Springer oder Brauer
»Der schlimmste Fall im Bundesligaskandal ist nicht Arminia Bielefeld, sondern Schalke 04«, glaubte Südfrüchte-Importeur Horst-Gregorio Canellas letzte Woche. Bislang hat er fast immer recht behalten.
Doch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wagte sich an den siebenmaligen deutschen Fußballmeister und Titelanwärter dieser Spielzeit, Schalke 04, noch nicht heran. Er sperrte zwar Offenbachs Klubpräsident Canellas auf Lebenszeit. Dann degradierte er Arminia Bielefeld zum Amateurverein, weil sie für mehr als eine halbe Million Mark Siege gekauft hatte. Schließlich verbannte der DFB 14 Spieler, einen Trainer und kündigte weitere Verfahren an. Schalke indes blieb unangetastet.
Doch vor dem Landgericht in Essen schwor das frühere Arminia-Vorstandsmitglied Franz Greif bereits, daß sein Klub nicht nur in Berlin und Duisburg, gegen Stuttgart und Braunschweig, sondern zuerst in Gelsenkirchen beim Spiel gegen Schalke (SPIEGEL 25/1971 und 6/1972) einen Sieg gekauft habe -- für 40 000 Mark. Tatsächlich siegten die Bielefelder 1:0.
Am Montag dieser Woche wollte auch der »große Schweiger des Bundesligaskandals« ("Bild"), Arminias früherer Ligaobmann Wilhelm Pieper, schwören, daß in Anwesenheit des Schalker Präsidenten Günter Siebert und Schatzmeisters Heinz Aldenhoven das Geld übergeben worden sei. Pieper-Rechtsanwalt Karl-Dietrich Hüffmann verkündete: »Die Schalker haben wir im Sack, die kommen nicht mehr raus.«
So war es. Als Siebert und Aldenhoven die Pieper-Anwälte um ein Stillhalte-Abkommen baten, lehnten diese ab. Bielefelde Kicker Waldemar Slomiany, früher bei Schalke, bequemte sich zu einem Teilgeständnis: »Ich erhielt die 40 000 Mark für Schalke, habe aber die Hälfte für· mich behalten, den Rest zurückgegeben.« Pieper blieb dabei: »Die 40 000 wurden übergeben.«
Am letzten Freitag zogen die Schalker Spieler ihre Klage gegen die Bielefelder Behauptung zurück, sie hätten Geld für die Niederlage genommen -- der vorletzte Schritt zu einem Schuldbekenntnis.
Offenbar wird die Bundesliga-Affäre auch den »Bild«-Oberen suspekt, denn der Berliner Klub Hertha BSC soll gleichsam in einen »Springer BSC« umgewandelt werden. So fand Ende Februar in der Chef-Etage des Berliner Verlagshauses Axel Springer AG eine Besprechung statt.
Die vier beteiligten Herren, darunter der frühere »Bild«-Chefredakteur Peter Boenisch. der Geschäftsführer des Verlags, Eberhard von Brauchitsch und Hertha-Trainer Helmut ("Fiffi") Kronsbein beschlossen, daß von Brauchitsch am 10. April gegen den Direktor der Schultheiss-Brauerei, Gerhard Bautz ("Prost unterbricht immer"), für den Klubvorsitz kandidieren soll.
Seit langem verfolgt von Brauchitsch, ein Vetter des ehemaligen Automobilrennfahrers Manfred von Brauchitsch, der mittlerweile Präsident der »Gesellschaft zur Förderung des Olympischen Gedankens in der DDR« ist, in der Ehrenloge des West-Berliner Olympiastadions an Boenischs Seite die Bundesligaspiele von Hertha BSC.
Nicht ohne Sorge: Denn der Zuschauer-Durchschnitt sank seit dem Skandal von 42 000 auf zuletzt 10 000. Die Kassenmisere des mit schätzungsweise 2,1 Millionen Mark Steuerschulden belasteten Bundesligavereins war in den letzten sechs Jahren zweimal durch Spenden von jeweils 300 000 Mark des Großverlegers gelindert worden.
Freilich wurden die Schenkungen so in den Vereinsbüchern abgebucht, daß noch heute beim Finanzamt 217 000 Mark Schenkungssteuern offenstehen. Ein großer Teil der Subventionen diente dazu, Spieler wie den Ungarn Zoltan Varga und den Rumänen Laszlo Gergely einzukaufen, die inzwischen wie drei andere Hertha-Spieler gesperrt worden sind.
Nachdem der SPD-Chefredakteur Jürgen Brinckmeier ("Berliner Stimme") und CDU-Pressereferent Winfried Tromp als künftige Hertha-Präsidentschafts-Kandidaten ebenso durchgefallen waren wie der Medizin-Professor Dr. Manfred Weigert, schob Springer seinen Mitarbeiter von Brauchitsch als Sanierer in die Bresche. Er soll in der Berliner Springer-Presse mit Nachdruck aufgebaut werden.
Wie sehr das Springersche Hertha-Engagement die Konzernpresse beeinflußt, zeigt auch die Anweisung an die Frankfurter »Bild«-Sportredaktion, für Skandalthemen keine Honorare mehr auszugeben. Für Schalke brachte die Bild-Abschaltung nur scheinbar Erleichterung. Denn noch im Dezember hatte das Landgericht Essen eine einstweilige Verfügung des Klubs gegen das Massenblatt abgelehnt, weiter über Schalker Verfehlungen berichten.
»Seit sieben Monaten warten wir darauf, daß die Beweise gegen uns auf den Tisch gelegt werden«, machte sich jetzt Schalke-Präsident Siebert gegen die Enthüller wie Canellas in Offenbach und Pieper in Bielefeld stark. Doch Canellas gibt nicht nach: »Siebert und Aldenhoven haben eine hohe Karte gespielt, aber sie sticht nicht.«
Laut Canellas soll Aldenhoven von ihm 100 000 Mark gefordert und dafür nach Bielefelder Muster einen Sieg in Schalke angeboten haben. Tatsächlich siegten auch die Offenbacher mit 2:1, doch das Geld erhielt Aldenhoven bis heute nicht. Durch seinen Rechtsanwalt Ließ er Canellas auffordern, die Behauptung zurückzunehmen, er habe 100 000 Mark für eine freiwillige Niederlage gefordert -- vergebens.
»Das ist mittlerweile vier Monate her und Herr Aldenhoven hat nichts mehr unternommen«, frohlockt Canellas. Der Bielefelder Rechtsanwalt Hüffmann befürchtet für Schalkes Präsident Siebert das Schlimmste: »Wenn sein Verein aus der Bundesliga fliegt, schlagen ihm die eigenen Schalker die Knochen kaputt.«