Ärger bei den US Open Der Gang auf die Toilette als Tennis-Masche

Die US Open haben ihren ersten großen Aufreger: Weil der Grieche Stefanos Tsitsipas die Toilettenpausen in die Länge zog, kochte sein Gegner Andy Murray vor Wut. Das Problem: Die Regeln sind nicht eindeutig.
Andy Murray im Duell gegen Stefanos Tsitsipas: Erhöhtes Frustpotenzial

Andy Murray im Duell gegen Stefanos Tsitsipas: Erhöhtes Frustpotenzial

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JOHN ANGELILLO / imago images/UPI Photo

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Andy Murray versuchte die Fassung zu wahren. Es gelang ihm, das kann man vorwegnehmen, nur bedingt. Mit 6:2, 6:7, 6:3, 3:6 und 4:6 hatte der mittlerweile 34-jährige Schotte gerade sein Erstrundenmatch bei den US Open in New York gegen Stefanos Tsitsipas verloren. Fast fünf Stunden dauerte das Duell am Montagabend, das die Zuschauer im Arthur-Ashe-Stadion immer wieder von den Stühlen riss. Am Ende behielt der Favorit, der 23-jährige Grieche, die Oberhand in diesem sportlichen Drama.

Murray akzeptierte die Niederlage, aber schon auf dem Platz beschwerte er sich immer wieder bitterlich über das Verhalten seines Gegenübers. Nach dem Match auf der Pressekonferenz setzte sich das fort. Die US Open 2021 hatten ihren ersten großen Aufreger.

Stefanos Tsitsipas gewann gegen Murray mit 6:2, 6:7, 6:3, 3:6 und 4:6, von den Fans aber wurde der Grieche danach ausgebuht

Stefanos Tsitsipas gewann gegen Murray mit 6:2, 6:7, 6:3, 3:6 und 4:6, von den Fans aber wurde der Grieche danach ausgebuht

Foto: JUSTIN LANE / EPA

»Ich sitze jetzt hier nach einem Match gegen einen der besten Tennisspieler der Welt, und anstatt darüber zu erzählen, wie gut er unserem Sport tut oder wie zufrieden ich mit meiner Leistung nach all dem, was ich in den letzten vier Jahren durchgemacht habe, bin, sprechen wir über Toilettenpausen, medizinische Time-outs und Verzögerungen im laufenden Spiel«, schimpfte Murray. »Das ist Mist, und ich glaube nicht, dass das richtig ist.«

Was den Schotten so erboste, waren in erster Linie die Vorkommnisse nach dem vierten Satz, den Tsitsipas gewann und womit er den Spielstand nach Sätzen egalisiert hatte. Der Grieche verließ wie so häufig den Platz, um seine Kleidung zu wechseln. Seine Gegner werfen ihm dieses Verhalten immer wieder als taktischen Winkelzug vor. Er wolle damit den Rhythmus seiner Kontrahenten brechen, lautet der Vorwurf.

Dieses Mal dauerte es fast zehn Minuten, bis Tsitsipas wieder auf dem Court stand und sich vor dem Weiterspielen noch einen Schluck Wasser gönnte. Murray brüllte ihn an und war außer sich vor Wut. Er habe diese Scharmützel von Tsitsipas erwartet, sagte Murray später. Und er habe sein Team in der Match-Vorbereitung auch darauf hingewiesen. »Aber das Problem ist: Du kannst nicht verhindern, dass es dich körperlich beeinträchtigt. Wenn du so ein brutales Match wie dieses spielst und dann sieben oder acht Minuten warten musst, kühlst du einfach ab.«

Murray spielt mit künstlicher Hüfte

Und tatsächlich: Murray, der seit Jahren mit einer künstlichen Hüfte spielt, kassierte im fünften und entscheidenden Satz sofort das Break, das ihn letztlich auf die Verliererstraße führte.

Tsitsipas ließ die Vorwürfe kühl an sich abprallen: »Wenn er mir etwas sagen will, sollte er es mir unter vier Augen mitteilen«, raunzte er. »Ich glaube nicht, dass ich irgendwelche Regeln gebrochen habe. Ich weiß doch nicht, wie sich mein Gegner fühlt während des Spiels. Und das ist ehrlich gesagt auch nicht meine Priorität.«

Stefanos Tsitsipas beim Aufschlag gegen Andy Murray

Stefanos Tsitsipas beim Aufschlag gegen Andy Murray

Foto: TIMOTHY A. CLARY / AFP

Die Diskussion über Tsitsipas' Pausen ist nicht neu. Aber sie nimmt auch deshalb Fahrt auf, weil sich die Vorkommnisse häufen. Vor wenigen Wochen beim Turnier in Toronto verließ er nach gewonnenem ersten Satz gegen Casper Ruud ganze elf Minuten den Platz. Der Norweger saß auf seinem Stuhl und fühlte sich hinterher »machtlos«. Vor knapp zehn Tagen beim Master-Event in Cincinnati wieder das gleiche Spiel: Im Halbfinale gegen Alexander Zverev verschwand Tsitsipas für acht Minuten in der Umkleidekabine. Kurz zuvor hatte er den ersten Satz verloren.

Zverev machte hinterher keinen Hehl daraus, wie sehr ihn dieses Verhalten genervt hat: »Ich mag es, mit Tennis zu gewinnen und mit Tennis zu verlieren. Manche Spieler halt nicht.« Indirekt warf der Deutsche Tsitsipas sogar Schummelei vor. Er habe die Zeit auch nutzen können, um mit seinem Vater, der auch sein Trainer ist, zu texten und sich von ihm Tipps zu holen. Nach dem Murray-Match damit konfrontiert, wehrte sich Tsitsipas auch dagegen entschieden: »Ich weiß nicht, was für eine Fantasie man haben muss, um so etwas zu vermuten. Das ist nur lächerlich.«

Murray aber war auch einen Tag später noch sauer. Er twitterte:

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Das Problem: Das Regelwerk in Sachen Toilettenpausen ist nicht eindeutig. Erlaubt sind laut International Tennis Federation (ITF) bei den Herren zwei Unterbrechungen in Matches über drei Gewinnsätze. In sogenannten Best-of-three-Matches darf der Platz lediglich ein Mal verlassen werden. Was allerdings nicht klar definiert ist: Was man wie und in welcher Länge machen darf. Und so passiert es immer wieder, dass das Regelwerk im professionellen Tennis bis an die Grenzen ausgetestet wird – insbesondere bei Tsitsipas.

In der Gunst der Fans scheint Tsitsipas zu sinken. Beim Verlassen des Platzes nach dem Spiel gegen Murray buhten ihn die Zuschauer aus. Und Murray warf ihm noch diesen Satz hinterher: »Ich habe heute jeglichen Respekt vor ihm verloren.«

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