VERBÄNDE Sprünge auf dem Ahorn
Seit 1950 verteilten Deutschlands Rollkunstläufer Welt- und Europameistertitel fast ausnahmslos unter sich: Ein Greis von 73 Jahren hat ihre Vorherrschaft vorläufig beendet. Der Italiener Enrico Josti, Obmann der Kunstläufer im »Internationalen Rollsport-Verband« (FIRS), hat die 18 besten Deutschen vom internationalen Wettkampf ausgeschlossen.
Der Grund: Gegen Jostis Verbot hatten die 18-Deutschen ihre Rollschuhe zu einem Erdteil-Wettkampf in den USA angeschnallt, obwohl sie dort gegen amerikanische Rollbrüder und -schwestern antraten, die Nicht der FIRS angehören.
In Amerika suchten die Deutschen das, was sie unter Jostis Regie vermissen: internationale Wettkämpfe mit gleichwertigen Gegnern.
Die deutschen Rollmeister sind Opfer ihrer eigenen Überlegenheit geworden. Von 38 Welt- und Europameisterschaften, um die sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg bewarben, gewannen sie 33. »Es lief praktisch auf eine Art Inzucht hinaus«, beschrieb der ehemalige Präses des Deutschen Rollsport-Buhds (DRB), Wilhelm Heberer.
Deutschlands Rollsport-Funktionäre entdeckten nur einen Ausweg aus der Sackgasse: Amerika, ein Land unbegrenzter Rollsport-Möglichkeiten.
Amerikas Rollsportler schöpfen aus zwei Quellen: dem Fernsehen und dem Verband der Rollbahn-Eigner. Die Besitzer der rund 5000 in den USA bestehenden, großenteils überdachten »Rinks« mit angeschlossenen Restaurants betätigen sich vielfach als Mäzene für die angegliederten Amateurvereine.
Die Rollsportfreunde in den USA nahmen die von Josti vernachlässigten Deutschen mit offenen Armen auf. Sie versprachen, eine Rollschuh-Halle nach amerikanischem Muster in Frankfurt zu errichten, und vermittelten die Hilfe des amerikanischen Fernsehnetzes ABC, als die deutschen Funktionäre 1962 nach Geldgebern für einen internationalen Wettkampf in Essen suchten.
Ein millionenschwerer Rink-Inhaber lud die drei FIRS-Besten aller vier Rollkunst-Disziplinen (Herren- und Damen-Einzel, Paarlauf, Rolltanz) zu einem Erdteilkampf 1963 nach Las Vegas ein. Dort sollte der 30 000 Mitglieder starke amerikanische Rollsport-Verband »World Congress« die Wettkampfpartner stellen.
Aber Josti untersagte den Ausflug, weil der World Congress nicht FlRS -Mitglied ist. Die amerikanischen Interessen in der FIRS vertritt ein nur 1500 Rollkunstläufer zählender Konkurrenzverband.
Die Deutschen flogen dennoch nach Amerika. Heberer: »Wir wollen endlich wieder ehrliche Konkurrenz.«
In Las Vegas fanden sie Konkurrenz. Karl-Heinz Losch aus Heilbronn, seit fünf Jahren unbesiegter Weitmeister, Vizeweltmeisterin Christa Burmeister aus Hamburg und die deutschen Paare verloren im Wettkampf gegen Amerikaner. Losch: »Die Amerikaner springen auf ihrem elastischen Ahorn-Parkett fast alle Sprünge dreifach.«
Die Leistungen der Rollkünstler beflügelten auch, die deutschen Funktionäre. Sie gründeten gemeinsam mit Kollegen des World Congress einen neuen Weltverband - die World Federation of Roller Skating Heberer wurde Vizepräses.
Doch völlig unerwartet mißbilligten die unteren Funktionäre des DRB die Gründung des neuen Weltverbandes und zwangen Heberät zum Rücktritt. Sie hielten der FIRS die Treue, von der die 18 deutschen Meisterläufer auf ein Jahr gesperrt werden sollen.
Für die Dauer des Startverbots winken auch nichtdeutschen FIRS-Mitgliedern wieder Weltmeistertitel.
Rollkunstläuferin Christa Burmeister Deutsche gesperrt