
Tour-Etappensieger Kittel Hektischer Spurt, glücklicher Gewinner
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Suchend streifte Marcel Kittels Blick durch das Chaos im Zielbereich von Saint-Malo: Wo waren seine Helfer? Wie ging es Tom Veelers, der im Massensprint kurz vor der Ziellinie nach einem unsanften Rempler von Mark Cavendish gestürzt war? Ordner bahnten dem Etappensieger den Weg durch Zuschauer, Fahrer und Journalisten. Doch Kittel, vor Anstrengung noch ganz weiß im Gesicht, blieb immer wieder stehen, um einen seiner Argos-Shimano-Teamkollegen zu umarmen, sich mit einem Klaps auf die Schulter zu bedanken.
Zum zweiten Mal bei dieser 100. Tour de France hatte der 25-Jährige im Schlusssprint die größten Kraftreserven. Nach dem Auftakt auf Korsika hatte er noch gesagt: "Das ist der schönste Tag in meinem Leben." Ob das nun auch auf diesen Dienstag zutreffe, wollte der französische Fernsehjournalist wissen, auf den Tag seines zweiten Etappensiegs bei dieser Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt. Kittel, mittlerweile wieder zu etwas Gesichtsfarbe gekommen, wusste nicht so recht, was er entgegnen sollte. Als könne er selbst nicht ganz glauben, dass sich sein Glück tatsächlich noch einmal wiederholt hatte.
"Überrascht über das Kopfsteinpflaster"
"Ich weiß nicht, wann ich mich mehr gefreut habe", sagte er, "die letzten Kilometer waren heute sehr hektisch, jede Mannschaft wollte vorne fahren. Aber meine Jungs haben toll gearbeitet, und ich hoffe natürlich, dass da noch mehr möglich ist." Tatsächlich hat Sprintspezialist Kittel schon am Donnerstag und Freitag eine erneute Chance auf einen Tagessieg, bevor in der kommenden Woche die harten Alpen-Etappen anstehen.
Dann wird es auch Lotto-Fahrer André Greipel schwer haben, der von Kittel knapp vor dem Zielstrich überholt worden war. Trotz seiner bisher ausgezeichneten Tour-Ausbeute - am vergangenen Donnerstag hatte auch er ein Teilstück gewonnen - ärgerte Greipel sich nach der Etappe über den Bodenbelag im Zielbereich an der alten Stadtmauer von Saint-Malo: "Ich hatte einen super Punch, war aber überrascht über das Kopfsteinpflaster. So was müsste man eigentlich wissen. Ich bin total enttäuscht, der Leadout war perfekt", sagte er.
Für Kopfschütteln sorgte die Attacke von Cavendish auf Kittels Teamkollege Veelers, zumal es nicht das erste Mal war, dass der Brite durch derartiges Verhalten aufgefallen war. "Ein Typ namens Mark Cavendish hat mir einen Bodycheck gegeben. Das ist das Letzte, an das ich mich erinnere", sagte Veelers, der bei dem spektakulär aussehenden Sturz weitgehend unverletzt blieb. Obwohl die Fernsehkameras deutlich Cavendishs Schulterstoß zeigten, gab er sich darauf angesprochen gleichgültig: "Ich kann keinen Fehler erkennen, das war eine normale Körperbewegung", sagte er. "Für mich ist es okay, dass Marcel Kittel gewonnen hat. Er war heute sehr stark."
Kittel kann Werbung für den Radsport machen
Auch Kittel hatte das Video des Unfalls gesehen: "Es war sehr unglücklich, aber ich glaube nicht, dass es Absicht von Mark war", sagte er. Er sei erleichtert, dass Veelers nichts Schlimmeres passiert sei und sein Team auch in den kommenden Tagen gemeinsam angreifen könne.
Überhaupt wirkt Kittel ganz und gar nicht wie eines der sprintertypischen Alphatiere, stets scheint er um Harmonie innerhalb seiner Mannschaft und zwischen sich und konkurrierenden Fahrern bemüht zu sein. Selbst den obligatorischen Dopingfragen begegnet er mit Verständnis. "Dass das große Thema Doping angesprochen werden muss, ist mir ganz klar, das muss so sein", sagt er. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen John Degenkolb und dem Quickstep-Fahrer Tony Martin hat er deshalb eine Anti-Doping-Erklärung unterschrieben und sich für eine lebenslange Sperre von Dopingsündern ausgesprochen.
Aber Kittel sagt auch: "Der Sport hat noch etwas anderes zu bieten und einfach mal wieder eine gewisse Kenntnisnahme verdient." Er selbst hat das in den kommenden Tagen mit in der Hand.
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Etappensieger Marcel Kittel: Bei der zehnten Etappe fährt der 25-Jährige zum zweiten Mal auf dieser Tour als Erster über die Ziellinie.
Ende des Schlusssprints: Kittel hat die größten Kraftreserven und überholt kurz vor dem Ziel André Greipel.
Greipel kämpft bis zum Schluss, vergeblich, es reicht nur für Platz zwei und ärgerte sich: "Ich hatte einen super Punch, war aber überrascht über das Kopfsteinpflaster."
Drittplatzierter Mark Cavendish: Kurz vor dem Ziel rempelte der Brite Kittels Teamkollegen Tom Veelers. Absicht sah er darin nicht: "Ich kann keinen Fehler erkennen, das war eine normale Körperbewegung".
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