AUTORENNEN / PORSCHE Tag des Herrn
Inserate und Fernseh-Spots hielt die Stuttgarter Firma für entbehrlich. Statt wie die Konkurrenz aufwendig zu werben, setzte sie die eingesparten Millionen für Kurvenkünste ein. Innerhalb der letzten vier Jahre verdoppelte sich der Umsatz auf 230 Millionen Mark.
Die Porsche-Werke verzichteten auf die kostspielige Hilfe der Werbe-Agenturen, weil ihre Sportwagen auf den Renn- und Rallyestrecken in der ganzen Welt wenigstens ebenso erfolgreich warben wie pfiffige Anzeigen. Porsche-Renn- und Herrenfahrer förderten Verkauf und Export durch mehr als 10 000 Siege seit 1951.
In diesem Jahr erreichten Porsches flache Flitzer wieder die Sportwagen-Weltmeisterschaft. Am vorletzten Wochenende preschten sie Ford und Ferrari im 24-Stunden-Rennen von Le Mans zum zweitenmal endgültig mit dem »Weltpokal für Geschwindigkeit und Ausdauer« davon. Porsche behielt von der mit barocken Schnörkeln bestückten, siebenpfündigen Silberkanne für den Gesamtsieger aus den vier wichtigsten Langstrecken-Rennen nur eine Kopie und die 16 000-Mark-Prämie. Den Original-Pokal erhalten die Veranstalter zurück.
Der frühere Le-Mans-Rennleiter Charles Faroux hatte nach dem Zweiten Weltkrieg geholfen, Professor Porsche aus dem französischen Gefängnis In Dijon auszulösen. Aus Dankbarkeit versprach der deutsche Konstrukteur, erstmals werkseigene Wagen unter dem Namen Porsche in Le Mans starten zu lassen. In einer 102 Quadratmeter großen Garage bastelten drei Monteure die ersten zwei Porsche-Renner.
Der eine verunglückte in Le Mans im Training. Der zweite siegte. Porsche verkaufte den 670 Kilo schweren Wagen (und erwarb ihn Jahre später für das Porsche-Museum zurück). Doch die Leichtmetall-Karosserie des erfolgreichen Fahrzeugs schneiderten die Blech-Modisten des Werks für die ersten 50 unter der Marke Porsche verkauften Straßenwagen nach.
»Von diesem ersten Werkseinsatz an«, versicherte Gründersohn Ferry Porsche, »hat es uns alle nicht mehr losgelassen.« Immer häufiger starteten die funken Karossen bei internationalen Prüfungen. Rennfahrer verpflichtete das Werk jedoch nicht wie die Konkurrenz für eine ganze Saison, sondern nur für einzelne Rennen.
»Wir riefen an«, erinnerte sich Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein, »und fragten: Wollen Sie in Le Mans fahren?« Nur prominente Porsche-Piloten erhielten ein Startgeld. Aber alle teilten sich nach einem Wettbewerb die Siegprämien, die sie wie Radrenn-Mannschaften in eine gemeinsame Kasse einbringen.
Oft bevorzugte das deutsche Werk ausländische Fahrer. Denn Siege ausländischer Stars wirkten für Porsche in fremden Ländern als zusätzliche Reklame. Renn-Erfolge in den USA, in Frankreich oder Italien trieben die Export-Kurve in die Höhe. Zuletzt exportierte das Werk 80 Prozent der Produktion. Auch Amerikas Teenager-Idol James Dean erwarb einen Porsche, in dem er 1955 verunglückte.
1961 verführten die verblüffenden Erfolge Porsche dazu, die Renn-Riesen der Branche herauszufordern: Das Werk beteiligte sich an den Grand-Prix-Rennen der sogenannten Formel 1. Für. diese Weltmeisterschaft werden nach einer bestimmten, häufig wechselnden Konstruktions-Formel aufwendige Spezial-Rennwagen entwickelt. Mercedes investierte beispielsweise 15 Millionen Mark in seinen Grand-Prix-Rennstall, der Italiener Ferrari, teils aus staatlichen Subventionen, mehr als zehn Millionen Mark.
Für Porsche überstiegen bei einem Jahresumsatz von 120 Millionen Mark (1962) selbst Kosten von drei Millionen Mark für die Formel-Rennen das vertretbare Maß. Trotz eines Sieges im »Großen Preis von Frankreich« und einem dritten Platz in der Weltmeisterschaft beendete Porsche 1962 das Grand-Prix-Abenteuer.
Aber aus dem Achtzylinder-Rennwagen entwickelten die Ingenieure Typen, die allen Touren- und Sportwagen der Konkurrenz davonfuhren. Das große Konstruktionsbüro, das ständig Fremdaufträge, vor allem für das VW-Werk bearbeitete, verfügte über Tüftler-Teams, die den Porsche-Sportwagen fortwährend vervollkommneten. Den Heimtransport der benutzten Wagen sparte das Werk häufig, indem es sie nach einem Rennen für Preise bis zu 80 000 Mark verkaufte.
Besonders auf kurvenreichen Strecken waren die wendigen Porsche-Produkte (stärkste Version: 2,2 Liter-Motor, 250 PS) weit kräftiger motorisierten Rennwagen wie etwa Chaparall (Siebenliter, 550 PS) überlegen. So glückte den Stuttgartern in diesem Jahr beim elften Start durch die 7090 Kurven der 720 Kilometer langen »Targa Florio« auf Sizilien der siebte Erfolg. Nur 17 von 62 Startern erreichten das Ziel, darunter aber sechs Porsche und drei davon vor allen Konkurrenten. Auch der prominenteste Gast-Fahrer siegte für Porsche (in der Grand-Tourisme-Klasse): der französische Ski-Weltmeister Jean-Claude Killy.
»Das ist der Tag des Herrn«, jubelte Rennleiter von Hanstein, nachdem beim 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring (44 Runden zu je 174 Kurven) vier Porsche in der Gesamtwertung gesiegt hatten. Die stärkeren Ford (Siebenliter, 500 PS) und Chaparall waren vorzeitig ausgeschieden, teilweise gehetzt vom Porsche-Rudel, das häufig »in geschlossener Phalanx über die Ziellinie« (Porsche) raste.
In Le Mans vermochten die Ford- und Ferrari-Goliaths zwar die Porsche-Zwerge auf der sieben Kilometer langen Geraden abzuhängen. Aber nur 16 von 55 Wagen hielten die 24 Stunden durch. Porsche brachte fünf Wagen ins Ziel. Sie siegten in allen vier für sie erreichbaren Wertungen, in denen überdies weitere Weltmeisterschaften so gut wie sicher sind.
Die französische Sportzeitung »L'Equipe« hatte die Überlegenheit der Stuttgarter Rennwagen schon vor dem Start neidvoll anerkannt: »Porsche rollt in besiegtem Land.«