vor der zwölften und damit letzten Runde, Walujew hatte inzwischen viele harte Schläge des Herausforderers schlucken müssen und lag auf den Zetteln der Ringrichter klar hinten, riss Gabrielian der Geduldsfaden. Wie Giovanni Trapattoni zu besten Zeiten beim FC Bayern holte der Trainer aus und knöpfte sich seinen Schützling vor. "Du raubst mir die Nerven! Ich verlasse gleich die Halle. Was ist nur los mit dir?", tobte der Armenier. Es war wohl ein letzter Versuch, seinen Schützling aufzuwecken. Doch dieser nickte nur, der russische Riese schien vor sich hin zu träumen.
So kam es, dass Walujew im 48. Kampf seine erste Niederlage als Profiboxer hinnehmen musste. Dabei hatte es noch ein Ringrichter gut mit ihm gemeint. Der Südafrikaner Stanley Christadoulou sah einen ausgeglichenen Kampf und stimmte 114:114 - eine Meinung, die er in der Halle exklusiv hatte. Die beiden anderen Juroren sahen den Kampf schon realistischer und stimmten 115:113 beziehungsweise 117:111 für Tschagajew.
"Ich bin mit dem Urteil einverstanden", sagte Walujew. "Ruslan hatte die bessere Taktik, er hat verdient gewonnen." Er selbst wolle bald wieder kommen, zunächst aber erstmal eine Auszeit nehmen. Lange dürfte diese aber nicht dauern, hatte Walujew - so wirkte es jedenfalls für den außenstehenden Zuschauer - seine Kräfte im Ring doch bestens geschont. Vor allem in den ersten vier Runden waren Schläge Mangelware, von sauberen Treffern waren die Boxer meilenweit entfernt. Selbst Box-Oldie Axel Schulz hätte an diesem Abend in Stuttgart zumindest die fünfte Runde erreicht.
Von da an wäre es aber für Schulz knapp geworden - zumindest gegen Tschagajew. Dieser legte nun die anfängliche Zurückhaltung ab und setzte immer wieder seine starke linke Schlaghand gegen den 2,13 Meter großen Russen aus St. Petersburg ein. Seinen ersten WM-Titel vor Augen, ließ der Usbeke von nun an nicht locker. Zwei Runden vor Schluss war klar, dass Walujew seinen Titel nur noch durch einen K.o. verteidigen kann, doch Tschagajew rettete seinen Vorsprung auf den Zetteln der Ringrichter clever über die Zeit.
"Viele haben von Ruslan einen aggressiven Stil erwartet, doch er hat sehr viel gekontert. Das Rezept hat bestens funktioniert", sagte Tschagajew-Trainer Michael Timm. Für seinen Schützling, der sich schon vor dem Urteil der Ringrichter in der Halle feiern ließ, war es im 24. Profikampf der 23. Sieg. Er kann nun darauf hoffen, seinen Titel demnächst in den USA zu verteidigen - und somit hohe Kampfprämien zu kassieren.
Für Walujew, der sich zuletzt im Januar 2007 in Basel gegen den US-Amerikaner Jameel McCline erfolgreich behauptet hatte, ist dagegen der Traum von einem Vereinigungskampf gegen IBF- und IBO-Weltmeister Wladimir Klitschko vorerst geplatzt. Vielleicht war es ja dieser Klitschko, der in Walujews Gedanken schwebte und dessen Fäuste blockierte. Nun jedenfalls muss Walujew es vorerst wieder mit anderen Gegnern aufnehmen. In der gegenwärtigen Verfassung wäre er gegen Klitschko ohnehin chancenlos. Vielleicht lässt sich ja Axel Schulz nochmal zu einem Comeback überreden.