Süße Rache
US-Präsident Ronald Reagan und Ehefrau übermittelten telegraphisch aufmunternde Worte: »Nancy und ich möchten Euch sagen, wie sehr wir für Euch im letzten Rennen des America''s Cup die Daumen drücken werden.«
Die »Liberty«, Amerikas Pokalverteidiger, hatte 3:1 gegen die Herausforderer auf der »Australia II« geführt. Doch nun war der Konkurrent, wie keiner zuvor seit 1851, auf 3:3 herangekommen. Das siebte und letzte Rennen mußte entscheiden.
Der »showdown« ("Washington Post") zehn Meilen vor der Küste Newports geriet am letzten Montag zum »Rennen des Jahrhunderts«, wie »Liberty«-Skipper Dennis Conner empfand - winner takes all, den Cup, das Prestige, die Organisation des nächsten Rennens. Für Australiens Premierminister Robert Hawke war es eine »Art Mount-Everest-Besteigung des Segelsports«.
In 36 Final-Wettfahrten waren ausländische Jachten in den letzten 25 Jahren nur viermal vor den Amerikanern über die Ziellinie gesegelt. Aber jedesmal waren es Australier gewesen.
Die Amerikaner hielten sich für so unbesiegbar, daß der New York Yacht Club den Pokal auf einem Eichentisch in seinem Hauptquartier festschraubte. Letzte Woche mußten die New Yorker den Cup eiligst für eine Politur zum Juwelier Tiffany und dann im gepanzerten Gefährt nach Newport transportieren.
Noch 4,3 Meilen vor dem Ziel, nach 20 Meilen Wettfahrt, hatten die Amerikaner im entscheidenden Rennen geführt. Am Ende, nach vier Stunden und 15 Minuten, aber lagen die Australier sechs Bootslängen vor der US-»Liberty«. »Australia II«-Skipper John Bertrand nach seinem Sieg: »Der liebe Gott ist sicher ein Australier.«
In Bertrands rund 20 000 Kilometer entfernter Heimat feierten die Einheimischen den historischen Segelsieg beinahe wie Brasilianer ihren Karneval, bierumrauscht, vereint und selig wie selten zuvor in Australiens Geschichte. Premierminister Hawke erklärte den Tag spontan zum nationalen Feiertag.
Der New York Yacht Club hatte versucht, das australische Team disqualifizieren zu lassen, weil der revolutionäre Flossenkiel der »Australia II« angeblich nicht den Regeln entsprach. In Holland suchten die Amerikaner nach Beweisen für ihre Behauptung, daß kein Australier, sondern ein Holländer die Bootsform entwickelt habe. Das hätte ebenfalls nach den Regeln die Disqualifikation bedeutet.
»Es war wirklich kein Vergnügen«, erinnerte Ben Lexcen, der »Australia II«-Designer, »Lügner oder Betrüger genannt zu werden.« Als das von ihm konzipierte Boot um 17.22 Uhr Ortszeit als erstes über die Ziellinie glitt, ersetzte »süße Rache die Demütigungen der vergangenen Wochen« (Lexcen).
Wahrscheinlich 1987, im März oder April, im australischen Spätsommer, müssen sich nun die Amerikaner qualifizieren - gegen die Konkurrenten aus Italien, Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik, vorausgesetzt, daß die Deutschen ihre Pläne nach der US-Niederlage noch verwirklichen werden. Denn die Australier haben ihnen die Schau gestohlen.
Michael Schmidt, Chef des deutschen Syndikats, das eine Neukonstruktion namens »Made in Germany« gegen die Amerikaner ins Rennen schicken wollte, schien die Frage, ob die Deutschen nach Australien reisen werden, so, als »wenn man einen Krebskranken nach der Operation fragt, ob er nun gesund ist«.
Eigentlich war ausgemacht worden: »Siegen die Amis, dann ziehen wir unser Projekt durch, gewinnen die Aussies, hören wir auf.« Nun wollen die Sponsoren, darunter die Lufthansa, Porsche, Blaupunkt, VDO und BMW, ermutigt durch die öffentliche Beachtung, am 18. Oktober gemeinsam mit dem Segler-Syndikat über eine mögliche Australien-Tour beraten. Das würde teuer.
Alan Bond, der Finanzier der »Australia II«, hatte 16 Millionen Dollar in den Cup investiert. Vor dem Endlauf in Newport erklärte Bond: »Niemand außer den Amerikanern hat dieses verdammte Ding je gewonnen, und mein Ehrgeiz ist, das zu erreichen, was vor mir noch niemand getan hat.«
Bond engagierte einen Skipper, der bei zwei America''s-Cup-Endkämpfen vor Newport zur Crew gehört und 1976 im Finn-Dingi eine olympische Bronzemedaille gewonnen hatte - John Bertrand, Absolvent der US-Eliteschule Massachusetts Institute of Technology.
Er ist auch mit dem Deutschen Thomas Friese befreundet, auf dessen Jacht »Tina-i-Punkt« Bertrand 1981 als Taktiker eine Qualifikationsserie zum Admiral''s Cup, die Nordseewoche, mitgesegelt war. Friese über Bertrand: »Das ist ein ganz bodenständiger Typ ohne großes Spektakel, ein harter Arbeiter, der _(Bei der Siegerehrung am letzten Dienstag ) _(in Newport. )
eine Gruppe beisammenhalten kann, ein unheimlich lässiger Typ.«
Schon bei den Ausscheidungskämpfen vor Newport deklassierte dieser Typ mit seinem Flossenkiel die Konkurrenz derart, daß der Navigator an Bord der »Liberty« vor dem Finale prophezeite: »Wenn die mit diesem Kiel starten dürfen, gewinnen sie den Cup.«
Sie durften. Als keine Regel mehr das leichte und wendige Boot stoppte, entdeckten die Australier unter Wasser, eben dort, wo ihr Boot zum Finale auslaufen mußte, Müll-Plastiksäcke. Die Australier hatten sogleich eine Erklärung: Saboteure hätten offenbar gehofft, zumindest ein Sack werde sich verfangen und die Jacht bremsen.
US-Skipper Conner geriet beim sechsten Rennen in ein Windloch; die Australier zogen an ihm vorbei. Der Amerikaner fragte seine Crew: »Hat irgend jemand eine Idee?« Er blieb ohne Antwort, der Crew aber war bewußt, »wenn Conner nach Rat sucht, ist man wirklich in ernsten Schwierigkeiten«.
Verlierer Conner, der schon vor der Regatta eine Biographie mit dem vielsagenden Titel »No Excuse To Loose« verfaßt hatte, erkannte an: »Heute waren die Aussies besser«, aber »das bedeutet noch lange nicht, daß Amerika nicht mehr die Nummer eins ist«.
Die Unermüdlichen im New York Yacht Club haben die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, den Cup schon vor 1987 nach Amerika zurückzuholen. Im Testament des Commodore Stevens, der dem America''s Cup den Namen seines Schiffes gab, heißt es: Zwischen November und Mai darf der Cup nicht ausgesegelt werden. Genau diesen Termin schlagen nun die Australier vor. Denn Sommer in Newport ist Winter in Australien. Allein ein Gericht kann nun über die neue Startzeit entscheiden.
Aus dem Weißen Haus verlautete unterdessen Trost. US-Präsident Reagan zu Conner und dessen Crew: »Wenn wir schon verlieren, dann noch am liebsten gegen die Aussies.«
Bei der Siegerehrung am letzten Dienstag in Newport.