EISHOCKEY Übersoll erfüllt
Der SC Rießersee fand sich am Ende, als der neue Trainer Josef Golonka aus Bratislava bei den Prügelknaben der Eishockey-Bundesliga einsprang. Er brachte einen Vierjahrsplan mit, der für 1979 den Meistertitel vorsah. Nun ist Golonkas Überraschungsmannschaft schon im dritten Jahr Meisterschafts-Favorit.
»Keine andere Bundesliga-Mannschaft hat so gute Kondition wie wir«, stellte Golonka, 39, fest, nachdem seine Mannschaft aus Garmisch-Partenkirchen dem Favoriten und Titelverteidiger Kölner EC die erste Heimniederlage der Saison beigebracht hatte.
Tricks, Taktik und Technik des schnellsten Mannschaftsspiels der Welt hatte Golonka seit seinem zehnten Lebensjahr auf dem Eis studiert. Er sammelte Meistertitel mit seinem Klub Slovan Bratislava und stieg zum Kapitän der CSSR-Nationalmannschaft auf, für die er in 140 Länderspielen 78 Tore erzielte. Dreimal wurde er Vizeweitmeister, vom Olympia 1968 brachte er eine Silbermedaille mit. Bratislava machte ihn zum Ehrenbürger.
Als seine internationale Spielerkarriere endete, nutzte er die Chance, als Leihspieler in der Bundesrepublik zu verdienen. Drei Jahre bis 1972 half er dem SC Rießersee als Stürmer und Verteidiger aus. Im Dienst der Deutschen brach er sieh die Schulter: sie wurde mit Draht zusammengeflickt.
Die schwersten Verletzungen fügten ihm freilich keine Gegner, sondern Rocker in seiner Heimat zu, als er einem überfallenen Paar half: Mit dem Pistolenknauf und mit Fußtritten zertrümmerten die Rowdies ihm den Kiefer und das Nasenbein, brachten ihm innere Verletzungen und eine Gehirnerschütterung bei. Nur seine Eishockey-Natur, versicherten die Ärzte, habe ihm das Leben gerettet.
Trotz seiner Ausbildung zum Wirtschafts-Ingenieur beschloß Golonka, weiter auf Eis zu bauen. »Genauso gut, wie ich als Spieler war, möchte ich auch als Trainer sein«, nahm er sich vor. Beim slowakischen Zweitliga-Klub ZVJ Svolen, den er zum zweiten Platz führte, lieferte er sein Gesellenstück.
Dann holte ihn der SC Rießersee als letzte Hoffnung: Tatsächlich rettete Golonka den Klub, der bis 1960 achtmal Meister geworden war, 1976 knapp vor dem Abstieg aus der Bundesliga. Der Zuschauerschnitt war auf 2200 gesunken. Die leistungsstärksten Spieler ließen sich von den freigebigen Großstadtklubs abwerben.
Mit Junioren aus dem eigenen Nachwuchs begann Golonka eine neue Equipe zusammenzupuzzeln. Die Neulinge mußten sich auf vier Jahre verpflichten oder bei einem Vereinswechsel 18 Monate Sperre auf sich nehmen. Außer drei gebürtigen Kanadiern, von denen einer schon Deutscher geworden ist, ein zweiter die Einbürgerung erwartet, spielen ausschließlich Einheimische für den SCR.
»Disziplin ist alles im Mannschaftssport«, glaubt Golonka. Er führte einen umfangreichen Katalog von Geldstrafen ein: Verspäten sich Spieler beim Treff vor Auswärtsspielen, oder dehnen sie die Verlängerung an der Theke über 22 Uhr aus, müssen sie blechen -- gelegentlich auch, wenn sie durch Rüpeleien auf dem Eis Strafzeiten herausgefordert und damit die Mannschaft geschwächt haben.
Golonka verbannte einmal sogar seinen Nationalspieler Martin Wild für ein Spieldrittel auf die Bank, weil er zu eigensinnig gespielt hatte. Golonka: »Wer nur für sich spielt, den kann ich nicht brauchen.«
Der Trainer überrumpelte die Gegner auch durch taktische Tricks: Mitunter erhöhte er das Spieltempo, indem er seine Sturmreihen alle 20 Sekunden auswechselte. Dabei erzielte Rießersee binnen 60 Sekunden schon vier Tore ein Rekord.
Im zweiten Trainerjahr Golonkas stieg Rießersees Zuschauerschnitt auf mehr als 3000. Die Equipe verpaßte nur knapp die Endrunde der sechs besten Bundesliga-Mannschaften. »Erst mal in die Endrunde«, setzte Golonka als Ziel für die Saison 1977/78, »in der kommenden Meisterschaft wollen wir dann ganz vorn sein.«
Doch von Anfang dieser Spielserie an behauptete sich der SC Rießersee in der Spitzengruppe. Er zog durchschnittlich 6000 Zuschauer zu seinen Heimspielen an; mehrmals verkaufte der Klub alle 10 500 verfügbaren Plätze.
Bei mehr als 3500 Zuschauern beteiligt das neue Management mit dem Mannesmann-Direktor Adi Weiß als geschäftsführendem Vorsitzenden die Spieler an den Einnahmen. Angestachelt von sportlichem Ehrgeiz und Aussicht auf Gewinn, erfüllte die Mannschaft ein Übersoll und erspielte schon ein Jahr vor dem Plan die günstigsten Chancen auf den Meistertitel.
»So wünsche ich mir das Spiel meines Weltmeisterschafts-Teams« » lobte Bundestrainer Hans Rampf die Golonka-Mannschaft.